Für die Flugreisen der Bundesregierung zu Spielen der deutschen Nationalmannschaft bei der Fußball-Europameisterschaft sind Kosten von insgesamt 531.008,86 Euro angefallen. Das geht aus der Antwort des Bundesverteidigungsministeriums auf eine schriftliche Frage der Linke-Gruppe im Bundestag hervor. Das ist umso peinlicher, weil normale Fußballfans auf die Bahn verwiesen wurden – und vielfach ihr Spiel versäumten und die teuren Karten verfielen. Die Bahn hatte irgendwie übersehen, dass da ein Großereignis stattfindet, und die Verspätungen noch einmal kräftig erhöht.
Während Fans litten, flogen unter anderem Bundeskanzler Olaf Scholz, Gesundheitsminister Karl Lauterbach, Innenministerin Nancy Faeser (alle SPD) und Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) mit der Flugbereitschaft des Verteidigungsministeriums zu den EM-Spielen der deutschen Nationalmannschaft.
„Wer für sechs angebliche Dienstreisen Kosten von über einer halben Million Euro verursacht, ist entweder völlig verantwortungslos oder endgültig abgehoben“, sagte Sören Pellmann, Vorsitzender der Linke-Gruppe im Bundestag, der „Welt“. Die Flugbereitschaft dürfe „nicht die alternative Reisemöglichkeit für ein abendliches Unterhaltungsprogramm der Bundesregierung sein“, so Pellmann. Vermutlich aber sei die Flugbereitschaft aufgrund der kaputtgesparten Bahn für die Minister und den Kanzler das „angenehmere Reisemittel“.
Die Linke kritisiert zudem, dass Scholz von seiner Ehepartnerin Britta Ernst zu den EM-Spielen begleitet wurde. Die „Ehrenkarten“, die Ernst sowie die Kabinettsmitglieder nutzten, stünden nur Repräsentanten der deutschen Verfassungsorgane zu. Die Uefa stellte jene Eintrittskarten der Bundesregierung zur Verfügung, die sie sich wiederum mit dem Bundestag teilte. In einem internen Schreiben der Bundestagsverwaltung heißt es, die „Ehrenkarten“ seien „ausschließlich personengebunden und nicht übertragbar, auch nicht spontan“. Zudem heißt es: „Eine persönliche oder dienstliche Begleitung ist nicht möglich.“
Die Bundesregierung schreibt in der Antwort auf eine Frage der Linken-Gruppe: Es sei „seit Jahrzehnten tradierte Staatspraxis“, dass sich die Spitzen der Verfassungsorgane der Bundesrepublik bei Veranstaltungsbesuchen von ihren Partnern begleiten lassen könnten. Eine Regierungssprecherin sagte der Zeitung jedoch: „Zur Frage der Begleitung oberster Repräsentanten der Verfassungsorgane des Bundes gibt es keine schriftlichen Regelungen.“ Das Schreiben der Bundestagsverwaltung richte sich nur an Mitglieder des Bundestags, so ein Regierungssprecher.
„Während echte Fans tief in die Tasche greifen mussten, saß die Kanzler-Gattin mehrfach auf Premiumplätzen – und das kostenlos beziehungsweise auf Kosten der Allgemeinheit“, sagte Christian Görke, Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der Linke-Gruppe, der „Welt“. Einen dienstlichen Grund für die Begleitung des Bundeskanzlers zu den Spielen habe es nicht gegeben.
Görke fordert Scholz’ Ehefrau Ernst auf, „die Premiumkarten, einschließlich die mehrfache Nutzung der Flugbereitschaft, aus der privaten Tasche“ nachträglich zu zahlen. „Der Fußball lebt in Deutschland von Millionen Normalos, die jedes Jahr die Tribünen füllen, und nicht von Ehepartnern von Mitgliedern der Bundesregierung auf Logenplätzen“, so Görke. Dabei sind die ausgewiesenen Kosten nur ein Teil der tatsächlich angefallenen. Ein Kurzstreckenflug kommt eben selten allein, sondern macht weitere notwendig. Die Außenministerin Annalena Baerbock war nach dem Deutschland-Spiel gegen die Schweiz am 23. Juni trotz der kurzen Entfernung (rund 180 Autokilometer) mit einem A321 der Flugbereitschaft von Frankfurt nach Luxemburg geflogen. Wegen des von den Grünen so verteidigten Nachtflugverbots war eine Sondergenehmigung nötig, die es für die Ministerin selbstverständlich gab.
Nachdem Kritik an dem 30-Minuten-Flug laut geworden war, hatte ihr Ministerium mitgeteilt, der A321 habe ohnehin als Ersatzmaschine für den Bundeskanzler bereitgestanden, deswegen sei der Flug möglich gewesen. Zudem sei Baerbock von Luxemburg am 24. Juni direkt weiter nach Israel gereist. Also alles in Ordnung? Jetzt zeigt sich, dass die Antwort des Auswärtigen Amts die Wirklichkeit kunstvoll verschleiert.
Denn der nächtliche Trip nach Luxemburg löste zwei weitere Flüge des A321 aus: Nachdem Baerbock in Luxemburg angekommen war, flog der Flieger zur Basis ins 155 Kilometer nahe Köln zurück. Kurzstrecken per Auto sind ja auch einer Crew nicht zumutbar, zumal die Crew ihre zulässige Flugstundenzahl erreicht hatte und wechseln musste. Am folgenden Morgen startete der Jet dann wieder mit frischer Mannschaft von Köln nach Luxemburg.
Aber es gibt eben zwei Sorten Gesetze – für die da oben die günstigeren und für die da unten immer strengere.