Tichys Einblick
Wieder ein RBB-Skandal

Gelbhaar-Affäre: RBB lässt Köpfe rollen

Der RBB zieht Konsequenzen aus der fehlerhaften Berichterstattung über Stefan Gelbhaar, die den Grünen politisch vernichtete. Rücktritte und Reformen sollen das Vertrauen in die journalistische Integrität wiederherstellen. Eine zentrale Frage bleibt jedoch offen.

IMAGO / Stefan Zeitz

Die fehlerhafte Berichterstattung über Belästigungsvorwürfe gegen den Grünen-Politiker Stefan Gelbhaar hat beim Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) personelle und strukturelle Konsequenzen. Programmdirektorin Katrin Günther und Chefredakteur David Biesinger treten zurück. Günther bleibt jedoch vorerst kommissarisch im Amt, während Stephanie Pieper übergangsweise die Chefredaktion übernimmt.

Der Fall begann wenige Wochen vor der Bundestagswahl: Mehrere Medien berichteten unter Berufung auf den RBB über Belästigungsvorwürfe gegen Gelbhaar, einen der bekanntesten Köpfe der Berliner Verkehrspolitik. Er hatte sich als Verfechter autofeindlicher Maßnahmen einen Namen gemacht. Die Anschuldigungen, die angeblich von mehreren Frauen bei der grünen Ombudsstelle eingegangen waren, drehten sich um einen mutmaßlichen Missbrauch seiner Machtstellung. Im Zentrum stand die Hauptzeugin „Anne K.“ – obwohl es nie eine offizielle Anzeige bei der Polizei gab.

Die Berichterstattung beschädigte Gelbhaar massiv. Er verlor sein Direktmandat an Julia Schneider, die in ihrer Bewerbungsrede auf die Vorwürfe anspielte. Auf einen sicheren Listenplatz musste er verzichten. Nutznießer war der Habeck-Intimus Andreas Audretsch. Der Wahlkampfmanager des grünen Spitzenkandidaten ergatterte Listenplatz 2. Ob die Vorwürfe gezielt eingesetzt wurden, um Gelbhaar aus dem Weg zu räumen, bleibt Spekulation.

Zweifel an der Darstellung wuchsen, als der Tagesspiegel erfuhr, dass eine „Anne K.“ an der angegebenen Adresse nicht existierte. Schließlich stellte sich heraus, dass sich eine grüne Bezirkspolitikerin als „Anne K.“ ausgegeben und eine gefälschte eidesstattliche Erklärung eingereicht hatte. Damit wandelte sich Gelbhaar vom vermeintlichen Täter zum Opfer einer politischen Intrige – und der RBB zum Schauplatz eines beispiellosen journalistischen Versagens. Der Sender gestand ein, die Identitäten nicht ausreichend geprüft zu haben. Der Sender entfernte alle Berichte zu dem Thema.

Als Reaktion auf die Enthüllungen lässt der RBB jetzt eine unabhängige Kommission den Fall untersuchen. Intendantin Ulrike Demmer kündigt umfassende Maßnahmen an, um das Vertrauen der Zuschauer zurückzugewinnen. Investigative Einheiten sollen bei sensiblen Recherchen künftig zwingend einbezogen werden. Die Chefredaktion verspricht, eine aktivere Rolle in der Qualitätssicherung zu übernehmen. Verpflichtende Schulungen zur Verdachtsberichterstattung sollen eingeführt werden.

Die zentrale Frage bleibt jedoch unbeantwortet. Das Versagen des RBB ist nur eine Facette. Möglicherweise hat sich der Sender in eine parteiinterne Intrige ziehen – und instrumentalisieren lassen. Dass die Machtkämpfe in der Endphase der Habeck-Ära zugenommen haben, ist kein Geheimnis. Die Strippenzieher, die Gelbhaars Karriere zerstören wollten, bleiben weiterhin im Dunkeln.

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