Tichys Einblick
Gebäudeenergiegesetz

Liberale Siege sehen anders aus

Auf den ersten Blick hat sich die FDP bei Robert Habecks (Grüne) Heizungsverbot durchgesetzt. Doch liberale Siege sehen anders aus. Der Staat erhöht das Chaos rund um den Heizungsbau noch massiv.

IMAGO / Political-Moments

Kommt das Selbstbestimmungsgesetz, kann das Geschlecht in Deutschland leicht gewechselt werden: Jeder Mann kann zum Amt gehen und sagen, ich bin jetzt eine Frau. Mindestens für ein Jahr. Eine Heizung lässt sich indes nicht so leicht wechseln wie das Geschlecht. Dafür gilt eine Beratungspflicht. Genau wie bei Abtreibungen. Im Gebäudeenergiegesetz heißt es dazu: „Bei der Sanierung von Ein- und Zweifamilienhäusern müssen Bauherren eine Energieberatung in Anspruch nehmen, wenn im Zuge der Sanierung Berechnungen zur Energiebilanzierung angestellt werden.“ Beim Hauskauf gilt eine ähnliche Regelung.

Nun muss man zur Verteidigung von Grünen und FDP sagen: Dieser Irrsinn staatlichen Eingreifens in private Belange hat bereits unter Angela Merkel (CDU) begonnen: Der Teil des Gebäudeenergiegesetzes stammt aus dem Jahr 2020. Schon vor dem russischen Angriff auf die Ukraine hat die damals noch schwarz-rote Bundesregierung den Betrieb von Gasheizungen offensichtlich kritisch gesehen.

Mit dem neuen Gebäudeenergiegesetz hat die Ampel nun ihre eigene Note in den Irrsinn eines ausufernden und sich widersprechenden Gesetzeswerks gesetzt. Weil zuerst jemand aus dem Ministerium von Robert Habeck (Grüne) einen halbgaren Entwurf an die Presse gegeben und so Fakten geschaffen hat. Dann, weil Kanzler Olaf Scholz (SPD) das Thema vor der Sommerpause abgeräumt wissen wollte. Und letztlich weil der FDP klar war, dass sie Habecks Angriff auf die Heizung nicht durchgehen lassen kann, wenn sie weiterhin in Parlamenten vertreten sein will.

Ein chaotischer Kompromiss

Herausgekommen ist das, was angesichts dieser Prämissen zu erwarten war: ein chaotischer Kompromiss. Auf den ersten Blick sieht es so aus, als ob die Ampel das Verbot von Öl- und Gasheizungen schlicht um vier Jahre verschoben hat. Die Bundestagswahl von 2025 gibt einer Partei damit die Möglichkeit, das Heizungsverbot zum Thema zu machen. Sie könnte aber auch zeigen, dass den Bürgern das Ganze vielleicht dann nicht mehr so wichtig ist, wenn der Fokus der Medien sich bis dahin auf andere Projekte gerichtet hat. In dem Fall hätte sich Kanzler Scholz – wie so oft – Zeit und Frieden gekauft.

Doch ganz so einfach ist es nicht. Das Heizungsverbot ist nur so lange ausgesetzt, bis Kommunen ein Fernwärme-Konzept haben. Nur: Was passiert in der Zeit, in der die jeweilige Stadt oder der jeweilige Landkreis eben kein solches Konzept hat? Dann dürfen weiter Öl- und Gasheizungen eingebaut werden, sagen FDP-Politiker hinter den Kulissen. Das dürfen sie eben nicht, sagen Grüne-Politiker. Der Entwurf klärt das nur schwammig. Heiße Nadeln stricken halt nicht gründlich.

Aber auch die weiteren Regelungen zeigen, wie absurd es wird, wenn der Staat Privates regeln will. Möglichst bis ins Detail. Heizungen, die mit Holz und Holzpellets betrieben werden, erfüllen nach dem neuen Gesetz die ursprüngliche Vorgabe, dass die Heizwärme zu 65 Prozent aus erneuerbaren Energien gewonnen werden muss. Was ist mit Feinstaub? Jenes Teufelszeug, dessentwegen die Städte autofrei werden sollen. Und dessen Werte wahrscheinlich zunehmen werden, wenn Millionen Haushalte wieder so heizen wie zu Zeiten von Goethe, Luther oder Walther von der Vogelweide. Doch Feinstaub zählt momentan nicht. Derzeit rührt sich die Ampel wegen Kohlendioxid. Steigende Feinstaub-Werte greift sie dann im Winter auf – wie gehabt mit heißer Nadel.

Der Staat wuchert immer weiter

Sicher ist: Durch die grün-rot-gelbe Politik wuchert der Staat weiter aus. Das neue Gesetz verspricht passgenaue Hilfen, wenn sich Hausbesitzer das Heizungsverbot nicht leisten können. Das bedeutet: Millionen von Anträgen, Milliarden von Papierseiten, die jemand erfassen, bearbeiten und prüfen muss – Entscheidungen treffen, formulieren und begründen.

Die Deutsche Umwelthilfe schmollt ob des gefunden Kompromisses. Ihre Bundesgeschäftsführerin Barbara Metz sagt: „Dieses Gebäudeenergiegesetz ist kein Meilenstein, sondern ein Tiefpunkt für die Klimapolitik dieser Bundesregierung.“ Am schwersten wiege, dass die „Wärmewende“ bei Bestandsgebäuden auf einen Zeitpunkt nach 2028 und damit auf eine nächste Regierung verschoben wird und das sogar bei einem großen Teil der Neubauten, wo es besonders einfach umsetzbar gewesen wäre. „Diese Einigung trägt die Handschrift der FDP, die sich an entscheidenden Punkten durchsetzen konnte“ vermutet Metz im Namen der Deutschen Umwelthilfe.

Robert Habeck knüpft in seiner Bewertung an seine Tage als Kinderbuchautor an: „Das Verhandlungsergebnis ist ein gutes und ich bin zufrieden.“ Das Ziel sei erreicht worden – nämlich das Gesetz vor der Sommerpause zu verabschieden. Klingt nach: Hauptsache irgendein Gesetz. Gesichtswahrung halt. Doch Habeck meint: „Der Kern ist gewahrt.“ Die Menschen hätten jetzt mehr Zeit, den Wechsel zu vollziehen.

Hat die FDP nun gewonnen, wie die Deutsche Umwelthilfe sagt und wie viele Medien es kommentieren? Nun: Im Rahmen ihrer Strategie, die FDP sei in der Ampel, um dort das Schlimmste zu verhindern, hat sie gewonnen, Sie hat den Frontalangriff Habecks und der Grünen auf den Heizungsbestand vorerst abgewehrt. Eine liberale Handschrift trägt das neue Gesetz aber jetzt wirklich nicht: Der Staat nimmt in Kauf, dass viele Privatleute sich eine Heizung nicht mehr aus eigener Kraft leisten können. Im Gegenzug entwickelt der Staat ein aufwendiges Subventionsverfahren, das für einen massiven Aufwuchs der Verwaltung sorgen wird. Obendrein mischt sich der Staat mit ausufernden Detailregeln in private Belange. Dass diese Regeln sich widersprechen, wäre schon die Krönung antiliberaler Politik – wenn da nicht die Beratungspflicht wäre, die den Besitzer einer Gasheizung auf eine Stufe stellen mit einer Frau, die ein Ungeborenes töten will. Echte liberale Siege sehen anders aus.

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