Tichys Einblick

GDL: Der komische Streik

Am Tag vor dem 109-stündigen Lokführerstreik herrscht schon Verspätung auf vielen Strecken der Bahn – gerade so, als wolle das Bahnmanagement beweisen: Chaos können wir auch allein, dazu brauchen wir keine Lokführer mehr. Es ist ein lästiger Streik, aber vor allem ein komischer: Hinter der Fassade geht es um ganz andere Dinge als um Lohn und Arbeitszeit.

Machtanspruch

Worum geht es also wirklich: Es geht nicht um höhere Löhne und kürzere Arbeitszeiten, sondern um den Machtanspruch der Lokführergewerkschaft GDL. Noch beim ersten Streik hatte GDL-Boss Claus Weselsky dies als „Propaganda des Bahnvorstands“ abgetan, etwa in der n-tv-Diskussion mit mir.

Jetzt zeigt Weselsky, dass er es mit der Wahrheit nicht so genau nimmt: Gerade darum, um den Vertretungsanspruch der GDL geht es, um nichts anderes. Oder nennen wir es anders: Es geht um Prestige und Machtgeilheit dieses Mannes und seiner Gefolgsleute.

Privatisierung

Immer wieder hört man, das habe irgendwas mit der Privatisierung der Bahn zu tun. Wahr ist: Die Bahn ist zu 100% Bundeseigentum. Das wissen auch die Lokführer. Im Zweifelsfall springt der Steuerzahler ein; faktisch kann das Unternehmen nicht Pleite gehen. Aber kühl kalkuliert die GDL Arbeitsplatzverluste in der Wirtschaft: Ein schwaches Unternehmen, das jetzt wegen fehlender Logistik zusätzliche Schwierigkeiten erhält, kann schnell vom Markt verschwinden. Die Lokführer dagegen sind insoweit immer noch Beamte.

Beamte

Lokführer wurden auch bis 1994 verbeamtet, und davon träumen sie heute immer noch. Dabei wird die tiefe Krise ihrer Beamtenbahn vergessen: Gigantische Defizite haben einfach eine Modernisierung erzwungen, die zum Teil auch zu beachtlichen Leistungsverbesserungen geführt haben. Wahr ist, viele Beamtenprivilegien wurden geschleift; Material zu lange gefahren und verschlissen, Wartung weggespart. Aber trotzdem ist erst seither die Bahn halbwegs wieder auf Kurs. Ohne die diversen Bahnreformen wäre sie ein Moloch, der Steuergeld verschlingt, ohne Menschen und Güter zu transportieren. Die Rückkehr zur Beamtenbahn ist so ausgeschlossen wie die Rückkehr zur Bundespost mit ihren überhöhten Tarifen, technischer Rückständigkeit und miserabler Performance.

Beamtenbund

Der Deutsche Beamtenbund finanziert den Streik im wesentlichen mit 50 € je Lokführer. Beamte dürfen nicht streiken, aber sie lassen streiken. Es kann gut sein, dass die GDL zukünftig wieder Reisende stehen lässt – aus Solidarität mit Beamten während der Beamtentarifverhandlungen. So wird die Begrenzung des Streikrechts schrittweise ausgehebelt. Längst geht es nicht mehr um Geld – sondern um die Politisierung des Streikrechts. Und das mit Erfolg

Tarifeinheitsgesetz

Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles hat ein Tarifeinheitsgesetz vorgestellt, das ziemlich tricky ist: Tarifverträge dürfen danach nur noch von der Gewerkschaft mit den meisten Mitglieder in einem Betrieb abgeschlossen werden. Im Umkehrschluß: Kleingewerkschaften haben danach keine Chancen mehr, wenn ihnen die Waffe des Tarifrechts und damit des Streikrechts genommen wird. Alles läuft dann auf Den Großen Bruder zu, den DGB und seinen Gewerkschaften. Das klingt vernünftig, würde aber die Übermacht der linken, SPD-nahen DGB-Gewerkschaften und ihres allgemeinen politischen Vertretungsanspruches, den sie formulieren, stabilisieren.

Neue Gewerkschaften

Viele gebildetere, politisch unabhängigere Arbeitnehmer fühlen sich aber von den oft plumpen und ewig-gestrigen DGB-Gewerkschaften nicht vertreten. Allerdings bildet sich bereits Gegenmacht: Bei der Lufthansa sprechen die diversen Spartengewerkschaften, von Flugbegleitern bis Piloten, offensichtlich über die Gründung einer neuen „Industriegewerkschaft Luftfahrt“. Die Flieger fühlen sich insbesondere von Ver.di abgestoßen, der politisch fragwürdigen, aber einflussreichen Gewerkschaft des öffentlichen Dienstes und ihrem seltsamen Boß Bsirske.

Und das alles also wegen ca. 7.000 bis 8.000 Lokführern, denn mehr sind es nicht, wenn man die Übertreibung von Claus Weselsky bereinigt? Dafür die Geiselnahme am Bahnsteig?

 

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