Tichys Einblick
Branchenvertreter: “Die Stimmung kippt gerade

Gastronomie-Shutdown: Reisst den Gastwirten jetzt der Geduldsfaden?

Das Geschäft ist geschlossen, die Hilfszahlungen reichen nicht aus und die Verwaltungsgerichte setzen die Lockdown-Regeln knallhart durch – den Gastronomen steht das Wasser bis zum Hals. Trotzdem strengen sie offenbar kaum Klagen an. Doch das dürfte sich ändern, sagen Branchenvertreter. Von Elias Huber

picture alliance / SvenSimon | Frank Hoermann

Bisher haben die Gastronomen die Betriebsschließungen erstaunlich gelassen hingenommen. Christoph Becker, Geschäftsführer des Gaststättenverbands Dehoga Nordrhein, sagt etwa: “Im Verhältnis zur Größe der Branche – in Deutschland gibt es etwa 250.000 Gastronomie-Betriebe – haben wenige Gastwirte und Hoteliers bislang geklagt.”

Doch immer mehr Gastronomen reißt offenbar die Hutschnur, wie Branchenvertreter gegenüber Tichys Einblick berichten. “Die Stimmung kippt gerade”, sagt Mohammad Nazzal von der Deutschen Barkeeper-Union. Die gesamte Branche schaue derzeit auf die Bund-Länder-Konferenz am 3. März. Sollten die Bundeskanzlerin und die Länderchefs an diesem Tag keine Öffnungen beschließen, erwarte er mehr Klagen. Denn vielen Gastronomen gehe spätestens im Frühjahr das Geld aus, erklärt der studierte Jurist.

Thomas Becker pflichtet bei. “Mittlerweile kommen mehr Gastronomen zu mir, die klagen wollen – verglichen mit dem November und Dezember”, sagt der Anwalt, der Dehoga-Mitglieder rechtlich berät. Viele Gastwirte hätten derzeit noch Angst, als “politischer Querulant” dazustehen und befürchteten Gängelungen durch Behörden, etwa bei Lebensmittelkontrollen oder Kontrollen des Ordnungsamts. “Mir ist aber keine Gängelung oder Benachteiligung bekannt”, sagt Becker.
Auch Becker erwartet mehr Klagen, sollte die Politik am 3. März nicht öffnen. “Das Wetter wird schön und die Hilfszahlungen reichen bei Weitem nicht aus”, erklärt der Anwalt.

Laut einer Dehoga-Umfrage erwägt bereits jeder vierte Gastwirt, seinen Betrieb zu schließen. Im Januar 2021 schrumpften die Umsätze demnach um satte 78 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat. Zudem hätten erst 63,5 Prozent der Betriebe die kompletten Hilfen für November erhalten, und 23,3 Prozent für Dezember. Die Umfrage erhob der Verband vom 12. bis 14. Februar unter mehr als 6000 Mitgliedern. Dehoga-Chef Guido Zöllick sagte denn auch, die Not der Branche sei “riesig”. Er schätzte die Umsatzverluste, die seit Beginn der Corona-Krise angefallen sind, auf 40 Milliarden Euro.

Doch nicht nur die alarmierenden Zahlen belasten die Gastwirte. “Bislang waren wenige Klagen vor den Verwaltungsgerichten im Eilverfahren erfolgreich”, sagt Thomas Becker. Es herrsche mittlerweile “eine gewisse Resignation”. Zwar argumentiere die Dehoga auch mit Sterbezahlen und anderen Statistiken, die dem offiziellen Corona-Narrativ widersprechen, aber bisher hätten die Verwaltungsrichter fast nie die Lockdown-Regeln außer Kraft gesetzt.

Laut Becker müssen die Gastwirte in manchen Dehoga-Verbänden nicht die Verfahrenskosten tragen, sollten sie mithilfe der Dehoga klagen – und zwar in Nordrhein, Hessen und Rheinland-Pfalz. “Manche unserer Landesverbände haben eine eigene Rechtsabteilung mit festangestellten Anwälten, die sich darum kümmern”, sagt er. Die Dehoga rate aber einem Mitglied nicht grundsätzlich von einer Klage ab, sondern prüfe zuerst die Erfolgsaussichten.

Eine neue Klage erhob die IG Gastro Köln am Donnerstag. Per Eilantrag wolle man die Hotspot-Regelung vor dem Verwaltungsgericht kippen, die nur in Köln und nicht im restlichen Nordrhein-Westfallen gelte, teilt der Verband auf Facebook mit. “Es gibt Schnelltests und digitale Lösungen, stattdessen aber setzt Köln weiter auf Verbote, die keinen Sinn machen”, schreiben die Gastwirte und fahren fort: “Zugehört wird uns auch nicht, wenn wir Lösungen und Ideen präsentieren.” Man könne und wolle das nicht länger akzeptieren, sagen sie.

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