Ab heute will Russland sämtliche Lieferungen von Erdgas nach Polen einstellen. Dies hat der polnische Erdgaskonzern am Dienstag in Warschau mitgeteilt. Polen weigert sich, Erdgas künftig in Rubel zu bezahlen, wie das Russland neuerdings fordert. 55 Prozent der polnischen Gasimporte kommen aus Russland.
Auch nach Bulgarien sollen die Gaslieferungen ab heute gestoppt werden. Darüber hat der russische Staatskonzern Gazprom das bulgarische Gasunternehmen Bulgargas am Dienstag informiert. Das Ministerium erklärte, Bulgarien habe seine vertraglichen Verpflichtungen erfüllt und Schritte unternommen, um alternative Lieferungen zu sichern. Das Unternehmen sagt, es werde nicht in Rubel zahlen, wie von Putin gefordert. Eine Zahlung in Rubel würde nach Ansicht der Europäischen Union gegen Sanktionen verstoßen. Polens Erdgasspeicher sind zu 76 Prozent gefüllt und verfügen über weitere Versorgungsquellen, die die Sicherheit des Landes gewährleisten, erklärte Umweltministerin Anna Moskwa auf Twitter.
Bulgarien hat ebenfalls Schritte unternommen, um seine Abhängigkeit zu verringern, auch wenn es im Moment noch stark abhängig ist. Die unmittelbaren Auswirkungen werden jedoch durch wärmere Temperaturen gemildert werden.
Anders sieht es in Deutschland aus, das aufgrund der Energiepolitik der vergangenen 15 Jahre erheblich von russischen Gaslieferungen abhängt. Bisher gab es aus Berlin noch keine offiziellen Reaktionen. Italien ist ebenfalls sehr stark auf Erdgas angewiesen und importiert ebenfalls erhebliche Mengen an Erdgas aus Russland.
»Dies ist ein Wendepunkt, der heute von Russland beschleunigt wurde«, sagte Piotr Naimski, Polens oberster Fachmann für strategische Energieinfrastruktur.
Das ist das erste Mal, das Russland den Gashahn zudreht und Energie zu einer Waffe machen will. Bisher ist Gazprom noch in jeder Krisenzeit seinen Lieferverpflichtungen nachgekommen und sieht sich jetzt einem massiven Glaubwürdigkeitsverlust gegenüber, dessen künftige Auswirkungen unüberschaubar sind. Denn es gilt jetzt nicht mehr der eherne Satz, Russland und Gazprom erfüllten immer ihre Verträge.
Die Entscheidung Russlands, die Gaslieferungen an Polen und Bulgarien zu stoppen, stelle einen historischen Wendepunkt in den bilateralen Energiebeziehungen dar, schreibt Simone Tagliapietra vom Brüsseler Thinktank Bruegel.
Es handelt sich mit dem Stopp der Gaslieferungen eher um eine Drohgebärde. Die Gasmengen, die über die Jamal-Fernleitung strömen, sind vergleichsweise gering gegenüber den Mengen, die über die seit 11 Jahren bestehende Ostsee-Leitung Nord Stream fließen.
Noch ist nicht bekannt, wie Russland seine Gasströme regelt. Denn auch für Russland ist das Abschalten der Gaspipelines mit einem erheblichen Risiko verbunden. Gasfelder kann man nicht nach Belieben ein- und ausschalten, ohne sie zu beschädigen oder unbrauchbar zu machen. Noch sind keine Pipelines aus dem Westen Sibiriens nach China fertiggestellt worden, über die aus der Erde quellenden Gasströme nach Reinigung und aufwendiger Aufbereitung geleitet werden könnten. Außerdem benötigt Putin die Einnahmen, um seinen Krieg zu finanzieren. Immerhin fließen um die 700 Millionen Euro aus der EU in die Kassen der Gazprom – pro Tag.
Bundeswirtschaftsminister Habeck will mehr Spezialtanker für verflüssigtes Erdgas (LNG) und außerdem schwimmende LNG-Terminals anmieten. Mobile LNG-Terminals sollen aufgestellt werden, an denen die Tanker ihre Ladung löschen können. Solche LNG-Terminals werden meist von schlecht regierten, zahlungsunfähigen Staaten angemietet, die können die Unternehmen schnell wieder abziehen, wenn Zahlungen ausbleiben.
In Deutschland wird seit 30 Jahren über ein eigenes Terminal für LNG-Gas in Wilhelmshaven geredet, ohne dass etwas passiert ist. Für die Bauzeit und den Anschluss an das Gasfernleitungsnetz veranschlagen Fachleute etwa fünf Jahre. Kürzlich haben die Grünen in Schleswig-Holstein beschlossen, dass ein LNG-Terminal nicht notwendig ist.