Tichys Einblick
Experten warnen

Gaspreisbremse: Habecks Vorschläge sind nicht machbar

Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hat mit Experten besprochen, wie die Gaspreisbremse umzusetzen ist. Die Runde gab ihm zurück: Seine Vorschläge sind nicht machbar.

IMAGO / Jens Schicke

Das Theater kennt den „Deus ex machina“. Eine Gottheit wird per Maschine auf die Bühne gehievt. Es ist eine der denkfaulsten Allheilmittel für schlechte Dramaturgen: Ein Gott erscheint und löst per Spruch alle Verwicklungen der Handlung in Wohlgefallen auf. Statt sich noch stundenlang damit zu quälen, wie die ganzen Wirrnisse in ein sauberes Bild passen, können Zuschauer und Schauspieltruppe direkt zum Edel-Italiener um die Ecke. Vorhang. Applaus.

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Als solchen Gott aus der Maschine inszeniert sich auch gerne Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). Jüngst erst mit der „Gaspreisbremse“. Der Staat gibt 200 Milliarden Euro aus und hält damit die Gaspreise niedrig. Keiner muss sich mehr Sorgen machen. An Weihnachten. Im neuen Jahr. Vorhang. Applaus. Nur: Das Stück ist mit dem Auftritt von Scholz aus der Maschine nicht vorbei. Es fängt gerade erst an.

Die 200 Milliarden Euro müssen nach dem Gottesspruch noch unters Volk gebracht werden. Gerecht. Anspruchsgenau. Und Energiesparen soll auch gefördert werden. Das geht auf der Bühne durch göttliche Anweisung. Im realen Leben ist das ein Verwaltungsakt. Und zwar einer, der es in sich hat, wie sich nun bei einem Treffen von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) mit Branchenvertretern erwiesen hat.

Die Bild hat über diese Runde berichtet. Demnach will der Staat 70 Prozent des bisherigen Verbrauchs deckeln. Für diesen sollen die Verbraucher „nur“ 12 Cent pro Kilowattstunde bezahlen. Das wären dann aber immer noch 70 Prozent mehr als der Preis aus dem Vorjahr. Für jede zusätzliche Kilowattstunde sollen sie das hinlegen, was immer auch der Markt verlangt. So will Habeck Anreize setzen, Strom zu sparen.

Das bedeutet aber auch: Wer bisher einen Pool über den Winter geheizt hat und entsprechend viel Gas verbraucht hat, der bekommt ebenfalls Subventionen auf 70 Prozent der bisherigen Menge. Genau wie einer Rentnerin nur 70 Prozent auf das Heizen ihrer Wohnung mit 50 Quadratmetern zustehen. Um solche sozialen Ungleichheiten auszuwuchten, bräuchte es auch entsprechende Grenzen und Klauseln. Soweit die politische Theorie. Das Formulieren der Ziele.

Schwierig wird es, wenn diese Ziele in Gesetze und Verwaltungsvorgänge gegossen werden müssen. Marie-Luise Wolff hat laut Bild gesagt, Habecks Vorschlag sei so nicht umsetzbar. Es brauche pauschalere Lösungen. Sie ist Präsidentin des Bundesverbandes der Energie und Wasserwirtschaft und hat einen wunden Punkt getroffen. Der Wirtschaftsminister hat schon bei der „Gasumlage“ gezeigt, dass er diese alltäglichen politischen Hürden nicht im Blick hat. Das zeigte sich, als klar wurde, dass auch gesunde Unternehmen die Umlage ihrer Kunden erhalten würden und Habecks Antwort darauf war, die könnten doch aus moralischer Integrität freiwillig auf Milliarden-Beträge verzichten.

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Dass nun Wolff in Sachen Gaspreisbremse Recht hat, zeigt sich durch Rechnen: Rund 42 Millionen Haushalte gibt es laut Statistischem Bundesamt in Deutschland. Dazu kommen über 3 Millionen Unternehmen. Als der göttliche Scholz aus der Maschine heraus die Bühne betrat, versprach er allen Hilfen. Also nicht nur Gas- sondern auch Stromkunden. Keiner müsse sich Sorgen machen.

Die Verwaltung schon. 45 Millionen Vorgänge kommen auf ihren Tisch. Fast mit einem Schlag. Vereinfacht man das Vorgehen so, wie es Wolff vorgeschlagen hat, und alle haben den gleichen Anspruch, dann braucht die Bearbeitung eines Vorgangs trotzdem noch sechs Minuten. Konservativ gerechnet. Die Daten müssen erfasst und abgelegt werden, im Idealfall geprüft, um Betrug wie bei den Corona-Testzentren zu vermeiden und Überweisungen angewiesen werden. Ein guter Sachbearbeiter schafft das in sechs Minuten. Allerdings nur, wenn es wenige Auflagen zu beachten gilt.

Allerdings: Selbst in diesem Idealfall entstehen 4,5 Millionen Arbeitsstunden. Da ist noch nicht mitgerechnet: das Einrichten von Arbeitsplätzen, die Installation von Software, Schulung, das Schaffen von Strukturen, Mitarbeiterführung oder Revisionsfälle. Berücksichtigt man Urlaub, Feiertage und Krankmeldungen arbeitet ein Beamter im Schnitt 150 Stunden im Monat. Wollte man also die Anträge innerhalb eines Monats abarbeiten, wären für die reine Bearbeitung der Fälle 30.000 Mitarbeiter nötig. Lässt der Staat sich drei Monate Zeit, wären es entsprechend 10.000 Mitarbeiter. Allerdings hätten wir dann schon Februar oder sogar März, bis die Hilfen ausgezahlt werden.

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Das war die Rechnung für den Fall, dass sich der Bund auf eine pauschale Lösung einigt – ohne viele Sonderregelungen. Kommt aber Habecks Vorschlag, dann müssen alle ihren bisherigen Stromverbrauch dokumentieren. Für die Mitarbeiter der Verwaltung bedeutet das zusätzliche Arbeit: Sie müssen Stromrechnungen sichten. Wenn diese nicht eingereicht werden, müssen sie diese anfordern. Dafür müssen sie Wiedervorlagen anlegen und verwalten. Obendrein müssen auch die Stromrechnungen geprüft werden, um Betrug zu vermeiden. So verlängert sich die durchschnittliche Bearbeitung eines Falls auf 30 Minuten. Die wird der Mitarbeiter nicht für jeden Fall brauchen. Aber komplexe Fälle, etwa bei Unternehmen, ziehen den Schnitt nach oben.

In diesem Szenario, dem Habeck-Szenario, fallen 22,5 Millionen Arbeitsstunden an. Will der Staat dann die Anträge in einem Monat abarbeiten, braucht er 150.000 Mitarbeiter. Für eine Bearbeitung in drei Monaten entsprechend 50.000 Mitarbeiter. Wer darüber nachdenkt, Habecks Ideen umzusetzen, kommt in den Bereich der Phantasiezahlen. Denn so viele vakante Mitarbeiter gibt es in der Verwaltung nicht. Weder 50.000 noch 150.000 potenzielle Mitarbeiter.

Nun kann der Staat – ähnlich wie in der Pandemie – Hilfskräfte rekrutieren. Sie sollten den Gesundheitsämtern helfen, die Bewegungsdaten der Bevölkerung zu erfassen, um so im Fall einer Infektion diejenigen informieren zu können, die mit dem Infizierten Kontakt hatten. So die Theorie. In Wahrheit überforderte das den Staat schnell. Wenn jemand in seiner Stammkneipe seine Daten angab, dann hat er des Gesslers Hut gegrüßt. Der Staat hat vom Bürger eine Ehrerbietung abverlangt, die Daten nutzen, um die Pandemie einzudämmen, konnte er nicht.

Das Beispiel Laien in Gesundheitsämtern zeigt, dass selbst einfache Erfassungsvorgänge eben nicht so einfach sind. Rechnungsprüfung erfordert Zeit. Schludert der Staat mit ihr, fließt ein relevanter Anteil an Betrüger ab. Und selbst dann erfordert das reine Erfassen von Daten immer noch eine Menge Zeit, wenn über 40 Millionen Fälle zu bearbeiten sind. Vor allem im digitalen Entwicklungsland Deutschland.

Die Tragödie war vorbei, als Scholz aus der Maschine kroch und die Gaspreisbremse verkündete. Die Tragödie. Die Umsetzung wird nun ein Drama für sich. Eine Komödie. Aber zum Lachen wird vielen nicht zumute sein.

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