Irgendetwas scheint Giorgia Meloni richtig zu machen: Nicht nur, dass sie bei der Europawahl – im Gegensatz zu ihren Amtskollegen Emmanuel Macron und Olaf Scholz – massiv bestätigt wurde, es gelang ihr sogar beim heute beginnenden G7-Gipfel im schönen Apulien, eine Reihe von Hasen aus dem Hut zu zaubern, mit denen kaum jemand gerechnet hätte.
Noch im Vorjahr hatten die G7 in der Hiroshima-Erklärung den unbeschränkten Zugang zu Abtreibungen gefordert. Doch im Vorfeld des diesjährigen Treffens entschieden sich die Gastgeber, den entsprechenden Punkt von der Agenda zu streichen. Internationale Medien beriefen sich dabei auf Quellen aus dem G7-Umfeld, denen zufolge dieser Schritt auf ein Andringen Melonis selbst zurückgeht.
Vor allem Frankreich und Kanada betrachten die Formulierung zur Abtreibung als ein Kernanliegen, sodass die Entscheidung Melonis auch als Schuss vor den Bug des französischen Präsidenten gesehen werden kann, wer nun der starke Mann – oder genauer gesagt: die starke Frau – Europas ist.
Stargäste: Von Motorsägen-Milei zum BRICS-Scheich alles dabei
Doch damit nicht genug, denn der G7-Gipfel wird auch mit einer Reihe von Stargästen garniert, die den Fokus und auch die globale Bedeutung des Treffens noch einmal untermauern. Allen voran ist der Besuch des argentinischen Enfant terrible, Präsident Javier Milei, herauszustreichen, der ähnlich wie Meloni trotz Unkenrufen einiger Hardliner bereits realpolitische Erfolge für sein Land erarbeiten konnte. Dass Milei bei den G7 andocken möchte, ist dabei wenig überraschend, zumal der Doch-nicht-Eintritt Argentiniens in die BRICS mit zu seinen ersten Amtshandlungen gehörte.
Dass allerdings auch der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan, der Präsident der Vereinigten Arabischen Emirate, Scheich Mohammed bin Zayed, oder auch Brasiliens Präsident Lula da Silva den Weg nach Apulien fanden, ist dann doch in vielerlei Hinsicht bemerkenswert, denn Brasilien und die Emirate sind beides Mitglieder der Konkurrenz der G7, der BRICS, und die Türkei hat zumindest ein vorsichtiges Beitrittsinteresse zur BRICS-Gruppe geäußert.
Ob Meloni mit diesen Einladungen die G7 von etwaigen Maximalforderungen im Hinblick auf die Ukraine-Frage abbringen möchte, oder ob damit womöglich gar der Zusammenhalt der BRICS-Gruppe geschwächt werden soll, bleibt abzuwarten. Vielleicht ist auch eher ein diplomatischer Brückenschlag das Ziel? Oder gar all diese Dinge? Zuzutrauen wäre es einer Meloni, die bereits mehrfach bewiesen hat, mit opportunistischer Flexibilität mehr für ihr Land herauszuschlagen als mit rabiaten Hau-drauf-Prinzipien.
Der Papst als Kirsche auf der Torte der G7
Zu diesen Schachzügen gehört auch, dass sie sogar Papst Franziskus dafür gewinnen konnte, im Rahmen des G7-Gipfels einen Vortrag über die Gefahren der künstlichen Intelligenz zu halten. Denn obwohl der Papst ansonsten so häufig wie ein Sprachrohr links-progressiver Agenden wirkt, teilen Meloni und Franziskus ihre Skepsis gegenüber der künstlichen Intelligenz. Der Auftritt des Papstes – nebenbei eine Premiere auf einem multilateralen Gipfeltreffen – wirkt also wie eine vorsichtige Annäherung, eingefädelt von einer Staatschefin, die eher das Gemeinsame betont als das Trennende. Und damit tatsächlich zu einer Annäherung führt, was nicht zuletzt in einer mittlerweile deutlich abgeschwächten Position des Papstes in Migrationsfragen zum Ausdruck kam.
Der Zirkus der G7 kann beginnen, die Attraktionen stehen bereit. Die womöglich größte Überraschung wäre wohl, wenn die Zirkusdirektorin Meloni vor Ablauf der Veranstaltung nicht noch mit einer weiteren Überraschung aufwarten würde. Man darf gespannt sein.