G20 in Hamburg ist schon eine tolle Sache. Zum einen treffen sich da alle, die bedeutsam sind oder sich für bedeutsam halten oder vielleicht auch einfach nur vergessen haben, rechtzeitig abzutreten, um gemeinsam in der neuen Elbphilharmonie einem Konzert zu lauschen. Sowas ist selbstverständlich ein kultureller Hochgenuss, der insbesondere islamischen Gossenfightern wie jenem Empörkömmling aus Konstantinopel oder dem ständig standesgemäßer Korruption geziehener Präsidenten aus dem Volk der Zulu, die ungefähr 100 Jahre früher als die Europäer aus dem Norden kommend den Süden Afrikas unterwarfen, Hochkultur aus der Zeit präsentiert, als Europa noch weltweit den Ton angab.
Auch die wohlfeilen Speisen und Getränke werden das ihre dazu beitragen, Gaumen und Ego der Herrschaften zu schmeicheln. Selbstverständlich wird es für die Muslime unter den Gästen nicht einmal Alsterwasser (im Süden der Republik unter Radler bekannt) geben, sondern veredelte Quellbrunnen aus dem Norden – Bismarckquelle böte sich angesichts seiner Symbolkraft insbesondere unter dem Aspekt an, dass der alte Preuße zumindest in deutschen Landen als großer Einiger in die Geschichte eingegangen ist. Nach dem jüngst verstorbenen Helmut Kohl, der unerwartet passend zur EU-Krise den Einigungsbedarf in das Bewusstsein der häufig Uneinigen zurückrief, könnte sich nun Angela Merkel wenn auch nicht als Eiserner, so doch als Ewiger Kanzler präsentieren. Dass ihr neuerlich nach dem Totalausfall des Donald Trump auch noch das Prädikat der Führerin der freien Welt zugesprochen wird (obgleich man angesichts der deutschen Geschichte vielleicht eher von Chefin sprechen sollte), lässt den Gipfel in Deutschlands Tor zur Welt zu einem besonderen Highlight werden.
Auch die Unterkunftsfrage ist standesgemäß geregelt. Trump wird, nachdem ihm das Hotelangebot mangels Donald-Towers offenbar nicht zusagte, im Gästehaus des Senats logieren. Für den Nachkömmling eines pfälzischen Kriegsdienstverweigerers und Monarchieflüchtlings in der freien Stadtrepublik Hamburg ohne jeden Zweifel eine angemessene Schlafstatt. Für seinen großen Kontrahenten oder Kumpel – so ganz klar ist das angesichts der US-Ermittlungen noch nicht – Wladimir aus dem Reich der Reußen ist dagegen ein zentral gelegenes Luxushotel in Steinwurfentfernung zur Steuerverwaltung der Hansestadt vorgesehen. Vielleicht könnte er sich da in freien Minuten einige Tipps geben lassen, wie mit korrupten Oligarchen und Steuerhinterziehern umzugehen ist. Wobei – eigentlich benötigt man die in Russland nicht. Alexej Nawalny – jener Unentwegte, der davon träumt, seinen Präsidenten Putin auf legalem Wege per Wahl abzusetzen – kann ein Lied davon singen, wie konsequent die russische Staatsanwaltschaft gegen Staatsbetrüger vorgeht. Kaum wurde bekannt, dass er, der angesichts der Popularität und Medienbeherrschung des Präsidenten auf regelmäßig zu erneuernde Lebenszeit in Putins gelenkter Demokratie absolut chancenlos ist, es wagen wolle, den Herausforderer zu geben, stellten Moskauer Gerichte fest, dass er gemeinsam mit einem Kumpanen einen staatliche Forstbetrieb dazu gebracht habe, Bauholz unter Marktpreis zu verkaufen. Warum der Staatsbetrieb sich auf Nawalnys Empfehlungen eingelassen hatte – nunja. Jedenfalls soll der Anwalt für den daraus angeblich entstandenen Schaden zu Lasten des Staates einige Jahre im Gefängnis schmoren – und das passive Wahlrecht ist damit auch erledigt. Das wird jedoch die Gipfelstimmung kaum stören – Putins innere Angelegenheiten stehen nicht auf der Agenda.
Putin, Trump und Xi
Vielleicht aber nutzen Putin und Trump – gemeinhin trotz Xi aus dem fernen Peking und der Ewigen Merkel immer noch die gefühlt mächtigsten Männer der Erde – die Möglichkeit, ihre Missverständnisse zur US-Wahlbeeinflussung zu klären. So könnte Putin beispielsweise seinem Washingtoner Kollegen eine persönlich unterzeichnete, eidesstaatliche Versicherung mitgeben, dass die russischen Geheimdienste mit möglichen Angriffen auf demokratische Server nicht das Geringste zu tun haben und auch sonst nur aus der Ferne unbeteiligt das amerikanische Wahlkampfspektakel verfolgten. Trump könnte die Erklärung dann umgehend einscannen und noch von Hamburg aus per Twitter als seinen Persilschein präsentieren.
Eine Chance, Missverständnisse zu überwinden, böte sich auch im Verhältnis Trump – Xi. Irgendwie scheint der Chinese keinen Spaß daran zu haben, dass der Immobilienmogul sein verschärftes Auge auf den kleinen Landzipfel des mit Atomwaffen spielenden Nordkoreaners geworfen hat. Hier galt bislang strikte Interessentrennung. Dumm nur, dass der kleine, dicke Kim immer wieder Raketen Richtung Osten auf den Weg schickt und verkündet, die USA mit einem finalen Atomschlag beseitigen zu wollen. Hoffen wir also, dass Trump und Xi einen modus vivendi finden, wie sie dem Spieltrieb des Nordkoreaners mit harmloseren Waffen gerecht werden können, ohne sich selbst gegenseitig in die Haare zu geraten.
Ansonsten wird Xi mit dem klassischen Grinsen eines Buddha seine europäischen Partner hätscheln und für den Freihandel eintreten. Das wiederum wird nicht nur Trump, sondern auch den Europäern den Hinweis nicht ersparen, dass staatlich subventionierte Dumpingpreise und Produktpiraterie künftig bitte intelligenter verpackt werden mögen, sollen sie nicht weiterhin negativ auf die gute Stimmung schlagen.
Aber dafür sind solche Treffen ja gedacht. Etwas Kultur, gute Speisen – gern auch halal, wenn es sich nicht umgehen lässt – und Getränke wie der traditionelle Rotspon aus dem Senatskeller sollen es bei aller knallharten Interessenpolitik ein wenig menscheln lassen. Hoffen wir also, dass die hanseatischen Kellermeister ein glückliches Händchen haben – immerhin war es ihnen schon im Mittelalter gelungen, mit Bier und Pfeffer nicht nur viel Geld zu verdienen, sondern auch Völker zu verbinden.
Da sind aber nicht nur die ganz Großen, derenthalben G20 in Hamburg eine tolle Sache ist. Schließlich hat auch die normale Bevölkerung etwas davon. Viele haben beispielsweise spontan Urlaub genommen – andere sollen kurzfristig erkrankt sein. Und das alles nur, weil schon seit Wochen darauf hingewiesen wird, dass die Hamburger Innenstadt zur unbewohnbaren Zone werden wird. Da angesichts des zu erwartenden Ausbleibens zahlungswilliger Kunden die G-Woche auch negativ auf die Bilanzen der kleinen und größeren Einzelhandelsgeschäfte zu Buche schlagen wird, haben Unternehmen mit großen Schaufensterflächen an den beliebtesten Straßenzügen schon vor Wochen damit begonnen, dicke Bretter vor die Auslagen zu nageln. Könnte ja immerhin sein, dass manch einer der wenigen dennoch erscheinenden Gäste das Bedürfnis verspürt, geldfrei einzukaufen und die Glasscheibe als hinderlich betrachtet – wobei die Geschäftsleitungen hier jedoch wohl eher die ungeladenen als die geladenen Gäste im Visier haben.
Unbewohnbare Zone Innenstadt
Da nun ohnehin in der City nichts mehr los ist und alle – von ADAC über HamburgTourist bis Polizei – vom Besuch der Innenstadt abraten, hat auch der HVV, Cheforganisator des Öffentlichen Personennahverkehrs, bereits Konsequenzen gezogen. U- und S-Bahn sollen nicht mehr quer durch die Stadttunnel fahren, sondern außerhalb des Sicherheitsbereichs ihre Gäste entlassen. Von dort wird ein wenig mit Bussen geschuttelt – geht es nicht mehr weiter, wird umgedreht und die Fahrgäste können den Rest zu Fuß gehen. Dass dieses auch damit zu tun haben könnte, dass polizei-intern Anschläge auf die Bahnstrecken befürchtet werden, wird vehement zurückgewiesen.
Ohnehin erlebt Hamburg derzeit eine Leistungsschau, die wirklich toll ist. Greenpeace versucht auf den unberechenbaren Wogen der Elbe Parolen auf fahrende Kohleschiffe zu sprayen – die Wasserschutzpolizei hält dagegen. Szenen, wie man sie sonst nur von jenen Aktionen gegen illegalen Walfang kennt – und das alles live direkt vom Elbufer zu bewundern.
Protest-und-Polizei-Action live, Kosten 400 Millionen plus X
Auch andere kreative Möglichkeiten des Protests werden erwartet. Beispielsweise die Zerstörung von Stellwerken wurde sogar schon getestet, um so den Bahnverkehr zum Erliegen zu bringen. Was allerdings wenig zielführend ist, da ohnehin niemand der erlauchten Gäste aus aller Welt auf die Idee kommen wird, mit den Öffentlichen zu fahren. Wozu wird schließlich die halbe Innenstadt für den gemeinen Autofahrer gesperrt?
Wie auch immer: Die Hamburger finden es toll. Bislang kannten sie Ausnahmezustand nur aus US-amerikanischen Actionfilmen. Nun also auch unmittelbar vor der Haustür, die man vielleicht besser nicht verlassen sollte. Und anschließend dann vielleicht noch Trümmerschau überall dort, wo Protestler und Ordnungskräfte gemeinsam unterschiedliche Auffassungen vom Demonstrationsrecht diskutierten. Nebst Lagerresten überall dort, wo die G20-Unwilligen dann doch ihre Zelte aufschlagen konnten oder durften. Welch letzteres allerdings voraussetzt, dass sich noch schnell Standorte finden, bei denen die Polizei keine Sicherheitsbedenken hat.
Ganz toll übrigens findet das alles Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz. Der vermutlich einzige Sozialdemokrat, der Angela Merkel heiß und innig liebt, brauchte nach der Bürgerabsage an Olympia an der Elbe dringend ein international bedeutsames Trostpflaster. Deshalb bot er sich für die G20 an – und wer noch einmal sagen sollte, Geld spiele bei den Pfeffersäcken von der Waterkant keine Rolle – ja, dem kann man dann nur recht geben. Wie hoch die Kosten tatsächlich sein werden, steht in den Sternen. Allein 200 Millionen soll der Bund beisteuern – aber der Polizeieinsatz mit allem Drum und Dran bleibt bei den Hanseaten hängen. Schätzungen gehen davon aus, dass je nach Intensität der friedlichen Proteste weitere 200 Millionen zusammenkommen können. Eigentlich ein Schnäppchen, wenn man an die weltweite Aufmerksamkeit denkt, die Olaf und seiner SPD-verführten Hansestadt derzeit zuteil wird. Und eingedenk des alten Werbespruchs, wonach es keine negative Werbung gibt, ist es dann auch ganz egal, ob Hamburg mit Elbphili, Elbe und Alster zum Wohlfühl-Traumort wird, oder zum Highpoint des Krawalltourismus mutiert. Hauptsache, die Welt schaut endlich mal wieder nach Hamburg.
Einfach toll.