Der Ruhrpott kocht gerade. Dass ausgerechnet zwei frühere Fußball-Legenden des BVB, Borussia Dortmund, und ein hoher Funktionär des FC Schalke 04 im Fadenkreuz aller Anti-Diskriminierungsstellen und Integrations-Experten sowie Antisemitismus-Fachleute stehen, hätte man sich vor ein paar Wochen noch nicht vorstellen können.
Die Fußballsommerpause tut einigen nicht gut, kann man meinen, wenn man hört, was sie so von sich geben, im Glauben, keiner der Anwesenden, wenn auch im kleinen erlauchten Kreise, würde in Zeiten von Facebook und anderen Netzmedien etwas nach draußen transportieren.
So geschehen beim Aufsichtsratsvorsitzenden des FC Schalke und Fleischfabrikanten Clemens Tönnies, 63 – eigentlich in einem Alter und in öffentlichen Positionen, von dem man denken würde, Tönnies habe sich im Griff. Doch entweder redete er wie ihm der Schnabel gewachsen ist, ohne böse Absicht zwar, aber dennoch tat er seiner Meinung am Handwerkstag in Paderborn vor zahlreichen Gästen wie folgt kund.
Tönnies meinte zuerst allgemein, statt im Kampf gegen den Klimawandel die Steuern zu erhöhen, solle man lieber jährlich 20 Kraftwerke in Afrika finanzieren. Danach aber fügte er dann hinzu, „dann würden die Afrikaner aufhören, Bäume zu fällen, und sie hören auf, wenn’s dunkel ist, Kinder zu produzieren.“
Immerhin hatte er sich noch etwas vornehmer ausgedrückt als einst vor ein paar Jahrzehnten die Fürstin Gloria von Thurn und Taxis. Den Sturm der Entrüstung überstand sie damals – noch. Nur wenige Berichterstattungen über sie kommen seitdem ohne einen Hinweis auf diese Äußerung aus.
So gesehen hätte der Schalke-Verantwortliche Tönnies selbst zurück treten sollen, denn nun befindet das multikulturelle moralische Gewissen und Scherbengericht über ihn – Ruhe und Konzentration auf den Bundesligastart demnächst sehen für die Mannschaft anders aus. Politische Kundgebungen gegen Schalke zum Saisonbeginn wären fatal. Sie wird es vermutlich trotzdem geben, obwohl Tönnies nun sein Amt ruhen lässt. Oder gerade deswegen. DFB-Integrationsbeauftragter Cacau sowie Schalke-Legende Gerald Asamoah zeigten sich verblüfft bis schockiert. Tönnies wird sich damit schwer halten können – wie auch – komplett konträr zur DFB-Philosophie und zur UEFA mit No to Racism.
Nur ein paar Kilometer Luftlinie weiter beim BVB, kam nun mit Verspätung heraus, wie sich Stadionsprecher und Club-Ikone Norbert Dickel mit dem etwas jüngeren Ex-Profi und Meister Patrick Owomoyela im Fan-TV (meist nur von echten Fans abonniert) um Kopf und Kragen redeten. Beide waren Ende Juli auf Sendung, als die Borussen während des Trainingslagers im österreichischen Altach gegen den Serie-A-Vertreter Italiens Udinese Calcio spielten.
Rassismus auch hier? Oder einfach nur das übertriebene Lustigseinwollen auf Kosten fremder Namen, indem diese verunstaltet wurden? Live in einem Fan-Spartenkanal? Hier eine Kostprobe, übernommen aus den Medien, denn das Original wurde vom BVB schnell gelöscht.
Bereits nach wenigen Minuten machen sich Dickel und Owomoyela über die gegnerischen Spieler lustig. Krampfhaft infantil, statt die Namen professionell auszusprechen. Aus Kevin Lasagna (26) wird schnell eine „Lasagne“, aus dem Spieler Ignacio Pussetto (23) machen beide Ex-Profis einen „Prosecco“. So gar nicht prickelnd, wie viele Fans sich früh daran störten.
Aber Norbert und Patrick konnten sich gar nimmer bremsen – und es war wohl auch offenbar keiner da, der sie beide beim Testspiel ins Abseits oder den Ton kurzzeitig (ab)stellen konnte. Das Unheil nahm seinen Lauf. Beide verdribbelten sich komplett.
Wie man die Einwohner Udines nennt? Beide albern und rätseln herum. Aus den Einwohnern Udines, claro, Italiener, machten sie kurz mal Itaker. Im zweiten Weltkrieg von den deutschen Wehrmachtssoldaten als Bezeichnung und Abkürzung für „italienischer Kamerad“ verwendet, gilt die Bezeichnung Itaker seit den 60ern als beleidigend – wobei, ganz ehrlich? Diese Begrifflichkeiten werden wirklich nur noch von tumb Dummen verwendet und dabei auch von Leuten, die sicher nicht nur als Rechte bezeichnet werden können, sondern auch linke oder eben nur Ignoranten. Der Begriff ist abgenutzt, fast verschwunden. Selbst Italiener überhörten ihn großmütig.
Der BVB-Stadionsprecher Norbert Dickel versucht den Fauxpas wieder einzufangen und erklärt, Itaker bedeute auch keine Beleidugung, im Gegenteil, er mag „alle Italiener“, säuselt Nobbe über den Äther.
Owomoyela ahnte wohl auch etwas und kommt mit einer Entschuldigung aus der Tiefe des Raums: „Wir wollen natürlich niemanden verärgern, falls hier Fans von Udinese Calcio zuhören. Wir machen ja nur Spaß.“ Und Owomoyela weiter: „Wir machen uns nicht über Italiener an sich lustig, sondern für uns sind manche Namen nur schwer und hören sich lustig an.“ Damit wäre wohl alles wieder im Lot gewesen. Aber, nein, als wollte Owomoyela mit den deutschsprachigen Comedians á la Böhmermann mithalten, packte er nun zum Abschluss ganz tief in seine Talentkiste. Dass Owomoyela einst überhaupt Profi- und Nationalspieler wurde, verdankte er mehr seinem Willen als Können am Ball, aber er galt auch für den DFB als coole Socke, viele Spiele machte er nicht.
Owomoyela wurde dann am Mikrophon mutig, ja, er wollte wohl witzig sein, wie man eben auf Partys nach ein paar Aperol-Spritz oder ein paar Flaschen Bier unter Ehemaligen glaubt, witzig zu sein. Hitlers Imitation mit der tiefkrächzenden Stimme, das rollende „R“ dazu, gilt wohl manchen als billiger Gassenhauer oder Schenkelklopfer.
Noch 15 Minuten zu spielen zwischen der Borussia von Trainer Favre und den Italienern aus Udine, und Owomoyela macht kurz mal den Adolf. Beide Kommentatoren bezeichnen das Spiel im nun strömenden Regen, als „Wasserschlacht von Altach“. Und dann Owomoyela als Hitler-Parodie live, „Wo schon große Schlachten geschlagen wurden …“.
Altach gehört zur Region Vorarlberg, und keine Ahnung worauf der Ex-Profi abzielte. Jedenfalls wurden sofort Hinweise auch ans WDR durchgesteckt – und im BVB-Forum wurde heiß diskutiert. Dummheit? Auch ein No-Go, oder beides? Von den Verantwortlichen wurde beiden der Kopf gewaschen.
Aber was lernt man daraus? In der permanenten, übertriebenen und künstlich aufgeblasenen Rassismus-Debatte geht der Respekt vor Kulturen und Begrifflichkeiten irgendwie komplett flöten, ja, wenn es selbst ein deutscher Ex-Profi mit erkennbarem Migrationshintergrund lässig findet, Adolf nachzuahmen. Sicher nicht, weil er Hitler toll findet (was wohl wieder viele Linke und Gesellschaftsläuterer sowie Migranten glauben), sondern einfach aus einem kognitiven Kurzschluss heraus, lustig sein zu wollen in der Fan-Community.
Ich finde, frei nach Bruno Labbadia, ein wunderbarer Coach mit italienischen Wurzeln, man sollte im Fall Dickel-Owomoyela nicht alles „hoch-sterilisieren“. Aber merke, der Fußball kommt gleich nach der Politik. Da muss alles ernst sein, und überhaupt, es darf gar keine rassistische Angriffsfläche erkennbar sein. Es wird immer böse Absicht hinter jeder Äußerung vermutet.
Späße über andere Länder oder Stereotypen zu bedienen, ist Leuten wie Böhmermann als Comedian vorbehalten – er darf den Adolf machen. Und oftmals ist es nur der Sound des Diktators, ohne dass dieser wirklich der Lächerlichkeit oder seiner Schandtaten preisgegeben wird. Wozu auch, jeder kennt sie. Überhaupt, Kunst und Satire darf alles. Im Fußballbusiness jedoch muss man den Ball flach halten. Fragt eigentlich keiner, was im Ausland oder auch hier von unseren Gästen über Deutschland und uns Deutsche gesagt wird? Oftmals sicher auch rassistisch, nur: wer hört hin, wer versteht’s?
Fußball ist eben Massenunterhaltung für die breite Gesellschaft. Intelligente und weniger Intelligente sind oft ganz dicht nebeneinander in der Arena, und manchmal auch in den Teams selbst (die Grenzen sind fließend). In allen Nationalitäten durchmischt, echte Integration?
Aber es gibt eben Dinge, spaßig gemeint oder nicht, die gehören sich strikt nicht. Zum Beispiel dumme Stereotype und Witze über Nationalitäten. Gesunde und kognitiv veranlagte wie empathische Menschen, haben dieses Fingerspitzengefühl dafür, was andere (wenn auch nur in deren Stolz) verletzen könnte, und hauen eben nicht jeden Kalauer raus. Dickel und Owomoyela mangelte es am besagten Abend genau daran.
Unser Fazit: Rote Karte für Tönnies, runter vom Platz, weil er definitiv um die Wirkung seiner Sätze hätte wissen müssen. Noch dazu als Aufsichtsratsvorsitzender und Geschäftsmann zweier Unternehmen (der S04 ist schließlich auch eines).
Eine dunkelgelbe Verwarnung für Owomoyela und Dickel. Warum dieser Unterschied fragen Sie jetzt? Sorry, im Fußball kann man nicht immer alles logisch erklären. Es fühlte sich aber richtig an, sagte einst der Schiedsrichter.