Tichys Einblick
Öffentlich verdrängter Terror

Fünf Jahre Attentat auf dem Breitscheidplatz: keine Gedenkfeier, kaum Erwähnung

Für den schwersten islamistischen Anschlag in der deutschen Geschichte gibt es auch 2021 kaum Platz in der offiziellen Erinnerung.

IMAGO / Pacific Press Agency

Am 19. Dezember 2016 steuerte der aus Tunesien stammende Islamist Anis Amri einen gekaperten LKW in den Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz in Berlin. Er tötete 12 Menschen und den polnischen Fahrer des Trucks; 67 Menschen trugen teils schwere Verletzungen davon. Während der dem NSU zugeschriebenen rechtsextremistischen Mordtaten immer wieder prominent gedacht wurde – durch die damalige Kanzlerin Angela Merkel beispielsweise in einem Festakt 2012, und noch einmal 2019, tat schon Merkels Bundesregierung alles, um die Erinnerung an die islamistische Gewalttat von 2016 so klein wie möglich zu halten. Es dauerte ein Jahr, bis sich die Kanzlerin überhaupt – nach erheblichem öffentlichen Druck – bereit fand, Überlebende und Angehörige der Opfer zu treffen. Im Wahlkampfjahr 2017 ließen Mitarbeiter des Kanzleramtes Astrid Passin, die Sprecherin der Breitscheidplatz-Opfer, wieder aus der ZDF-Sendung „Zur Sache, Kanzlerin“ ausladen – sie hätte unangenehme Fragen stellen können.

Auch unter dem neuen Kanzler Olaf Scholz ändert sich die Praxis nicht, das Breitscheidplatz-Gedenken so klein wie möglich zu halten. Einen staatlichen Gedenkakt gab es zum fünften Jahrestag nicht. Scholz ließ seinen Regierungssprecher einige knappe Sätze verbreiten, in denen allerdings der Begriff „islamistisch“ und überhaupt jeder Hinweis auf das Motiv der Morde fehlte. Stattdessen nannte Scholz‘ Sprecher das islamistische Massaker mit 13 Toten einen „schrecklichen Vorfall“, als hätte es sich um einen Unfall gehandelt.

Auch der Berliner „Tagesspiegel“ vermied strikt jeden Hinweis auf den Islam und die Ideologie Amris. In dem Artikel verwendete die Redakteurin nur die Formel „tunesischer Attentäter“.

Wenige Tage vor dem Gedenktag behauptete Berlins Innensenator Andreas Geisel: „Es ist so viel wie möglich aufgeklärt worden.“ Er selbst und die Angehörigen der Opfer wissen, dass das nicht stimmt. Bisher gibt es nicht einmal konkrete Strafverfolgungsmaßnahmen gegen die IS-Hintermänner von Amri – geschweige denn eine ausreichende Erklärung dafür, wie der von mehreren Geheimdiensten beobachtete Amri gewissermaßen unter den Augen des Staates morden konnte.
Bemerkenswerterweise setzte die designierte Berliner Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) noch nicht einmal einen Tweet zum Jahrestag des Attentats ab. Auch die Grünen-Politikerin Katrin Göring-Eckardt äußerte sich nicht, die damals, 2016, verkündet hatte, es dürfe nach dem Anschlag nur „Trauer und Mitgefühl“ geben, aber „nichts sonst jetzt“ – also keine Fragen nach der politischen Verantwortung.

Immerhin blieb der Öffentlichkeit dieses Mal ein Kommentar der Autorin und Journalistin Sophie Passmann erspart. Sie hatte 2019 zum dritten Jahrestag des Massakers herzerwärmende Worte gefunden:

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