Wie steht es um das Freiheitsempfinden der Deutschen? Am Mittwoch stellten Thomas Petersen vom Institut für Demoskopie Allensbach und Roland Schatz von dem Schweizer Unternehmen Media Tenor ihre Daten dazu in Berlin vor. Der sogenannte Freiheitsindex setzt sich aus mehreren einzelnen Erhebungen zusammen – vom allgemeinen Freiheitsempfinden der Bürger über das Gefühl, seine Meinung frei äußern zu können, bis zur Pro- und Contrastimmung beim Thema Verbote. Das Ergebnis: von 2017 bis 2021 brach der Freiheitsindex von plus 2,7 auf minus 2 ein. Der Anteil der Deutschen, die von sich sagen, sie fühlten sich „sehr frei“, stürzte von 51 Prozent 2017 auf gerade 36 Prozent ab. Der Anteil derjenigen, die sagen, sie könnten ihre Meinung frei äußern, ging von 2017 bis 2021 von 63 auf 45 Prozent zurück. Das, so Thomas Petersen, sei der tiefste vom Allensbach-Institut jemals gemessene Wert. Allensbach erhebt die entsprechenden Daten seit 1975.
„Niemand kann Gefühl haben: ‚mit der Freiheit steht es gut‘, kommentierte Roland Schatz von Media Tenor die Ergebnisse.
Eingebrochen sei der Index ganz offensichtlich nicht deshalb, so Petersen, weil den Befragten Freiheit weniger wichtig wäre, „sondern weil das Gefühl ‚ich kann frei reden‘ zurückgegangen ist. Das gesellschaftliche Klima hat sich verändert.“ Das Gefühl, weniger frei reden und handeln zu können als noch vor vier Jahren ziehe sich relativ unterschiedslos durch alle Altersgruppen.
Einen Grund für die Verschlechterung seit 2020 sieht der Forscher in Corona und der staatlich-medialen Reaktion darauf. Covid-19 habe es mit sich gebracht, „dass in Freiheitsrechte eingegriffen wurde wie nie zuvor.“
Aber auch schon vor Corona, meint der Allensbach-Wissenschaftler, sei die „öffentliche Diskussion von zunehmender Intoleranz geprägt“. Als Beispiel nannte er das von einer deutlichen Mehrheit abgelehnte, aber in staatlichen Institutionen und öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten trotzdem durchgesetzte Gendern: „Da reden intellektuelle Eliten zunehmend am Rest der Bevölkerung vorbei“.
Roland Schatz, dessen Unternehmen Medieninhalte über lange Zeitverläufe hinweg analysiert, stellte dort eine thematische Verengung und gleichzeitig die Neigung von vielen Journalisten fest, staatliche Sprachregelungen unreflektiert zu übernehmen. Als Beispiel für die Einengung der Berichterstattung nannte er seinen Befund, dass sich bei Berichterstattungen über Antriebsarten von Pkw – ein vermeintlich unpolitisches Thema – in den vergangenen drei Jahren 90 Prozent aller von Media Tenor analysierten Beiträge in den deutschen Leitmedien mit dem Elektromotor befassten – und nur zehn Prozent mit allen anderen Antriebstechniken. Der Anteil der Elektroautos am Fahrzeugbestand betrage aber nach wie vor nur ein Bruchteil.
In der Corona-Phase, so Schatz, sei beispielsweise auch die Formulierung von „Hilfsprogrammen“ für zwangsweise geschlossene Unternehmen von fast allen Medien übernommen worden: „Tatsächlich ging es aber gar nicht um Hilfe, sondern um finanzielle Kompensation dafür, dass jemand sein Geschäft nicht betreiben durfte.“
Die Art und Weise der Berichterstattung in vielen Medien habe bei Bürgern offenbar dazu geführt, dass sie ihre Lebensrealität dort nicht mehr widergespiegelt fänden. Verstärke sich das Gefühl, so Schatz, „dann ziehen sich viele zurück.“
Der Schweizer Medienanalyst empfiehlt Medien vor allem, wieder mehr Perspektiven einzubeziehen, wenn sie das Freiheitsgefühl der Deutschen wieder verbessern wollen. Schatz weist in diesem Zusammenhang auch darauf hin, dass in der Amtszeit Angela Merkels von 2005 bis 2021 per Saldo über 750.000 Menschen aus Deutschland ausgewandert seien. Auch hier ging die Zahl ab 2017 besonders deutlich nach oben – dem Jahr, ab dem sich auch das Freiheitsgefühl vieler Bürger deutlich verschlechtert hatte.