Tichys Einblick
„Frauen*Kampftag“ in Berlin

Die Feministinnen-Bewegung spaltet sich

Die Feministinnen-Szene scheint sich zu spalten: Eine Demonstration am Weltfrauentag ist für die Linke und Gewerkschaften. Bei einer anderen geht es um die Freiheit von Palästina, statt um Frauenrechte. Eine Dritte wirkt ursprünglich, ist aber klein. TE war dort.

© Charlotte Kirchhof

Ein schriller Gesang leitet den Weg von der U-Bahn-Station bis zur „feministisch-solidarisch-gewerkschaftlichen“ Demonstration in Berlin-Kreuzberg am gestrigen Weltfrauentag. Unterwegs spuckt ein betrunkener Mann mit südländischem Aussehen der TE-Reporterin vor die Füße, runzelt die Stirn und flucht auf einer fremden Sprache. Die Situation ist unangenehm, der Körper der TE-Reporterin verkrampft. Daher: Lieber schnell zu den Feministinnen. Den richtigen Weg zu finden, ist einfach: Die Liedtexterin Suli Pushban singt sich gerade warm und ist kaum zu überhören: „Ein Hase in einem Cabrio“, ertönt es vom Oranienburger Platz, der ersten Station für TE.

Die Demonstration von Linken und Gewerkschaften

Auf dem Oranienburger Platz startet eine Demonstration zum „Frauen*Kampftag“. Eigentlich soll es um 11:30 Uhr losgehen, aber zu dieser Zeit ist der Platz noch ziemlich leer. Letztes Jahr sollen mehrere Tausend bei dieser Demonstration mitgelaufen sein. Diese Zahl ist noch nicht erreicht. Fast nur Senioren sowie Familien mit kleinen Kindern sind pünktlich da und singen gemeinsam mit Pushban: „Ich habe die Schnauze voll von rosa, von lieb, von brav, von still – ich mach‘ jetzt, was ich will!“

Links ist die Demonstration in jedem Fall: Die Feministen halten rote Fahnen und Plakate hoch und verteilen lächelnd Flugblätter sowie Zeitungen. Oder verkaufen diese: Ein Mann verlangt für eine Zeitung der Taz 3,90 Euro. Ganz nach dem Motto: Der Kapitalismus ist doof – es sei denn, man verdient daran. Neben der Taz geben einem die Feministen beispielsweise Flugblätter zu Diskussionsveranstaltungen für „das Recht auf kostenlose, sichere Abtreibung auf Verlangen“ und zu der Frage, warum wir „sozialistischen Feminismus“ statt „Girlboss-Power“ brauchen: Denn laut der „Jugend für Sozialismus“ muss „der Kampf gegen die Geschlechtsunterdrückung immer mit dem Kampf gegen das kapitalistische und für ein sozialistisches System verbunden sein“. Außerdem macht „one-solution-revolution“ Werbung für einen Kickbox-Kurs mit dem Titel „Sexisten aus der Schule kicken“. Auch Mitglieder der „Ökologischen Linken“ verteilen fleißig ihre gelb-roten Flyer, in der sie auf eine „Klimakatastrophe“ und das Versagen der Ampel in Umwelt- und Klimafragen hinweisen. Nicht mal mehr die Links-Grünen scheinen noch mit der Ampel-Politik zufrieden zu sein:

Während die Linke und andere linksorientierte Kleinparteien ihre Fahnen hissen, lassen sich keine Logos der Ampel-Parteien finden. Und das, obwohl es Annalena Baerbock (Grüne) so wichtig ist, eine „feministische Außenpolitik“ zu führen. Viele Feministen auf der Demonstration halten nicht von dieser Außenpolitik: Sie sei eine „Verwirrung des bürgerlichen Feminismus“ informieren sie auf einem weiteren Flugblatt. Vor allem kritisieren sie, dass die Bundesregierung Gelder gegen Gewalt an Frauen kürze, während sie zunehmend mehr Geld für Kriege ausgebe. Die Feministinnen sprechen düstere Themen an, aber Pushban hält die Menge mit ihrer Show auf der rot-lila-verkleideten Bühne bei Laune: Sie bringt ihren Zuschauern beispielsweise den „Supergirl“-Tanz bei.

Langsam füllt sich der Platz. Ein paar Meter neben der Bühne stellen sich zwei Frauen hinter Gitterstäbe und zwei Dutzend Männer und Frauen stehen um sie herum und halten Plakate hoch: Sie fordern Solidarität mit Frauen, die in der Türkei zu Unrecht im Gefängnis sind. Was sie konkret von Deutschland fordern? Zwei Abiturientinnen gucken sich verzweifelt an und besprechen sich kurz auf türkisch. Eine von ihnen sagt dann mit brüchigem Deutsch: „Deutschland soll mehr Druck auf die Türkei ausüben, damit Frauen dort aus dem Gefängnis freikommen.“ Vor allem aber möchten sie mit ihren lilafarbenen Schildern, Flugblättern und Warnwesten darauf hinweisen, dass die Türkei in vielen Dingen das Menschenrecht verletzte.

Diese Gruppe ist eine der wenigen, die auf dem Oranienburger Platz die Farbe Lila nutzt. Dabei ist das eigentlich die typische Farbe der Frauenbewegung und für den Weltfrauentag, der in diesem Jahr zum 113. Mal stattfindet. Aber auf der gewerkschaftlichen Veranstaltung kommt die Farbe des Frauenrechts und der Gleichberechtigung kaum vor. Stattdessen fallen die zahlreichen roten Fahnen der Linken und einiger Gewerkschaften auf: zum Beispiel von Verdi.

Gegen 12:30 Uhr startet die Menschenmenge ihren Marsch Richtung Brandenburger Tor. Es seien 10.000 dabei, verkünden die Veranstalter: Das sind die „Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft“ und der „Deutsche Gewerkschaftsbund Bezirk Berlin-Brandenburg“ (DGB). Für eine Rednerin ist diese Menge ein „echt super Zeichen“. Immerhin machten sich Frauen an ihrem Tag für ihre Rechte stark. Beispielsweise wollen sie, dass „Femizide“ aufhören: In den vergangenen drei Monaten seien bereits 20 Frauen in Deutschland getötet worden, merkt eine andere Sprecherin an. Weiter kritisiert sie, dass Frauen lange Zeit auf einen Platz in einem Frauenhaus warten und dann rund 25 Euro die Nacht dafür zahlen müssten. „Herren“ würden an ihrem „Herrentag“ hingehen und nur eines tun: saufen. Am Frauentag machen sie sich offenbar nützlicher, denn sie halten Schilder und Banner hoch. Beispielsweise eines mit der Aufschrift: „Ewwww Männer!“

An Polizisten mangelt es derweil nicht: Rund zwanzig Busse, zehn Kleinwagen und ein Dutzend Motorräder von der Polizei begleiten die Demonstration. Wie viele Polizisten im Einsatz sind, weiß ein junger Polizist nicht genau: Er sei aus Mecklenburg-Vorpommern angerückt, um bei dieser Demonstration zu unterstützen. Das ist überraschend: Nicht aus Brandenburg, nicht aus Sachsen, sondern aus genau dem Bundesland, in dem der internationale Frauentag wie in Berlin als gesetzlicher Feiertag gilt, kommen die externen Einsatzkräfte.

Demonstration für Frauen oder für Palästina?

Der Polizist aus Mecklenburg-Vorpommern sagt gegenüber TE, die Berliner Beamten seien vor allem in Berlin-Mitte im Einsatz. In der links-grünen Hochburg Berlins gibt es nicht nur eine, sondern zahlreiche Demonstrationen an diesem 8. März. Und bei der Demonstration der „Alliance of international feminists“, die in Berlin-Mitte stattfindet, besteht offenbar eine größere Gefahr: Da könne es eine Nähe zum Antisemitismus geben, meint der Polizist. Und so ist es auch: Die Veranstalter spielen direkt zu Anfang ein antisemitisches Lied, obwohl dieses im Vorfeld verboten wurde. Dagegen ermittelt die Berliner Polizei nun, wie sie auf Twitter schreibt. Die Demonstranten schwingen munter palästinensische Flaggen und halten Plakate mit der Aufschrift „Free Palestine“ in die Luft. Sie fordern das Ende des Patriarchats und des Imperialismus. Sie meinen, dass eine „feministische und queere Befreiung“ nicht möglich sei ohne ein freies Palästina. Zu dieser Veranstaltung kamen laut Berliner Polizei „mehrere tausend Teilnehmer“. Die Farbe Lila ist hier auch kaum zu sehen. Stattdessen die Farben der palästinensischen Flagge: rot, grün, weiß und schwarz.

Zumindest eine ursprüngliche Demonstration für Frauen

Zurück in Kreuzberg – diesmal auf dem Mariannenplatz – versammeln sich weitere Feministinnen für den sogenannten „Purple Ride“, den es seit 2019 jährlich gibt. Bei dieser Fahrraddemonstration sind keine Männer erlaubt, sondern nur „Flinta*“-Personen. Dazu zählen Frauen, Lesben, inter-, non-, trans- und agender Personen. Im vergangenen Jahr haben laut einer Veranstalterin 2.500 Frauen teilgenommen – also weit weniger als bei den anderen beiden Demonstrationen. Die vorherrschende Farbe ist hier: Lila. Viele der anwesenden Frauen tragen lilafarbene Schuhe, Pullover oder haben sich sogar ihre Haare lila gefärbt. Außerdem haben die Veranstalterinnen vom „Purple Ride“ den Platz lila dekoriert. Wie bei der Demonstration der Gewerkschaften werden auch hier Zeitungen verteilt: Die Zeitung der Taz kostet allerdings nicht 3,90 Euro wie am Oranienburger Platz, sondern gar nichts – sie gibt es gratis, als Geschenk. Während sich die Feministinnen lachend und mit freundlichen Gesichtern auf ihre Fahrradtour vorbereiten, singt ein Chor aus Frauen mittleren Alters.

Insgesamt waren an diesem Frauentag viele Tausend auf der Straße – allerdings verteilt auf unterschiedlichen Veranstaltungen mit verschiedensten Motiven.

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