Tichys Einblick
Wird Peter Feldmann abgewählt?

Wenn ein Bürgermeister vor Gericht steht

In Frankfurt hat der Prozess wegen Vorteilsnahme im Amt gegen den regierenden Oberbürgermeister Peter Feldmann begonnen; parallel wird seine Abwahl betrieben. Feldmann will im Amt bleiben; obwohl alle Parteien dazu aufrufen, ihn abzuwählen. Dabei ist Frankfurt nur ein Beispiel für die Verflechtung von AWO und SPD.

Stimmzettel zur Abwahl von Oberbürgermeister Peter Feldmann in Frankfurt am 6. November 2022

IMAGO / Hannelore Förster

„Lieber Peter, stets konntest du auf unsere Unterstützung und Loyalität bauen. So bauen wir auf dich!“ Diesen Satz schrieb die frühere Arbeiterwohlfahrts-Chefin Hannelore Richter an den noch immer regierenden Frankfurter Oberbürgermeister Peter Feldmann. Er stammt aus der Anklageschrift, die am vergangenen Dienstag im Frankfurter Landgericht verlesen wurde.

Der Vorwurf gegen Feldmann: Vorteilsnahme im Amt, speziell in zwei Fällen. Zum einen erhielt seine Frau direkt nach ihrem Studium einen Posten als Kita-Leiterin einer AWO-Einrichtung. Die Zusage kam, noch bevor sie ihr Studium abgeschlossen hatte. Der Verdienst war übertariflich, 15 Gehaltsstufen hatte sie übersprungen. Einen Dienstwagen gab es noch obendrauf, und zeitweise einen 450-Euro-Job, für den sie keine Arbeit leistete.

Feldmann selbst profitierte auch direkt. Für seinen Wahlkampf 2018 sammelte die AWO Geld in Frankfurt und Wiesbaden. Bis zu 60.000 Euro sollen es gewesen sein. Für diese Gefälligkeiten soll Feldmann besonders die Interessen der AWO beziehungsweise ihrer sich selbst bereichernden Führungsriege im Blick gehabt haben.

Eine Hand wäscht die andere

Oder wie die Textnachrichten Hannelore Richters an Feldmann es ausdrücken: „Quid pro quo!“

Es ist eine nüchterne, vorsichtige Verklausulierung dessen, was in Frankfurt geschah: Wie die zahlreichen Fälle zeigen, die TE und andere Medien aufgedeckt haben, stützte, deckte und ermöglichte Feldmann über Jahre eine Art Beutezug der AWO-Funktionäre durch die Frankfurter Stadtkasse und wohltätige Einrichtungen und, wie vorliegende Urteile bestätigen, die Selbstbereicherung einer Clique von AWO-Funktionären. Sicher, vermutlich nur ein sehr kleiner Teil der Beute landete tatsächlich in seiner eigenen Tasche; und seine Anwälte bestreiten auch dies.

Wenn die Staatsanwaltschaft ihm nur in zwei Fällen eine Vorteilsnahme vorwirft, dann ist das noch die Schon-Anklage, eine Art Korruptionsbekämpfung light, auch weil die Verflechtungen zwischen AWO, SPD und Stadtverwaltung sehr tief greifen und auch Teile der CDU erfassen. Man kennt sich, man hilft sich, scheint das Prinzip zu sein, und das macht die strafrechtliche Beurteilung schwierig: Auch die Staatsanwaltschaft in Frankfurt gilt als sozialdemokratisch beeinflusst.

Und die Vorteilsnahme begann früher und reichte tiefer als das fette Kita-Pöstchen für die Lebensgefährtin und spätere Ehefrau sowie Geld für Plakate. Nicht verhandelt wird der eigentliche Vorteil, den Feldmann erhielt: einen lukrativen Pro-Forma-Job bei der AWO, der ihm erlaubte, für den Posten des Oberbürgermeisters zu kandidieren, sowie Wahlkampfunterstützung durch die Arbeiterwohlfahrt und viele ihrer naiven Mitglieder. Das System AWO als Vorfeldorganisation der SPD zur Machtgewinnung ist der eigentliche Sachverhalt, und der steht nicht vor Gericht. Nicht nur in Frankfurt, auch in anderen Städten und Bundesländern ist dieser Missbrauch der Gemeinwohl- und Sozialorientierung aufgefallen. Frankfurt zeigt nur exemplarisch wie das Zusammenspiel von AWO und SPD funktioniert.

Noch bevor Feldmann Bürgermeister wurde, war er mitverantwortlich für einen Antrag im Frankfurter Stadtparlament, der dazu führte, dass die AWO bestimmte Betriebskosten, den sogenannten Overhead, pauschal abrechnen konnte. Statt also darlegen zu müssen, wie viele ihrer Overheadkosten für den Unterhalt des Geschäftsführers Jürgen Richter, seinen Dienstwagen oder die Manager um ihn herum aufgebracht wurden, wurden diese Kosten verdeckt – was Missbrauch Tür und Tor öffnete. Feldmann war zu dieser Zeit bei der AWO angestellt – zeitweise auf einer Stabsstelle, die vor und nach ihm keiner innehatte. Oder wie Insider schon während der ersten Skandalwelle 2019 mutmaßten: Es war ein Wahlkampfposten.

​Nun werden im AWO-Komplex die größten Missetäter bestraft: Hannelore und Jürgen Richter, die sich bei der AWO Aufsicht und Vorsitz des Verbandes in Frankfurt und Wiesbaden einvernehmlich und lukrativ teilten, Feldmann, andere Funktionäre und Mitarbeiter der AWOs Frankfurt und Wiesbaden. Doch die strukturellen Probleme, die den Missbrauch caritativer Sozialträger in Frankfurt und anderswo begünstigen, werden nicht behoben. Die in Frankfurt Bestraften sind Bauernopfer für die Selbstbereicherung in anderen Bereichen Hessens wie auch in Thüringen, Mecklenburg-Vorpommern und zahllosen anderen AWO-Standorten.

Parallel läuft das Abwahlverfahren. Aber um Feldmann abzuwählen, müssen sich mindestens 30 Prozent der Frankfurter an die Urne bequemen und davon die Mehrzahl die Abwahl fordern. Bei der Stichwahl, aus der er als Sieger hervorging, haben nur 30,2 Prozent der Wahlberechtigten ihre Stimme abgegeben. Die Bequemlichkeit der Wähler könnte jetzt auch einen der Korruption bezichtigten Oberbürgermeister im Amt halten.

Tichys Einblick berichtete:

Feldmann klebt noch im Amt

Feldmann steht nun also vor Gericht und ist doch noch regierender Oberbürgermeister. Eigentlich hatte er angekündigt, seinen Posten Ende Januar 2023 zu räumen. Er wolle „ein geordnetes Haus übergeben“, war seine Begründung dafür. Doch von diesem Versprechen nahm er schnell wieder Abstand: Es war nur eine Taktik, mit der er verhindern wollte, dass das Stadtparlament einen Bürgerentscheid einleitet.

Denn der Frankfurter Oberbürgermeister ist direkt gewählt. Damit kann er von seinem Posten auch nur mit einer direkten Wahl entfernt werden. Und die Hürden dafür sind hoch. Es reicht nicht nur eine einfache Mehrheit der abgegebenen Stimmen, die Mindestwahlbeteiligung muss gleichzeitig bei 30 Prozent der Wahlberechtigten liegen. Kein leichtes Ziel für eine Stadt wie Frankfurt, die für viele nur ein Arbeitsplatz ist. Zur entscheidenden Stichwahl 2018, in der Feldmann zuletzt zum Oberbürgermeister gewählt wurde, erschienen auch nur 30 Prozent der Wahlberechtigten.

Jede gesellschaftliche Gruppe hat Feldmann erzürnt

Doch die Chancen stehen gut, dass die Frankfurter Bürger mobilisiert werden können. Mit seinen zahlreichen Skandalen gibt es eigentlich keine Gruppe, die er nicht gegen sich aufgebracht hat. Der AWO-Skandal ist überregional bekannt. In Frankfurt ist Feldmann auch bekannt für:

Kann ein Mann noch mehr gesellschaftliche Gruppen gegen sich aufbringen?

Nun wird eifrig für die Abwahl von Feldmann geworben. So haben die Regierungsparteien des Rathauses – SPD, Grüne, FDP und Volt – gemeinsam mit der CDU eine Plakat- und Aufmerksamkeitskampagne gestartet. Sie betreiben gemeinsam Anti-Feldmann-Wahlkampf.

An dieser gemeinsamen Aktion nicht beteiligt sind die AfD und das Bündnis BFF-BIG, ein Fraktionszusammenschluss der „Bürger Für Frankfurt“ und dem „Bündnis Innovation & Gerechtigkeit“. Sie unterstützten aber den Antrag für die Abwahl Feldmanns. Gegen den Bürgerentscheid stellten sich einzig die Franktionen der Linkspartei, „Ökolinx“ und „Die Fraktion“, eine Fraktion gebildet von der Spaßpartei „Die Partei“.

Für Feldmanns Prozess sind sechs Verhandlungstage angesetzt. Einschließlich dem vergangenen Dienstag fallen drei davon noch vor den Bürgerentscheid am 6. November. Am ersten Prozesstag ließ Feldmann vor allem seine Anwälte sprechen. Nur das sagte er im Hinausgehen zur versammelten Presse: „Ich würde mir eine faire und un­voreingenommene Klärung wünschen.“

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