Tichys Einblick
CDU/CSU-Bundestagsfraktion

Union rollt die Corona-Fahnen ein und will den Klimaschutz verschärfen

Den Unionsabgeordneten berichtet die Kanzlerin nun plötzlich, dass sie „Licht am Ende des Tunnels“ sehe. Und Bayerns Regierungschef sieht offenbar zu Pfingsten den heiligen Urlaubsgeist. CDU-Chef Armin Laschet will das Klimagesetz verschärfen, aber nicht den Grünen hinterherlaufen.

Photomontage: Markus Söder, Angela Merkel, Armin Laschet

IMAGO / Sven Simon

Die Umfragewerte für die Groko sinken dramatisch. Union und SPD schrumpfen zu Gunsten der Grünen. Wohl nur deshalb mag die sonst so lockerungsunwillige Kanzlerin reagieren und ihrem Corona-Notbremsen-Stillstand etwas entgegensetzen. Bild titelt heute Online: „GroKo peitscht Rechte für Geimpfte durch!“ Im Eilverfahren hätten die Bundesregierung und der Rechtsausschuss des Bundestages die Bundesverordnung über die Rechte von Geimpften durchgepeitscht.

Offenbar hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass die Menschen langsam die Nase von Angela Merkels Corona-Diktat voll haben. Rund um Deutschland lockern fast alle Länder ihren Corona-Regeln. Sie öffnen ihre Restaurants und Hotels. Die Kanzlerin wird also gezwungen sich zu bewegen

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Das hält Merkel aber zunächst nicht davon ab, vor der mehrheitlich virtuell versammelten Bundestagsfraktion von CDU- und CSU-Abgeordneten noch einmal die Bedeutung ihrer Corona-Notbremse für den Bund zu erläutern. Aber immerhin gebe es ja auch „unterhalb einer Inzidenz von 100 vermehrte Möglichkeiten der Länder, Regelungen zu treffen“. Aufgemerkt: „Davon wird ja auch schon Gebrauch gemacht, wie wir heute sehen konnten.“

Die Länderchefs, die sich hinter Merkel versteckt hatten, machen sich jetzt vom Acker und suchen ihr Heil aus dem Bundes-Corona-Diktat in der Flucht nach vorn, so wie Merkels Musterschüler Markus Söder in Bayern – siehe unten.

Nach den sonst an dieser Stelle den Abgeordneten vorgetragenen Zahlen der Düsternis stimmt die Kanzlerin nun einen ganz neuen Ton an, berichten Teilnehmer. „Die erfreuliche Entwicklung ist ja, dass wir nach einer Seitwärtsentwicklung jetzt mehrere Tage hintereinander sinkende Fallzahlen haben.“ Kaum zu glauben: positive Corona-Nachrichten aus dem Munde der Kanzlerin – auch noch mit „sinkenden Fallzahlen“. Damit nicht genug: Wir hätten auch eine „leichte Entspannung“ jedoch noch auf sehr hohem Niveau bei der Intensivmedizin. Sie könne nur hoffen, dass immer mehr Landkreise unter die 100 kommen.

Merkel sieht plötzlich „Licht am Ende des Tunnels“

Der Physikerin der Macht ist so ein Zahlenspiel offensichtlich recht. Angesichts des Abwärtstrends ihrer Regierung in den Umfragen scheint sie jedoch jetzt gezwungen, einer Lockerung das Wort zu reden. Vor der Bundestagsfraktion verkündet Merkel gar: „Es ist Licht am Ende des Tunnels.“ Es würden ja auch immer Menschen geimpft und viele im Mai sogar ihre Zweitimpfung bekommen. Sie erhielten dann nach 14 Tagen obendrein noch den „Status des Geimpften“. Was für ein Fortschritt.

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Zwar lässt Merkel das Land mit Schnelltests überziehen, aber so richtig verlässlich erscheinen sie der Kanzlerin nicht. Denn die wiesen gegenüber Geimpften einen „deutlich qualitativen Unterschied“ auf, so Merkel. Zum Beispiel die Dauer der Verlässlichkeit eines solchen Schnelltests. „Das sind eben nur wenige Stunden.“ Und in den zwei Tagen, wo man nach einer Infektion noch keine Symptome hat, sei die Verlässlichkeit dieser Tests nach Angaben ihres RKI „lediglich im Durchschnitt 58 Prozent“.

Jetzt horchen die Unionsabgeordneten auf. Merkel verkündet: „Das heißt, wir können darauf keine Öffnungsstrategie bei hohen Inzidenzen bauen.“

Merkwürdig, die Schweiz macht das schon seit Wochen und hat Restaurants, Hotels und vieles mehr geöffnet. Frankreich öffnet ebenso – mit einer Notbremse bei Inzidenzen von 400 in den den Departements, also dem vierfachen Wert der „Bundesnotbremse“. In Merkels Deutschland scheint das Virus völlig anders zu wirken als in anderen Ländern, aber auch das wird das RKI wohl noch klären.

Merkel hofft lieber, dass „die Entwicklung so weiter geht“. Sie stabilisiere sich durch das „vermehrte Impfen“. Das würde sich in den nächsten Wochen immer weiter bemerkbar machen. Jetzt kommt’s: „Wenn das in eine fallende Inzidenz hinein geschieht, dann ist das einfach eine gute Nachricht.“ Aber nicht zu früh gefreut: „Wir sind insgesamt noch zu hoch.“ Merkel folgt also doch weiter ihrem Angstverbreitungskurs, nur sinkende Zahlen ihrer selbstgefertigten Inzidenzgrenzwerte können sie wohl zur Korrektur zwingen.

Was Merkel nicht sagt: Wochen können auch zu Monaten werden, finden einige zuhörende Abgeordnete. Schließlich folgen die üblichen Kanzlerinnenphrasen: „Je sorgsamer wir jetzt noch sind, wo die Fallzahlen noch hoch sind, umso schneller werden dazu kommen, dass dann alle von den Öffnungsschritten profitieren.“ Wie und wann – Fragezeichen.

Dafür spreche Merkel mitfühlend von „Lebensqualität“ bezüglich der Schule, der Kinder und Jugendlichen, „aber auch vieler anderer Bereiche des Lebens“. Was für Allgemeinplätze von einer Kanzlerin. Corona ist abgehakt.

Klimaschutz um jeden Preis

Ein anderes Thema macht die Klimakanzlerin viel glücklicher. „Ich bin sehr froh, dass die CDU und auch die CSU sehr schnell als Parteien reagiert haben auf das Verfassungsgerichtsurteil, das in der Tat ein Meilenstein sei in der Interpretation des Artikel 20a des Grundgesetzes.“

Die Kanzlerin will „notwendige Korrekturen“ im Klimaschutzgesetz nicht „auf die lange Bank schieben“. Es gehe um Generationengerechtigkeit und um die Frage, ob man für die Zeit nach 2030 „vernünftig genug vorgegangen“ sei bis hin zur Klimaneutralität 2050. Merkel mahnt: „Das verneint das Bundesverfassungsgericht.“
Der Vorsitzende des Ersten Senats, Stefan Harbarth, ist schließlich von Merkel ausgesucht.

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Deswegen findet Merkel also: „Wenn man von hinten her denkt im Sinne der Generationengerechtigkeit“, müsse man für das Zieldatum 2030 etwas ändern. Die Bundesregierung wolle eine gemeinsame Position entwickeln, um möglichst schon nächste Woche für eine Veränderung des Klimaschutzgesetzes einen Kabinettsbeschluss zu fassen. Das solle der Bundestag dann noch schnell beschließen, denn „das stünde uns gut an“.

Was Merkel nicht erwähnt: Das bedeutet natürlich für Wirtschaft und Bürger weitere Verschärfungen, Einschränkungen und Verteuerungen ihres Arbeitens und Lebens. Einen Vorgeschmack darauf gab das klimaschutzbedingte Aus für die Papierfabrik Zanders in Bergisch-Gladbach.

Auch Armin Laschet für Verschärfungen

CDU-Chef Armin Laschet hat als Gast in der Sitzung auch noch etwas zum Klimaschutz beizutragen. Corona scheint bei ihm erst einmal abgehakt. So verneigt sich auch Laschet vor dem Klimaschutz: „Wir können aus dem Urteil eine doppelte Lehre ziehen. Wenn jemand sagt, das ist ja nur ein Staatsziel, sollte man sich aufmerksam dieses Urteil anschauen.“ Denn aus der Beschreibung des Artikels 20a für ein Staatsziel entwickele das BVG seine gesamte Interpretation für ein „Nachhaltigkeitsurteil“. Zudem verlange das BVG auch eine präzise Klima-Antwort für die Jahre 2030 bis 2050.

Die berechtigte Frage, ob Politik oder Richter die Fähigkeit oder nur die Hybris besitzen, für so lange Zeiträume die richtigen Antworten zu finden, stellt sich für Laschet wie auch für die Kanzlerin offenbar erst gar nicht. Bürgerliche Nachdenklichkeit hat in der Union von heute keine Priorität mehr. Laschet möchte hingegen, dass die schwarz-rote Regierung grüne Handlungsfähigkeit zeige, bevor es in den Wahlkampf gehe, berichten kritische Zuhörer.

Dafür hätte Laschet noch einen Brüller geliefert: „Wir dürfen nicht den Eindruck erwecken, wir laufen den Grünen nach.“ Im Ziel sei man sich einig, aber „unsere Mittel“ seien marktwirtschaftlich und kompetenter. Die anderen machten das vor allem mit Verboten.

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Dass sie kompetenter seien, behaupten die Grünen allerdings auch. Und verbieten kann die Union schon seit Jahren sehr gut – siehe Corona- oder Klima-Politik. Über eine viel höhere CO2-Bepreisung will man jetzt die Daumenschrauben bei Bürgern und Wirtschaft für die vom BVG geforderte Gesetzesverschärfung anziehen. Angeblich solle es dann Entlastungen bei der Stromsteuer für Verbraucher und Betriebe geben.
Markus Söder erblickt Pfingsten den heiligen Urlaubsgeist

Markus Söder, Merkel-Musterschüler („Merkel-Stimmen gibt es nur mit Merkel-Politik“) und bayrischer Ministerpräsident, rollte schon wenige Stunden vor der Fraktionssitzung seine Hardcore-Corona-Fahne ein. Urlaub in Bayern soll zu Beginn der Pfingstferien am 21. Mai in Regionen mit niedrigen Corona-Infektionszahlen wieder möglich sein. Auf einmal: Die nur noch 36 Prozent für Söders CSU in Bayern bei der jüngsten INSA-Umfrage sind eine satte Watschen für den „harten Hund“ in der Corona-Politik. Das Bürgertum rebelliert gegen Söders harten Kurs. Der unverbesserliche Regierungschef muss daher einen deftigen Verlust von 10 Prozentpunkten innerhalb von nur drei Monaten in INSA-Umfragen einstecken.

Da die Inzidenzzahlen deutlich sinken, musste Söder nun klein beigeben: In Kreisen und kreisfreien Städten mit einer stabilen Sieben-Tage-Inzidenz von unter 100 sollen Hotels, Ferienwohnungen und Campingplätze wieder öffnen dürfen.

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