Wie verirrt sich dieser Beitrag von Rafaela von Bredow in den SPIEGEL, noch dazu als Leitartikel? Der Titel, »Die Angst-Züchter«, hätte die Üblichen meinen können. Tut er aber nicht, sondern der Beitrag erklärt, »Warum die grüne Gentechnik nicht des Teufels ist«. Ei der Teufel, da bin ich verblüfft.
Der Schöpfer selbst sei im Spiel gewesen, schreibt Frau von Bredow, »als Deutschland der Gentechnik den Krieg erklärte«. Horst Seehofer, damals Bundeslandwirtschaftsminister, hätten seine »Besinnungstage« bei den Benediktinern klargemacht: »Wir dürfen dem Herrgott nicht ins Handwerk pfuschen.« Tja, da hat der Seehofer Horst einen klassisch parteiischen Schachzug – also einen, der nicht bis zum Spielende denkt – gemacht, einen ohne Vernunft – die Gentechnik hat ihn da nicht beschäftigt.
Die Begründung der Richter überzeugt Bredow nicht. Schon die Furcht vor der klassischen grünen Gentechnik habe sich im Lauf der Jahrzehnte als unbegründet erwiesen. Sicherheitsforscher hätten bei den ins Freiland gesäten GVO »keine Gentechnik-spezifischen Risiken« gefunden, die WHO habe »keine Effekte auf die menschliche Gesundheit« festgestellt. In der Medizin seien »gentechnisch hergestellte Arzneimittel mittlerweise unverzichtbar, und dort ängstigt sich kurioserweise niemand. Die Katastrophe ist ausgeblieben.« – Vorsicht, das ist ein Vernunft-Argument.
Mit den neuen Methoden, besonders mit Gen-Scheren wie Crispr/Cas9 schnitten »die Wissenschaftler damit die DNA, und zwar exakt da, wo sie schneiden wollen … GVO enthalten zumeist komplett neue Gene von anderen Organismen. Ganz anders Crispr-Tomaten oder Crispr-Kartoffeln: Diese lassen sich nicht von ihren Vettern und Cousinen in der Natur unterscheiden.« SPIEGEL, SPIEGEL, schon wieder ein Vernunft-Argument.
Das EuGH-Urteil spiele den Monopolisten in die Hände: »Wenn Crispr-Produkte so streng reguliert werden wie GVO, kostet es ähnlich viel, eine neue Sorte auf den Markt zu bringen: rund 13 Jahre und 136 Millionen Dollar. Start-ups und kleine Saatgutfirmen werden sich das nicht leisten können.« Noch ein Vernunft-Argument.
Crispr unreguliert, hätten die Kleinen eine Chance: »Denn das Verfahren ist betörend einfach, schnell und billig. In China und den USA wird man sich dieser Innovation eifrig bedienen; in Europa fällt der Aufbruch der klugen Biologen nun aus.« Ein Vernunft-Argument nach dem anderen.
Mit dem letzten Satz fädelt Rafaela von Bredow gerade noch rechtzeitig in die Ökoreligion ein, wenn sie den Klimawandel den »wohl größten Pfusch des Menschen an der Schöpfung« nennt. Dass der Mensch Klimawandel maßgeblich verursacht, ist die gleiche Hybris, wie zu glauben, Politik könne eine Weltklimaordnung erlassen. Aber einfach mal über diese captatio benevolentiae hinweggesehen. Das Plädoyer, Gentechnik nicht in Bausch und Bogen abzutun wie Seehofer, sondern nach Erfolg versprechenden Methoden zu forschen, ist ein Lichtblick im fortschrittsfeindlich gewordenen Deutschland.
Dabei wäre es doch recht simpel, bei der Energieerzeugung nach dem für die Versorgung sichersten Mix zu suchen, statt alle paar Jahrzehnte parteipolitisch (!) über technische (!) Lösungen zu entscheiden und zugleich alle anderen auszuschließen: Damals die Sozialdemokraten für die Kernkraft, heute die Grünen für Wind und Sonne. In beiden Fällen siegten Interessen und Ideologie über Vernunft. Es ist Zeit, der Vernunft Platz zu machen.
Beim Umgang des Menschen mit Pflanzen und Tieren geht es gar nicht um das Pro oder Kontra zu Gentechnik, sondern das zu alter oder neuer Gentechnik. Ich plädiere wie bei der Energie für den nach dem jeweils technischen Stand günstigsten Mix. Was ich mit alter Gentechnik meine? Wie unsere Vorfahren über Jahrhunderte bestimmte Eigenschaften von Pflanzen und Tieren in der Zucht durch Auswahl verstärkten und ihre Nachfahren heute, war und ist nichts anderes als Gentechnik, deren Einsatz und Wirkung lange dauert.
Aber es wäre nicht zum ersten mal, wenn Generationen auf dem falschen Weg von neuen Generationen auf einem besseren, weil vernünftigen, wieder korrigiert werden.
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Im Gegensatz zum Leitartikel von Bredow geht es in der schwarzrotgrünen Welt weiter so zu: