Tichys Einblick
Weißen-Bashing, amtlich gefördert

Forderung von Migrantenverbänden – „Tag der deutschen Vielfalt“

Wie lange wollen Politiker sich zeitgleich die Augen reiben und vorgeben, nicht zu verstehen, woher diese zunehmende Spaltung der Gesellschaft eigentlich kommt, die sie selbst tagtäglich so aktiv befördern?

Feierlichkeiten Tag der deutschen Einheit, Berlin, 2017

@ Getty Images

‚Hallo, liebe Migranten in Deutschland, warum verschwendet ihr eure Energie damit, die Mehrheitsgesellschaft zu nerven, anstatt endlich mal dort integriert anzukommen, wo ihr doch seit Jahrzehnten bestens wattiert oder sogar alimentiert samt Familie und Familiennachzug lebt bzw. arbeitet?’

So oder ähnlich ließen sich wohl aktuell jene nicht ganz so bitterbösen und weniger aufgeregten Kommentare in den sozialen Medien zu einem fiktivem zusammenfassen, die sich darüber empören, dass eine größere Zusammenkunft von Funktionären von Migrantenorganisationen zum Tag der Deutschen Einheit einen „Tag der Vielfalt“ forderte und dabei möglicherweise – was gleich noch zu besprechen sein wird – rassistisch vorgegangen ist gegen Menschen weißer Hautfarbe mit deutscher Herkunft, eben gegen solche, die hier schon länger leben.

Was genau ist passiert, dass heute früh entsprechende Berichte in Welt und Spiegel das Ranking der meistgelesenen deutschsprachigen Internetseiten anführen? Die Welt schreibt: „Mehrere Migrantenverbände fordern anlässlich des Tages der Deutschen Einheit auch einen „Tag der deutschen Vielfalt“. Bislang werde am 3. Oktober die Einheit nur aus einer „deutschdeutschen“ und „weißen“ Perspektive gefeiert.“ 

Ein „Appell“ einer Vereinigung von Gruppen von oder für Migranten („Neue Deutsche Organisationen“) wurde via Facebook verbreitet und von der Presse dankbar angenommen. Dieser Appell stellte zunächst fest: „Die deutsche Gesellschaft umfasst mehr als Ost- und Westdeutsche. Als Einwanderungsland brauchen wir endlich auch einen Tag der deutschen Vielfalt, symbolisch für alle.“

Weiter heißt es da:

»Doch die deutsche Einheit wird üblicherweise aus einer rein „weißen“ Sicht betrachtet – deutschdeutsche Ostdeutsche wiedervereint mit deutschdeutschen Westdeutschen. Dass aber auf beiden Seiten viele Bindestrichdeutsche, also Menschen mit Migrationshintergrund dabei waren, wird meist vernachlässigt.«

Helds Ausblick, 19-2016
Deutsche Einheit 2016 – der heimliche Abschied
Stellen wir mal nicht die Frage danach, was das konkret ist, ob nun Dummheit oder Unverschämtheit, sondern fragen uns, wie es kommen konnte, dass eine größere Anzahl von Leuten, die hier in Deutschland eine neue Heimat gefunden haben, teilweise schon vor Generationen, so sehr mit der Gesellschaft hadern, dass sie in einem Atemzug „Rassismus“ schreien, wie sie den Deutschen ihre weltweit respektierte und anerkannte Wiedervereinigungsgeschichte als rassistische Feierlichkeit vorhalten wollen. Was kann daran nicht zu verstehen sein, dass, wer nicht getrennt wurde, auch keine Vereinigung feiern kann, muss oder soll?

Aber er ist herzlich eingeladen, sich mit zu freuen. Wem das zu schwer fällt, der muss es so erledigen, wie viele Muslime an Weihnachten: Einfach was anderes machen als die Mehrheit, Weihnachten ignorieren, den Alltag als solchen weiterleben, auch wenn rechts und links die Fenster im Kerzenlicht glühen; die Menschen hinter den Vorhängen sind für den Moment auch ohne bereichernde Migranten glücklich. So etwas soll es geben. Niemand meint das böse gegenüber Migranten, so wie für die Annahme, der Tag der Deutschen Einheit sei ein Statement gegen Zuwanderung, schon ein gehöriges Maß an Unverfrorenheit vorhanden sein muss.

Deutungshoheit
Deutsche Einheit: Wer ist das Deutsche Volk?
Sollen die Deutschen einmal vergessen, wie nachdenkenswert es eigentlich stimmen müsste, dass unter anderem die Erdogantreue DİTİB bewusst den Tag der Deutschen Einheit ausgewählt hat, hier den Tag der offenen Moschee zu installieren oder wie es Ayşe Aydin, DİTİB-Sprecherin zum 12. Tag der offenen Moschee formulierte: „Wir haben bewusst den Tag der Deutschen Einheit gewählt, weil er symbolisiert, dass zwei Länder zusammen gekommen sind. Wir möchten, dass auch die Menschen religionsübergreifend besser zusammenfinden.“ Die reformorientierte Ibn RushdGoethe Moschee in Berlin verzichtete übrigens 2018 aus genannten Gründen darauf, am Tag der deutschen Einheit ihre Tore zu öffnen.

Woraus speist sich nun aber dieses merkwürdige Beleidigt aus dem Appell eigentlich? Worauf basiert dieses zwanghafte nun wirklich überall dazugehören zu wollen, selbst da noch, wo es historisch unmöglich ist, wenn die Gruppe in ihrem Appell weiter schreibt: „Wir stehen ein für eine plurale Republik, in der nicht Herkunft oder Aussehen entscheiden, wer dazu gehört.“

Nun entscheidet allerdings selbstverständlich auch die Herkunft über den persönlichen Bezug zum 3. Oktober. Ansonsten könnte sich ja jeder nach Geburt aussuchen, zu welchem Volk, zu welchem Staat er gehören möchte. „Ich bin die Tochter von …“ oder „Ich bin der Sohn von …“, legt aber die Staatsangehörigkeit fest und die Sprache. Darüber hinaus formen Erzählungen und die Erziehung der Eltern und Großeltern den werdenden Menschen auf eine Weise, die ihn befähigt, in der Gesellschaft anzukommen.

3. Oktober 2018
Von der Wiedervereinigung zur Wiederentfremdung
Für Migranten heißt das dann, diesen Prozess idealerweise nachzuholen, um dann nachgereicht und eine oder mehrere Generationen später ggf. mit ihren eigenen Geschichten aus dieser Gesellschaft eben diese auch zu bereichern. Bis dahin aber sollte dieser Prozess von Respekt und Achtung jenen Menschen gegenüber geprägt sein, deren Gesellschaft der Zugewanderte aus unterschiedlichen Gründen schätzt, sucht und gefunden hat. Das ist weltweit so und soll nun allerdings nach Wunsch einer Reihe von Migrantenverbänden in Deutschland neuerdings pfui sein? Verkehrte Welt.

Was steckt noch hinter diesen Migrantenverbänden und ihrem Appell? Ihre Website heißt „Neue Deutsche“ in Abgrenzung also zu den alten Deutschen. Zu den bösen rassistischen „Weißen“ und ihrem rassistischem Wunsch, immer Anfang Oktober eine deutsche Einheit aus Rassisten zu feiern.

Die aktuelle Forderung auf der Website lautet übrigens: „Wir wollen kein Praktikum, wir wollen die Chefetage“. Und wenn man dann genauer hinschaut, passiert, was eigentlich neuerdings immer öfter passiert: die Organigramme sind immer umfangreicher und gesättigter. Überall das gleiche Spiel: eine beeindruckende Verästelung, ein Netzwerk aus Politik, Medien und weiteren prominenten Influencern, die so ihrerseits ihren Wirkkreis noch zu erweitern hoffen. Egomane treffen Gutmeinende und warten auf weitere Klicks in den sozialen Medien.

Kein Feiertag
Nationalfeiertag - und das in einem moralinsauren Land?
Schon Mitte 2016 publizierte die freie Redakteurin und Diplom-Sozialpädagogin Susanne Baumstark über dieses Netzwerk der „Neuen Deutschen“ und verwies damals explizit auf die Zusammenarbeit der Organisation mit „Neue deutsche Medienmacher“, einem bundesweiten Zusammenschluss von Medienschaffenden, deren Vorsitzende neben anderen Ferda Ataman ist und deren Vorsitzende seit 2009 regelmäßig auf Einladung von Bundeskanzlerin Angela Merkel am Integrationsgipfel im Kanzleramt teilnehmen. Prominentes Mitglied dieser Organisation ist hier beispielsweise Dunja Hayali.

Die für den Appell verantwortlich zeichnende Gruppe wird u.a. unterstützt von der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb), der Stiftung Mercator sowie der Bundesbeauftragten für Migration.

Das muss man sich vorstellen, das muss man sich erst einmal ausdenken: Der Vorwurf, der Tag der Deutschen Einheit sei eine rassistische Veranstaltung nur für Weiße, wird unterstützt und gefördert vom Staat und ihm wohlgesonnenen Stiftungen. Nach Autorin Baumstark soll die Organisation schon beim Bundesparteitag der SPD aufgetreten sein und außerdem mit Mitteln des Auswärtigen Amtes gefördert werden oder worden sein. Eine Forderung der Organisation: Das Grundgesetz soll um folgendes neues Staatsziel ergänzt werden: „Deutschland ist ein vielfältiges Einwanderungsland. Es fördert die gleichberechtigte Teilhabe und Integration.“

Selten noch wurde eine spaltende Gegenüberstellung (alte und neue Deutsche) so exzessiv und so umfangreich und querbeet von einer großen Anzahl gesellschaftlich relevanter Gruppen betrieben. Und es sind mitnichten nur Migrantenverbände, auch der deutsche Staat spielt mit und fördert und spaltet fleißig.

Wenn also am Tag der Deutschen Einheit die Bundeskanzlerin und weitere Poltiker im Berliner Dom vorgeben, die Vollendung der deutschen Einheit zu feiern, aber diesen Festtag nur dazu nutzen, Öl ins Feuer zu gießen und ihr politisches Versagen auf die Straße zurückzuwerfen, dann ist alles gesagt.

Rolle missverstanden
Nationalfeiertag: Die Rede eines heimatlosen Präsidenten
Der regierende Oberbürgermeister von Babylon Berlin 2.0 rief am 3. Oktober in besagter Staatsoper dazu auf, „laut“ und „wehrhaft“ zu werden und das auch auf der Straße zu zeigen („und das müssen wir auch zeigen.“). In Verkehrung der Umstände und selbstverständlich unter dem Applaus der Bundeskanzlerin sagte Müller, es dürfe nicht sein, dass eine Minderheit die Deutungshoheit an sich reisst (die politische Klasse hat er wohl nicht gemeint).

Währenddessen sich eine staatlich subventionierte Minderheit anschickt, eben diesen Tag der Deutschen Einheit durch einen Tag der Vielfalt mindestens ergänzen zu wollen, einfach deshalb, weil es heute so vielen unerträglich erscheint, dass ein Volk eine eigene Identität besitzt und diese auch noch konkret an einem Ereignis wie der Wiedervereinigung festmachen will.

Eine böse weiße Identität, eine verdächtige Individualität und dann als finaler GAU: die mutmaßliche Berufung auf irgendeine deutsche Indigenität. Also die Behauptung, wer den Tag der deutschen Einheit feiere wie bisher, der sei Teil von etwas, das nun in der Formulierung des Appells wie eine völkische Verschwörung klingt, wenn es dort heißt: „Die deutsche Einheit wird üblicherweise aus einer rein „weißen“ Sicht betrachtet – deutschdeutsche Ostdeutsche wiedervereint mit deutschdeutschen Westdeutschen.“

Verzeihung, aber wie viel Schwachsinn muss sich der Deutsche – übrigens gleich welcher Hautfarbe oder Herkunft – eigentlich noch anhören? Und wie lange wollen Politiker und Regierungsmitglieder eigentlich noch daneben stehen diese geistig und moralisch verirrten Aktivitäten befeuern, während sie sich zeitgleich die Augen reiben und vorgeben, nicht zu verstehen, woher diese zunehmende Spaltung der Gesellschaft eigentlich kommt, die sie selbst tagtäglich so aktiv befördern?

Was für ein fieser Alltagsrassismus ist das nun wieder, der sich da hinter der Selbstherrlichkeit selbst überhöhter so genannter Verfechter einer Vielfalt versteckt?

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