Das „Turbo-Einwanderungsgesetz“ der Ampel ist noch gar nicht in Kraft getreten, aber die Folgen machen sich schon bemerkbar: Der Berg der Anträge auf Einbürgerungen wächst bereits erheblich. Eine Recherche des „Mediendienstes Integration“ ergab, dass derzeit mehr als 204.000 Anträge in 42 Städten in Bearbeitung sind. Das sind mehr als alle Einbürgerungen im letzten Jahr zusammengenommen. Denn 2023 wurden laut Zahlen des Statistischen Bundesamtes rund 200.000 Ausländer eingebürgert.
Aber der Berg, der auf die Städte zukommt, ist noch größer als die Anträge selbst: Es kommen noch die Zuwanderer dazu, die auf einen Termin bei den zuständigen Behörden warten und daher noch nicht in den Antragszahlen erfasst sind. In Berlin warten laut dem Mediendienst ungefähr 40.000 Personen darauf, dass ihr Antrag bearbeitet wird, in Hamburg sind es rund 25.600 und in München rund 17.600. Außerdem sagen fast alle Städte, die der Mediendienst befragt hat, dass es eine vermehrte Nachfrage an den Beratungsangeboten der Behörden gebe. In Köln hat sich diese Nachfrage bereits in den ersten Monaten dieses Jahres verdoppelt.
Es war klar, dass die Antrags- und Einbürgerungszahlen stark ansteigen werden, nachdem die Ampel im Januar die „Modernisierung“ des Staatsangehörigkeitsgesetz beschlossen hat, welche am kommenden Donnerstag in Kraft treten wird: Denn durch diese Reform erfüllen mehr Personen die Voraussetzungen für eine Einbürgerung. Einwanderer können bereits nach fünf statt nach acht Jahren eingebürgert werden, wie TE bereit berichtete. Dafür müssen sie gutes Deutsch sprechen, einen eigenen Lebensunterhalt für sich und ihre Familie verdienen und sich der freiheitlich-demokratischen Grundordnung verpflichten. Bei „besonderen Integrationsleistungen“ wie Sprachkenntnissen soll sogar eine Einbürgerung nach drei Jahren möglich werden.
Vor allem aber macht es die Ampel mit dieser Gesetzesänderung möglich, dass Personen jeglicher Herkunft eine doppelte Staatsbürgerschaft erhalten können – also sehr viel mehr, als bisher der Fall war. Bislang war es nur Einwanderern aus der Europäischen Union, aus der Schweiz und aus Ländern, die ihren Bürgern den Wechsel der Staatsangehörigkeit untersagen, möglich, eine solche zu bekommen. Entsprechend gehen fast alle Städte laut der Befragung des Mediendienstes davon aus, dass das Interesse an Einbürgerungen mit der Reform steigen wird. Die Städte Frankfurt und Freiburg rechnen sogar damit, dass sich die Zahl der Einbürgerungsanträge mehr als verdoppelt.
Das trifft vor allem auf Zuwander eraus der Türkei zu: Die hatten bislang kein Recht auf eine doppelte Staatsbürgerschaft. Daher war die Zahl der Einbürgerungsanträge von türkischen Zuwanderern im letzten Jahr im Vergleich zum Vorjahr rückläufig. Die befragten Städte rechnen nun allerdings damit, dass die Zahl der türkischen Antragssteller wieder steigen wird, weil diese nun die Chance auf eine doppelte Staatsbürgerschaft haben.
Die Einbürgerungsbehörden sind auf diesen riesigen Antragsberg nicht vorbereitet. Das kritisiert der Professor für Öffentliches Recht an der HWR Berlin und Sachverständige zur Gesetzesreform, Tarik Tabbara, gegenüber dem Mediendienst Integration. „Wie man die Abläufe und die Manpower in den Einbürgerungsbehörden organisiert, das wäre parallel vorzubereiten und zu unterstützen gewesen, auch wenn das nicht direkt in die Zuständigkeit des Bundes fällt“, sagt er. Nach Angaben der befragten Städte kann die Bearbeitung der Anträge je nach Standort und Fall bereits jetzt zwischen drei und 36 Monaten dauern. Nachdem die Reform am Donnerstag in Kraft treten wird, ist davon auszugehen, dass sich die Wartezeit für die Antragssteller zusätzlich verlängert – und sich die Belastung der Behörden erhöht.
Entsprechend geht das Ziel der Ampel nicht auf: Der Abgeordnete Stephan Thomae (FDP) hat im Januar in einer Debatte zu der Gesetzesreform betont, das Gesetz solle eine „Erleichterung“ für den Arbeitsmarkt sein, dem es an Arbeitskräften mangelt. Aber wenn Fachkräfte mehrere Monate – oder sogar Jahre – warten müssen, bis ihre Anträge bearbeitet werden, sorgt das nicht gerade dafür, dass sich Fachkräfte gebraucht fühlen.
Eigentlich soll das Gesetz nur für „hart arbeitende Migranten“ gelten. Und für solche, die einen Beitrag zur Integration leisten, beispielsweise in Form von ehrenamtlicher Arbeit. Das hat jedenfalls Innenministerin Nancy Faeser (SPD) im November betont. Aber die Zahlen des Mediendienstes zeigen bereits jetzt, dass dieser Anspruch in der Realität nicht umzusetzen ist: Die meisten Einbürgerungsinteressierten stammen aus Syrien, dem Irak und – wie bereits erwähnt – aus der Türkei. Platz vier und fünf nehmen die Herkunftsländer Iran und Afghanistan ein. Also sind die meisten Antragssteller Kriegsflüchtlinge. Sie sind nicht vorergründig nach Deutschland gekommen, weil sie als Fachkraft arbeiten wollen.
Diese Länder, aus denen die meisten Antragssteller geflohen sind, sind vom muslimischen Glauben sowie gesellschaftlichen Strukturen und Einstellungen geprägt, die sich von den deutschen unterscheiden. Mit der Gesetzesreform hat die Ampel nun die Grundlage geschaffen, dass diese Zuwanderer über den gleichen Kamm geschoren werden wie Einwanderer aus Ländern, die der deutschen Kultur und den deutschen Werten ähneln. Das kritisierte Alexander Throm (CDU) bereits im Januar: Seiner Meinung nach holt sich die Ampel somit politische Probleme ins Land. Es würde keine ausreichende Prüffrist mehr bestehen, um sicherzugehen, dass sich ein Zuwanderer dem Land „nachhaltig verpflichtet“ und dass eine Integration auch über einen längeren Zeitraum hinweg gegeben sei. Die Bundesregierung gebe ihre „Steuerung, Vorsicht und Sicherheit“ auf: Ist der deutsche Pass einmal vergeben, kann er nicht mehr zurückgezogen werden.
Und das tut die Ampel in Zeiten, in denen es in Deutschland immer wieder zu antisemitischen Vorfällen kommt und die Gewalt auf deutschen Straßen erheblich zunimmt. Erst kürzlich hat ein Afghane in Mannheim ein Messerattentat auf den Islamkritiker Michael Stürzenberger verübt, dabei mehrere Bürger verletzt und einen Polizisten getötet, wie TE berichtete. Wenn die Behörden nun von Antragsbergen überrollt werden, ist ohnehin fraglich, wie sie überprüfen wollen, ob sich Antragssteller wirklich zur deutschen Grundordnung bekennen – vor allem langfristig. Ein einfaches Lippenbekenntnis ist schließlich schnell vergessen.