Der Bösewicht sieht aus wie eine Eiskugel, aus der Oberfläche ragen stachelförmige Spikes heraus. Damit kann es Körperzellen angreifen, sich andocken und Zellen zerstören. Die meisten Viren allerdings sind gutartig, wir benötigen sie sogar zum Teil, um überhaupt leben zu können.
Mittlerweile steht ein neues 3D-Modell der Oberfläche des Corona-Virus COVID-19 zur Verfügung, an denen Biochemiker neue Angriffsmöglichkeiten entwickeln können. Professor Dmitry Korkin, Direktor des WPI-Programms für Bioinformatik und Computerbiologie, erklärt dazu: »Wir sind zuversichtlich, dass unsere Daten und visuellen Modelle den experimentellen Wissenschaftlern weltweit, die fieberhaft an der Lösung dieser Pandemie arbeiten, als Leitfaden dienen könnten.«
Die Entwickler untersuchen derzeit die inneren Strukturen des COVID-19-Virus; bald dürfte eine virtuelle Reise in das Corona-Virus möglich sein. Dafür bedienen sich die Modellierer der COVID-19 Strukturgenomkarte des National Center for Biotechnology Information, die für jedermann frei verfügbar im Internet steht.
Während die Pandemie mehr und mehr Schlagzeilen und Leben bestimmt, beherrscht die Frage nach Gegenmitteln und einem Impfstoff die wissenschaftliche Diskussion. Noch gibt es keinen Impfstoff, doch in aller Welt arbeiten Wissenschaftler in den biochemischen Labors an Wirkstoffmöglichkeiten.
Erste Hoffnung macht, dass möglicherweise ein bereits gebräuchlicher Wirkstoff gegen Malaria auch den an COVID-19 Erkrankten helfen könnte, nämlich Chloroquin. Einer französischen Studie zufolge habe dieser Corona-Kranken bei der Genesung geholfen. US-Präsident Trump hatte schon am Donnerstag verkündet, das Mittel sei deswegen sofort zur Behandlung zugelassen. Allerdings gibt es an der Zuverlässigkeit der Studie auch Zweifel, die der deutsche Virologe Christian Drosten von der Charité äußerte. Nicht zuletzt weil die Zahl der Probanden sehr gering war.
Früher dauerte es bis zu zehn Jahren, ehe ein neues Medikament zur Verfügung stand. Das geht heute meist deutlich schneller. Neue Technologien, 3D-Visualisierungen und Molecular Modellig helfen, neue Behandlungsmöglichkeiten zu entwickeln. Zwar reichen vier Wochen oder gar ein paar Tage, wie vom amerikanischen Präsidenten gefordert, nicht. Ein paar Monate werden es schon werden.
Aber etwa 40 neue Ansätze für Medikamente sind derzeit weltweit bekannt und haben zum Teil den proof of concept bestanden, also gezeigt, dass sie grundsätzlich funktionieren. Sie müssen allerdings gründlich getestet werden. Direkt in den Menschen reingehen – das halten Fachleute selbst in drängenden Zeiten für nicht sinnvoll. Über Nebenwirkungen und Fragen der richtigen Dosierung weiss man zu wenig. Allerdings könne man heute bereits viele Schritte parallel unternehmen.
An Impfstoffen forschen zum Beispiel die Pharmariesen Johnson & Johnson (JNJ) und GlaxoSmithKline (GLAXF), deren Aktien derzeit zu den wenigen steigenden gehören. In der Mitte des Geschehens in Deutschland: die Tübinger Biotech-Firma CureVac AG. Sie wird wesentlich von dem Mitbegründer Dietmar Hopp von SAP und dem ehemaligen Microsoft-Chef Bill Gates finanziert.
Der Kampf gegen neue Erreger soll jetzt deutlich schneller vonstatten gehen, die Produktionsprozess ist einfacher, immer gleich und muss nicht neu angepasst werden. Die Wissenschaftler überlisten die körpereigenen Zellen, indem sie dafür sorgen, dass die mRNA von den verschiedenen Zelltypen aufgenommen wird. Nicht so leicht, denn Zellen zeigen sich recht verschlossen und verfügen über eine ausgefeilte Abwehr.
Anschließend sollen sie dazu gebracht werden, sogenannte Entzündungsmediatoren auszuschütten, körpereigene Alarmsignale, die wiederum weitere Immunzellen aktivieren. Die »erkennen« dann die neuen Viren und können sie zerstören.
Den Tübingern gelang das biochemische Kunststück bereits bei ihrem Tollwut-Impfstoff CV7202, der ebenfalls darauf basiert, mit mRNA Zellen gewissermaßen umzuprogrammieren. Vor kurzem wurde eine erste Phase-1-Studie mit positiven Ergebnissen veröffentlicht – von den Investoren sehnlichst erwartet, die immerhin 20 Jahre lang sehr viel Geld investiert hatten.
Vermutlich dürften sich die Mühen jetzt bei der aktuellen Pandemie ein wenig auszahlen. Denn in den Staaten der OECD leben mehr als 1,2 Milliarden Menschen. Je Impfung liegt die Marge bei mindestens 10 Euro. Bei einer Impfquote von 30 Prozent ist CureVac 3,6 Milliarden Euro wert. Wobei China (1,4 Milliarden Einwohner) und die afrikanischen Staaten (1,3 Milliarden Bevölkerung) nicht einkalkuliert sind, weil sie nicht Teil der OECD sind. Deren Bevölkerung mit einberechnet macht in Summe für CureVac eine Bewertung von mehr als sechs Milliarden Euro.
Einige Probleme könnte die Impfmüdigkeit mit niedrigen Impfquoten bereiten, denkt man an jene unselige Diskussion, ob Impfen gegen Masern sinnvoll ist oder nicht. Jedoch könnte mit der »PR« über die Corona-Gefahren eine Impfung 30 Prozent der Bevölkerung erreichen. Im Frühsommer könnte mit klinischen Tests und ab Herbst mit der Produktion des Impfstoffs begonnen werden. Das bestätigen auch nicht industriegebundene Fachleute. Kapazitätsprobleme bei der Produktion werden nicht gesehen.
Mariola Fotin-Mleczek, Entwicklungsvorstand bei CureVac, sagt dazu: »Die Natur hat Mechanismen erschaffen, um das Immunsystem gegen Infektionen zu aktivieren. Mit unserer einizgartigen mRNA-Technologie können wir die Natur nachahmen und dem Körper die Information bereitstellen, die er benötigt, um gegen das Virus zu kämpfen. Die Kombination aus unserem Wissen über die mRNA, dem Verständnis der Krankheit und unsere Produktionstechnologien machen CureVac zu einem einzigartigen Akteur, um gegen jede Infektionskrankheit zu kämpfen – ganz gleich, ob diese saisonaler oder pandemischer Natur ist.«
Der Impfstoff, der zwar nicht bereits Erkrankten hilft, aber den gesunden Teil der Bevölkerung vor einer Infektion schützt, könnte ein wichtiger Punktsieg im weltweiten Wettrennen zwischen Virus und Wissenschaft sein.