»Es lässt sich jedoch kaum beschreiben, wie genial sie es verstehen, Feuerwerke zu machen. Sie lassen das Feuerwerk Zeichen, Figuren und Bäume darstellen und das Feuer vielerlei Gestalten und natürliche Farben annehmen. Ich hatte den Berichten anderer über das Feuerwerk der Chinesen nie Glauben geschenkt, bis ich es mit meinen eigenen Augen sah.« So fasziniert berichtet der österreichische Forschungsreisende, Jesuit und Missionar Johannes Grueber über chinesische Feuerwerkskünste. Das war bereits um 1660. Er kam als erster Europäer zum Beispiel in die tibetische Hauptstadt Lhasa.
»Ich sah auf dem Boden eines Saales, wo ich mich auf einem sehr seltsamen Fest befand, eine riesige Weinrebe herabschweben – ich sah das Feuer, dass die Form von Weinblättern und Weintrauben annahm. All das war so hübsch in natürlichen Farben dargestellt, dass man es mit dem Pinsel nicht schöner hätte malen können. Diese Erscheinung dauerte nur sehr kurz, und nachdem das Material verbrannt war, verschwand sie und hinterließ überall dort Rauchspuren, wo der Wein mit seinen Blättern und Traum erschienen war. Diese Kunst ist auch ein wenig in Persien bekannt, aber sie gelingt den Persern nicht so gut. Die Chinesen sind sehr stolz darauf. Trotz alledem sind die Ausgaben dafür nicht sehr hoch, da man für zwei Pistolen ein Feuer für drei oder vier solche Darstellungen haben kann.«
Kunstfeuerwerk und Kriegskunst hingen eng zusammen
Ein prachtvolles Feuerwerk ist ein uraltes Kulturgut. Vor über 1000 Jahren sollen die Chinesen nach einem Elixier für ewige Jugend geforscht haben, wird kolportiert. Sie entdeckten jedoch nicht den Jungbrunnen, sondern dass ein Gemisch aus Salpeter, Schwefel und Holzkohle mit viel Rauch und Licht explodiert. Auch der Entdecker Marco Polo berichtete von chinesischer Feuerkunst; die Araber nahmen sich dieser Kunst an und sollen damit das Abendland erleuchtet haben. Siege nach Kriegen wurden mit Feuerwerk gefeiert, Fürsten- und Königshäuser inszenierten im 16. Jahrhundert Hochzeiten, Krönungen und Geburten der Thronfolger mit gigantischen Himmelsschauspielen. Sonnenkönig Ludwig XIV. gab Unmengen an Geld für seine Lustfeuerwerke über den Gärten von Versailles aus. Diejenigen, die mit dem Feuer gearbeitet und die Effekte beherrscht haben, waren Feuerwerker. Sie verdanken der Lust an grellen bunten Lichtblitzen, Knall und Rauch Namen und hohes Ansehen.
Aus dem »Fürwercksbuch« von 1420 weiß man, dass Feuerwerker und Büchsenmeister eine eigene Zunft im Heerwesen bildeten. Zugelassen war nur, wer die zwölf Büchsenmeisterfragen beantworten konnte. Nürnberg war lange Zeit das bedeutendste Zentrum der Feuerwerkerei in Deutschland; als Meisterprüfung musste ein prächtiges Feuerwerk konstruiert werden. Feuerwerker waren »stolze, von Öffentlichkeit und Herrschern anerkannte Magier, Herrscher über Feuer und alchimistische Mächte, Dirigenten im Krieg und Regisseure repräsentativer Unterhaltung«, heißt es in dem alten Buch über Feuerwerkskunst. Kunstfeuerwerk und Kriegskunst hingen eng zusammen.
Viele Feuerwerksbücher beschrieben friedliche und militärische Anwendungen von Feuerwerk. Balthasar Neumann, jener Barock-Baumeister, inszenierte Feuerwerke und baute Feuerwerksschlösser. Es half ihm, dass er gelernter Artillerie-Ingenieur war. Im 18. Jahrhundert konnten sich viele Höfe teure Lustfeuerwerke nicht mehr leisten und ließen wenigstens große Bilder von Feuerwerken malen. Heute wollen Grünbewegte prächtige Feuerwerke durch mickrige Lasershows ersetzen.
Nur die Konstanzer glaubten gar, mit einem Verbot eines der größten Feuerwerke Europas zum legendären Seenachtsfest das Weltklima retten zu können. Doch das grüne Umweltbundesamt hat seine »Berechnungen« überprüft und erklärt, »die CO2 Emissionen aus Feuerwerkskörpern sind von geringerer Bedeutung«, außerdem hat es seine »Schätzungen« über Feinstaub aus Feuerwerken aufgrund einer »neuartigen Berechnungsgrundlage« halbiert.
Salpeter – also Kaliumnitrat – war schon früh bekannt. Das birgt den für eine Verbrennung notwendigen Sauerstoff. Denn das Prinzip Feuerwerk ist immer gleich: Eine möglichst hohe Konzentration von Sauerstoff in einem möglichst kleinen Volumen sorgt für den nötigen Wumms. Mit Kaliumperchlorat erreicht man deutlich höhere Temperaturen beim Abbrand. Eine Ausstoßladung brennt in einem Mörser – im Prinzip ein einfaches Rohr, das an einem Ende abgedichtet ist – ab, die Brenngase treten aus einem Mörser hinaus und schießen die Feuerwerksbombe hinauf.
Quantensprung: Kleinstmögliche Änderung eines Zustandes in einem physikalischen System
Oben am Himmel in 100 oder 200 Meter Höhe angekommen, zündet die Zerlegeladung, meist Schwarzpulver, das auf einem Trägermaterial aufgebracht ist. Diese Ladung zerlegt die Bombe in Einzelteile, zündet die Leuchtsterne und schleudert sie in alle Richtungen. Der wichtigste Bestandteil eines Feuerwerksspektakels ist Schwarzpulver: also eine Mischung aus 70 Prozent Salpeter, 18 Prozent Holzkohle und 12 Prozent Schwefel. In der Feuerwerksfabrik wird das Gemisch unter Zugabe von Wasser zwei bis drei Stunden lang vermischt. Dem explosiven Gemisch wird dann 24 Stunden lang Feuchtigkeit entzogen. Erst dann ist das Schwarzpulver einsetzbar.
Die Sterne in den Feuerwerksbomben zaubern die Farben an den Himmel. Um kleine Körner wird ein Klebstoff gelegt, die in den Chemikalien eingelagert sind. Diese chemischen Zusätze sind nach den Farben benannt, die dann bei der Explosion am Himmel zu sehen sind. Natrium oder Kryolith ergeben bei der Verbrennung gelbe Farben, Magnesium rote, Bariumnitrat zaubert grüne Farben, Silbereffekte werden mit Titan erzeugt. Die hohe Kunst der Feuerwerker liegt in der Zusammensetzung der chemischen Elemente: die genaue Berechnung, welche Farben bei welcher Verbrennungstemperatur entstehen.
Das Besondere an solchen Sternen: Sie können mehrere Farbschichten übereinander haben und so bei der Explosion beispielsweise erst in rot, dann in blau und kurz darauf in gelb erstrahlen. Nur wirklich runde Kugeln können verwendet werden, denn sonst könnten die von den Pyrotechnikern geplanten Formen und Effekte am Himmel nicht perfekt entstehen. Die letzte Schicht, die um diese Kugeln gelegt wird, ist Schwarzpulver.
Doch warum leuchten die Sterne gerade in diesen Farben? Die Antwort steckt in den Energieniveaus der Elektronen. Die umkreisen den Atomkern auf Bahnen in unterschiedlichen Abständen. Wird zum Beispiel ein Metallatom durch Hitze angeregt, so können Elektronen aus seiner Bahn herausgerissen werden. Beim Zurückspringen der Elektronen wird Energie frei – in Form eines kleinen Lichtblitzes. Licht in einer bestimmten Frequenz wird abgestrahlt – und damit auch in einer bestimmten Farbe. Diesen Augenblick nennen Physiker Quantensprung oder genauer: die kleinstmögliche Änderung eines Zustandes in einem physikalischen System.
Gigantische Feuerwerksspektakel lässt man gern in den Emiraten am Golf abbrennen
Die Sternenkugeln werden in einer Halbschale um einen Zünder gelegt. Daneben können noch Effekte für Geräusche und besondere Formen wie goldene Palmen eingebaut werden. Zwei auf diese Weise bestückte Halbschalen werden dann vorsichtig aufeinander gelegt und ein Zünder eingesetzt. Die beiden Halbkugeln werden miteinander fest verbunden, erst verschnürt, dann verklebt. Der Klebstoff, der dabei verwendet wird, besteht aus Mehl und Wasser. Der Feuerwerkskörper wird nun auf eine Halbschale mit Schwarzpulver gesetzt. Die Menge des Pulvers ist berechnet nach der Explosionshöhe und nach der Verbrennungstemperatur, die wiederum auch die Farbtöne bestimmt. Die Lunte ist aus Baumwolle gefertigt, die in Schwarzpulver getaucht wurde. Dann ist die Bombe fertig.
Jeder Arbeitsablauf in einer Feuerwerksfabrik ist gefährlich – Unfälle gibt es trotz hoher Sicherheitsstandards bei der Produktion immer wieder. Jedes Labor ist deshalb in einem eigenen Haus untergebracht, zwischen denen sich künstliche Hügel erheben. Jedes Gebäude ist mehrfach gegen Blitzeinschlag gesichert. Alle elektrischen Kabel wurden außen verlegt.
Allenthalben finden Feuerwerksfeste und Weltmeisterschaften der Feuerwerker statt, gigantische prächtige Shows. Geheimtipp sind die Herrenhäuser Gärten in Hannover. In diesem Jahr wird dort der 32. Internationale Feuerwerkswettbewerb ausgetragen. Er beginnt am 25. Mai mit einem Team aus Malaysia, im Juni aus Estland, im August aus Indien, im September aus Litauen und endet schließlich am 14. September mit einem slowakischen Team. Daneben gibt es landestypische Gastronomieangebote.
Gigantische Feuerwerksspektakel lässt man übrigens gern in den Emiraten am Golf abbrennen.
Die Natur liefert die Vorbilder für das Potpourri der feurigen Blumen, künstlichen Wasserfälle, Vulkaneruptionen, Mosaike und römischen Feuerspiele. Aus dem Feuerwerk, dem pyrotechnischen Spektakel, ist eine Kunst geworden, die auf chemische Verbindungen, Explosionen und Verbrennungstemperaturen basiert. Jedes Feuerwerk braucht eine ausgeklügelte Dramaturgie und Choreographie, an der Pyrotechniker schon Monate vor dem Spektakel arbeiten. Solche Spektakel ziehen hunderttausende von Besuchern an. Jeder Pyrotechniker versteht sich als Künstler mit einer großen Bühne. Für ihn geht es um neue Farben und Motive.
Etwa ein bis drei Stunden nach Ende des Feuerwerks sind die Feinstaub-Werte gesunken
Während weltweit lustvoll eindrucksvolle Spektakel an den Himmel gezaubert werden, tönt in Deutschland unisono: verbieten, verbieten, verbieten. Vor allem die private Jahresendböllerei ist schon seit Jahren im Visier. Das Muster ist immer dasselbe: Tibetanischen Gebetsmühlen gleich schwappen vor Silvester NGO-Phrasen übers Land. Die Feuerwerke an Silvester vergiften, die Feinstaubbelastung sei zu hoch, Tausende von vorzeitigen Toten drohten durch den »Gold Blauer Himmel«, oder durch das »Wolfdog 130-Schuss-Verbundfeuerwerk« oder durch den »Beast of Burden / Powerbox 1 Next Generation« oder gar durch die alten Wunderkerzen.
Doch der Blick in die Statistiken des Umweltbundesamtes zeigt: Der Feinstaubanteil steigt zwar zum Jahreswechsel wie zu erwarten durch explodierende Knallkörper ein wenig an. Doch ähnlich schnell verteilen sich die Partikel wieder. Etwa ein bis drei Stunden nach Ende des Feuerwerks sind die Werte wieder drastisch nach unten gegangen. Von „hochbelasteten Innenstädten“ kann angesichts der Daten keine Rede sein. Gut, in Orten der Verwahrlosung wie in Berlin-Kreuzberg oder Neukölln sieht das möglicherweise anders aus, wenn Auto- und Mülltonnenbrände dazukommen.
Der Feinstaub konzentriert sich auf die Orte, an denen Feuerwerke abgebrannt werden; die Werte sinken außerhalb schnell ab, auf dem Land zeigen die Daten kaum Feinstauberhöhungen aus Silvesterknallern. Trotz Feuerwerk werden die Tagesgrenzwerte an den meisten Orten in Deutschland nicht überschritten. Die Rückstände von Feuerwerkskörpern sind vollkommen anders zusammengesetzt als die von Verbrennungsprozessen. Hier sind es Rußteilchen mit Kondensaten, dort bei Feuerwerkskörpern bleiben lösliche Salze übrig. Salzstaub ist harmlos, es handelt sich um wasserlösliches Kaliumsulfat und Kaliumcarbonat. Es werden keine schwermetallhaltigen Salze bei der Zusammenstellung der Feuerwerkskörper verwendet. Die müssen in ihrer Zusammensetzung übrigens zugelassen werden.
Nicht schädlich dagegen ist wasserlöslicher Salzstaub, wie er bei einem Feuerwerk entsteht. Sonst müsste der Aufenthalt in salzhaltiger Luft am Meer oder das Streuen von Salz im Winter verboten werden.
Als Verbrennungsprodukt des Schwarzpulvers sind im Rauch Kaliumsulfat, das auch als Dünger dient, und Kaliumcarbonat enthalten, also Pottasche, wie sie als wichtiger Bestandteil in Pflanzenasche vorkommt. Die Umhüllungen bestehen übrigens meist aus Recycling-Pappe und Papier, von denen Papierfetzen übrig bleiben. Feuerwerksbatterien, die beim Silvesterfeuerwerk beliebter werden, lassen sich im Altpapier entsorgen.
Alle Feuerwerkskörper, die hierzulande verkauft werden, sind von der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung untersucht worden. Dazu gehören eine Stunde mechanisches Rütteln auf einem Rütteltisch, 48 Stunden warmlagern bei 75 Grad und Auseinandernehmen zum Prüfen, ob die zulässigen Massen eingehalten wurden, sowie schließlich das Anzünden auf einem Sprengplatz.
Dem Philosophen und Soziologen Theodor Ludwig Wiesengrund Adorno wird der Satz über die himmlischen Shows zugeschrieben: »Die Feuerwerke sind die perfekteste Kunstform. In dem Moment, wo sie am schönsten ist, entzieht sie sich dem Blick der Zuschauer.«