Justizminister Marco Buschmann (FDP) hat ein Hobby. Er sammelt Zeitungsausschnitte, in denen er gut wegkommt. Stolz wie ein Schulbub präsentiert er sie auf Twitter. Oft kommt das nicht vor. Aber die Mitarbeiter von der Augsburger Allgemeinen haben das Herz des Politikers erreicht, indem sie ihn einen „Freiheitskämpfer“ genannt haben. Der Justizminister wollte offensichtlich gerne von sich selbst glauben, dass er das tatsächlich ist.
Jetzt haben FDP, SPD und Grüne die deutsche Version des „Hinweisgeberschutzgesetzes“ vorgelegt. Und es zielt vor allem auf den öffentlichen Dienst: „Wer verfassungsfeindliche Äußerungen von Beamtinnen und Beamten meldet, soll künftig unter den Hinweisgeberschutz fallen und somit vor Repressalien geschützt sein“, lautet gleich der erste Satz in der Meldung, mit der die Bundestagsverwaltung über das Gesetz berichtet. Die Möglichkeit zur anonymen Denunziation soll ebenfalls bestehen – auch wenn die Äußerung des Zielobjekts „unterhalb der Strafbarkeitsschwelle“ liege.
Wer als Beamter künftig sagt, die Grünen seien wegen ihrer Energiepolitik nicht mehr wählbar. Marco Buschmann sei gar kein Freiheitskämpfer. Oder er sei gespannt, wie sehr Kanzler Olaf Scholz (SPD) in die Cum-ex-Affäre verstrickt sei, der muss mit einer anonymen Anzeige rechnen. Egal, wie es ausgeht: Der anonyme Denunziant ist fein raus. Den beschuldigten Beamten indes kann es seine Karriere, also seine wirtschaftliche Existenz kosten.
Lange hat die Bundesregierung das „Hinweisgeberschutzgesetz“ verbummelt. Nach Faesers Talkshow-Offensive ging es plötzlich schnell mit dem Gesetz – und stellten SPD, Grüne und die liberalen Freiheitskämpfer den öffentlichen Dienst in den Mittelpunkt des Vorhabens. Durch den Rechtsausschuss hat die Rechtsstaats-Koalition das Gesetz schon durchgepeitscht. Beamte müssen nun nicht nur damit rechnen, für Äußerungen während der Arbeit denunziert zu werden. Äußern sie sich in Chats negativ – auch unterhalb der Strafbarkeitsgrenze – kann es ebenfalls zum Rauswurf führen. Selbst eine falsche „Gebärde“ kann diesen Effekt auslösen.
Behörden und Unternehmen mit mehr als 50 Mitarbeitern sollen laut dem Gesetzentwurf Meldestellen einrichten. Kommt ein Vorwurf, egal wie real oder hanebüchen der ist, muss die Meldestelle diesem nachgehen. „Dafür sollen die Meldestellen entsprechende Vorkehrungen treffen, um auch eine anonyme Kommunikation zwischen Hinweisgebenden und Meldestellen zu ermöglichen“, berichtet der Bundestag. Der anonyme Denunziant kann also permanent nachlegen, ohne seine Identität preiszugeben – oder irgendwelche Folgen für sich zu riskieren.
David Werdermann von der Gesellschaft für Freiheitsrechte kritisiert, dass der Whistleblower-Schutz im öffentlichen Dienst „weitgehend ausgehöhlt“ zu werden drohe, da als Verschlusssache deklarierte Dokumente nicht verwertet werden könnten. Whistleblower heißt auf Deutsch Hinweisgeber oder halt Denunziant. Werdemann möchte den Hinweisiantenschutz auch auf das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz anwenden. Käme das, würde einem Beamten schon die Entlassung drohen, wenn er sagt, dass ein Mann und eine Frau ein Kind zeugen. Louisa Schloussen von Transparency International fordert, dass auch Anzeigen bei der Staatsanwaltschaft anonym erstattet werden können. Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände stimmt mit den NGO überein und hat grundsätzlich nichts gegen das Gesetz, möchte aber, dass die Betriebe die anonymen Hinweise erst mal selbst aufarbeiten.
Das letzte Wort gehört Freiheitskämpfer Buschmann selbst: „Beschäftigte in Unternehmen und Behörden nehmen Missstände oftmals als erste wahr und können durch ihre Hinweise dafür sorgen, dass Rechtsverstöße aufgedeckt, untersucht, verfolgt und unterbunden werden“, sagte der Ausschnitt-Sammler im Handelsblatt. Damit übernähmen sie Verantwortung für die Gesellschaft und verdienten daher Schutz vor Benachteiligungen. Die Möglichkeit, dass Kollegen das Gesetz missbrauchen könnten, um anderen Kollegen eins überzubraten, kommt dem Liberalen nicht in den Sinn. Zwar sieht Buschmanns Gesetzentwurf vor: „Der Hinweisgeber ist zum Ersatz des Schadens verpflichtet, der aus einer vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Meldung oder Offenlegung unrichtiger Informationen entstanden ist“, heißt es im Gesetzentwurf. Nur wie das bei anonymen Anzeigen geahndet werden soll, sagt der Justizminister nicht.