Tichys Einblick

FDP: Migrationswende fordern, aber in der Ampel bleiben

Die FDP regt nun vieles an, von dem sie aber wenig in letzter Konsequenz wird umsetzen können. Entsprechend hohl klingen weite Teile des Migrationspapiers, eines Papiers, in dem mit Blick auf mögliche Problemlösungen noch immer von „prüfen“ die Rede ist – so als hätten die Freidemokraten nicht genug Zeit gehabt, genau dies längst zu tun.

picture alliance/dpa | Fabian Sommer

Eine „neue Realpolitik in der Migration“ und eine „Migrationswende“ – nicht weniger als das verspricht die FDP in einem neuen Positionspapier, das die Bundestagsfraktion gerade auf ihrer Herbstklausur in Hamburg beschlossen hat. Auf 23 Seiten rattern die Freidemokraten eine Maßnahme nach der anderen herunter. Zentrales Motto: „Wir wollen Einwanderung in den Arbeitsmarkt, nicht in die sozialen Sicherungssysteme.“

Es ist der verzweifelte Versuch, sich im neuen migrationspolitischen Überbietungswettbewerb nicht von der Union abhängen zu lassen. Dabei lässt das Papier für sich genommen durchaus aufhorchen. Einige ausgewählte Forderungen:

Mit diesem Konzept bedienen sich die Liberalen eifrig im Instrumentenkasten der AfD. Die Forderung, Flüchtlinge bereits an der Grenze zurückzuweisen, liefe beinahe auf einen Aufnahmestopp hinaus, da gemäß Dublin-Verordnung der Vertragsstaat für die Durchführung eines Asylverfahrens zuständig ist, den ein Migrant als erstes betreten hat – Ausnahmen vorbehalten.

Garniert wird der Maßnahmenkatalog dieser Tage mit deftigen Wortmeldungen aus der Parteispitze. So hatte Parteichef und Finanzminister Christian Lindner nach dem Wahldesaster der in Sachsen und Thüringen zu Wochenbeginn formuliert, die Leute hätten „die Schnauze voll davon, dass dieser Staat möglicherweise die Kontrolle verloren“ habe bei der Migration. Im Interview mit der ARD legte er nun nach: Er könne „die Naivität kaum mehr ertragen“.

Das Problem: Die Liberalen haben ein massives Glaubwürdigkeitsdefizit, aus dem ihnen auch das neue Migrationspapier nicht heraushelfen wird. Gerade erst bescheinigt der neue ARD-DeutschlandTREND der FDP katastrophale Kompetenzwerte im Bereich der Asyl- und Flüchtlingspolitik. Demnach trauen ihr nur zwei Prozent der Deutschen am ehesten zu, die Aufgabe zu lösen – und das, obwohl es sich um eine Regierungspartei handelt.

Vielleicht aber auch gerade deswegen. Denn seit 2021 hat sich die FDP in einer Ampelkoalition gebunden, die im migrationspolitischen Wolkenkuckucksheim lebt. Von ihr aktiv mitgetragene Maßnahmen wie der „Spurwechsel“ oder die Beschleunigung der Einbürgerungen haben das Bild von Deutschland als einem migrationspolitischen Utopia noch verstärkt, anstatt es zu relativieren. Trotzdem lohnen die Liberalen diese Schritte auch im aktuellen Migrationspapier nach wie vor.

Hinzu kommt: In den Einlassungen zahlreicher Grüner in den vergangenen Tagen hat sich aufs Neue gezeigt, dass mit den Grünen eine echte „Migrationswende“ nicht zu machen ist. Die Liberalen finden dennoch nicht die Kraft, sich aus der linken Umklammerung zu befreien.

Es ist wie in einer toxischen Beziehung: Eigentlich wissen alle, dass sich die FDP von den Grünen lossagen müsste. Gleichzeitig ist jedem klar, dass ihr bei Neuwahlen der Absturz unter die Fünf-Prozent-Hürde droht. Also wurschteln die Freidemokraten weiter in ihrer zerrütteten Ehe vor sich hin. Wolfgang Kubickis gerade erst wieder vorgetragene Drohung, die Koalition noch in diesem Jahr aufzukündigen, wenn es in der Migrationsfrage keine Bewegung gebe, nimmt keiner mehr Ernst.

Die Folge ist offensichtlich: Die FDP regt nun vieles an, von dem sie aber wenig in letzter Konsequenz wird umsetzen können. Entsprechend hohl klingen weite Teile des Migrationspapiers, eines Papiers, in dem mit Blick auf mögliche Problemlösungen noch immer von „prüfen“ die Rede ist – so als hätten die Freidemokraten nicht genug Zeit gehabt, genau dies längst zu tun.

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