Noch am vergangenen Samstag rühmte sich Bundeskanzlerin Angela Merkel beim Wahlkampfauftakt der CDU für die neuverschuldungsfreien Jahre ab 2014. Sie sah den Verzicht auf zusätzliche Schulden offensichtlich als eine Art Schwungnehmen für das, was jetzt kommt: Gigantische Finanzierungsdefizite des deutschen Staates, die durch Rekordschulden gestopft werden müssen. („Das alles, was wir in der Pandemie leisten konnten und jetzt auch in der Flutkatastrophe zum Beispiel, das ist nur möglich, weil wir viele Jahre dafür gesorgt haben, dass solide gewirtschaftet wurde“).
Heute also meldet das Statistische Bundesamt: „Staatsdefizit im 1. Halbjahr 2021 beträgt 80,9 Milliarden Euro“. Wohlgemerkt, dieses Defizit betrifft nur das erste Halbjahr. Gemessen am Bruttoinlandsprodukt (BIP) in jeweiligen Preisen errechnet sich für das 1. Halbjahr 2021 eine Defizitquote von 4,7 Prozent.
Man muss sich angesichts der oben zitierten Kanzlerworte klar machen, wie die Staatsfinanzen wirklich stehen: Das vermeintliche solide Wirtschaften der Vorjahre hat nicht Reserven geschaffen, von denen der Staat jetzt die enormen Ausgaben für die Kompensation der Corona-Einbußen bezahlen könnte. Wenn das so wäre, wär das Defizit schließlich nicht derart gigantisch.
„Die Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie belasten die Staatsfinanzen weiterhin stark. Sie haben zum zweithöchsten Defizit in einer ersten Jahreshälfte seit der deutschen Vereinigung im Jahr 1991 geführt“, sagt Stefan Hauf, Leiter der Gruppe „Nationaleinkommen, Sektorkonten, Erwerbstätigkeit“ im Statistischen Bundesamt. „Ein höheres Defizit gab es nur im 1. Halbjahr 1995, als die Treuhandschulden in den Staatshaushalt übernommen wurden“, erläutert Hauf weiter.
Das Ausmaß des Defizits zeigt eben, dass sich der Staat eigentlich keine Krisen wie Corona oder auch die Flutkatastrophe leisten kann, ohne den Schuldenstand enorm zu erhöhen. Und wohlgemerkt: Der Staat hat in diesem Halbjahr keineswegs weniger eingenommen als zuvor, sondern 3,1 Prozent mehr als im ersten Halbjahr 2020. Und er nahm es vor allem von den Steuerzahlern, die dem Staat 4,3 Prozent mehr zahlten. Von Entlastung also keine Spur! Das gigantische Defizit ist allein durch die enormen Ausgabensteigerungen um 6,9 Prozent bewirkt.
„Zum Anstieg der Ausgaben des Staates trugen maßgeblich die Ausgaben für Corona-Überbrückungshilfen, für Ausgleichszahlungen an Krankenhäuser, für Impfstoffe und Schutzausrüstung sowie für Kurzarbeitergeld und Kinderbonus bei“, heißt es bei Destatis. „Diese Maßnahmen spiegeln sich im Anstieg der Subventionen (+44,4 %), der Vorleistungen (+6,6 %) und der monetären Sozialleistungen (+6,2 %) wider. Die Zinsausgaben des Staates waren dagegen weiter rückläufig und sanken um 10,7 %. Die Bruttoinvestitionen des Staates waren um 2,7 % niedriger als im 1. Halbjahr 2020.“