Die Bundesregierung hat eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zum Familiennachzug von Flüchtlingen und Migranten innerhalb eines Monats umgesetzt. Dazu soll ein neues Referat zum Familiennachzug im Bundesamt für Auswärtige Angelegenheiten eingerichtet werden. Das Außenamt scheint dankbar für die Klärung des Sachverhalts durch den EuGH. Es geht um derzeit 330 Verwaltungsverfahren und 250 Streitverfahren, die der Fallkonstellation aus dem Urteil entsprechen.
Am 1. August hatte der Luxemburger Gerichtshof geurteilt, dass „ein Kind jedenfalls dann als minderjährig anzusehen ist, wenn es nach Stellung des Asylantrages, aber vor Stellung des Visumantrags volljährig geworden“ ist. In dem Urteil des EuGH geht es also um jene Zweifelsfälle, wo ein (vermeintlich) minderjähriger Migrant in Deutschland einen Asylantrag stellt und kurz darauf in jedem Fall volljährig wird.
Genauso können künftig auch junge Erwachsene in Herkunfts- oder Transitländern, die bei Antragstellung (laut Selbstaussage) noch minderjährig waren, ihren Eltern nach Deutschland folgen. Beide Fälle kommen durchaus öfter vor, wie man sich vorstellen kann. Zum Teil wurde gar gemutmaßt, das „Vorschicken“ der vermeintlich minderjährigen jungen Männer sei ein Trick, um den Familiennachzug in Gang zu setzen. Eine Altersfeststellung – etwa durch Röntgen der Fingerknochen – wird in Deutschland rechtlich nicht zugelassen, weil es einen Eingriff in die körperliche Unversehrtheit darstelle.
Linkspartei: Flüchtlingskinder rechtswidrig von Eltern getrennt
„Eltern volljähriger Kinder und volljährig gewordene Kinder werden nach dieser Entscheidung ein Recht auf einen Aufenthaltstitel von mindestens einjähriger Dauer haben“, erläuterte Constantin Hruschka, Research Fellow am Max-Planck-Institut für Sozialrecht und Sozialpolitik, das Urteil. Hruschka erwartet, dass das Bundesverwaltungsgericht weitere Fragen an den EuGH stellt, etwa die nach einem „vom Einreisegrund unabhängigen Aufenthaltsrecht“ für die nachziehenden Eltern und Kinder: „Es spricht viel dafür, dass der EuGH dann erneut restriktive Tendenzen der deutschen Praxis wird korrigieren müssen.“
Die Verwendung des Terminus „Flüchtlingskinder“ wird hier in mehrerer Hinsicht überdehnt. Zunächst handelt es sich eben nach Stand der Verfahren nicht mehr um Kinder, zum anderen geht es keineswegs nur um echte „Flüchtlinge“ gemäß dem von deutschen Behörden vergebenen Status. Auch andere Schutztitel berechtigen zu den gleichen Anträgen auf Familiennachzug. Von Restriktionen keine Spur.