Kritik akzeptieren, Fehler zugeben, sich selbst korrigieren – das sollte eigentlich nicht nur für Journalisten selbstverständlich sein, sondern für alle Menschen. Insofern ist es eigentlich nicht besonders erwähnenswert, dass auch die Redakteure vom ZDF eine kleine Nische ihres Online-Angebots für Korrekturen in eigener Sache reserviert haben. Aber die jüngste Korrektur dort ist es doch.
Über den Korrekturen steht ein Text von Chefredakteur Peter Frey persönlich, der mit dem Satz beginnt: „Wer 24 Stunden am Tag sendet, online wie im TV, dem unterlaufen trotz aller Anstrengungen von Redaktion und Korrespondenten auch Fehler.“ Heißt das etwa, dass Kollegen, die nur 12 Stunden am Tag liefern, keine Fehler machen? Es ist es nicht sehr elegant und schon gar nicht souverän, eine Selbstkritik mit einem Eigenlob als Ausrede zu beginnen. Freys zentraler Satz – optisch auch hervorgehoben – jedenfalls lautet: „Wir glauben, dass Transparenz das beste Gegenmittel gegen Verschwörungstheorien und Manipulationsvorwürfe ist.“
Nun ja, die Manipulationsvorwürfe gegen das ZDF und andere Medien rühren allerdings nicht daher, dass dem ein oder anderen übermüdeten Redakteur, der um drei Uhr morgens eine Nachricht auf der ZDF-Website veröffentlicht, mal ein Zahlendreher passiert. Es geht da wohl eher um Fälle, wie den, der in der jüngsten der „Korrekturen“ angeführt ist:
Diese Korrektur, die sich um das kleine aber zentrale, weil wertende Wörtchen „nur“ dreht, das da in die Übersetzung eingefügt wurde, wirft mehr Fragen auf, als sie Antworten gibt. Unter anderem: Warum die umständliche Wiedergabe der Meldung über ein englisches Fußballspiel? Könnte es sein, dass über dieses Spiel nicht nur berichtet wurde, weil der deutsche National-Spieler Leroy Sané hier „sein Comeback nach langer Verletzungspause feierte“, sondern weil das ZDF eben auch das senden wollte, wozu man dann die Korrektur veröffentlichte? Englische Premier-League-Spiele haben schließlich sonst nicht unbedingt höchste Nachrichten-Priorität in deutschen Fernsehsendern – auch wenn ein Deutscher eingewechselt wird.
Soll man wirklich annehmen, dass die Redakteure der heute-Sendung des Englischen so wenig mächtig sind, dass ihnen bei einem derart simplen 3-Wort-Satz aus Versehen ein sinnverzerrendes zusätzliches „Nur“ in die Übersetzung rutschte? Und warum können oder wollen sie selbst in der nachträglichen Korrektur nicht wörtlich übersetzen, sondern verzerren erneut? „White Lives Matter“ heißt schlicht und einfach „Weiße Leben zählen“ oder „Weiße Leben sind wichtig“. Falls die diensthabenden ZDF-Redakteure des Englischen nicht ausreichend mächtig gewesen sein sollten und den Unterschied zwischen einem Adjektiv und einem Nomen im Genetiv nicht kennen, hätte sicher eine simple Eingabe in einen Online-Übersetzungsdienst genügt, um eine korrekte Übersetzung hervorzubringen – oder eben ein Blick auf die eigene „Korrekturen“-Website.
Die von Frey versprochene Transparenz bieten seine Korrektoren also hier gerade nicht. Das ZDF gibt zu, dass die Übersetzung falsch war. Aber das ist sowieso unbestreitbar. Ein von Peter Frey versprochener „Beitrag zur Offenheit gegenüber dem Beitragszahler und zur internen Fehlerkultur“, wäre eine glaubwürdige Erklärung gewesen, warum ZDF-Redakteure diesen einfachen Satz, den jeder halbwegs fremdsprachenbegabte Fünftklässler korrekt übersetzen kann, sinnverzerrend falsch wiedergaben.
Man vermisst hier aber nicht nur Transparenz, sondern etwas, das für seriösen Journalismus noch wichtiger ist: die Einordnung einer Nachricht in den Kontext. Das Banner über dem Stadion von Burnley verstehen britische Medien als eine Reaktion auf die Tötung dreier weißer schwuler Männer durch Messerstiche eines libyschen Asylsuchenden in Reading am 21. Juni. Während die Fußballer des FC Burnley im Sinne der „Black Lives Matter“-Bewegung nach dem Tod von George Floyd wie so viele andere auf die Knie gegangen waren, ist von ähnlichen Gesten für die drei Opfer von Reading nichts bekannt. Schon am Abend des 23. Juni hatte die zuständige Polizeibehörde von Lancashire bekannt gegeben, dass es keine Erkenntnisse über kriminelle Handlungen im Zusammenhang mit dem Vorfall gebe. Das Flugzeug war offenbar von einer Gruppe von Burnley-Fans gemietet worden. Einer von ihnen, der sich im Internet zu der Aktion bekannte, ist auf einem Foto in britischen Websites auch zusammen Tommy Robinson, dem früheren Anführer der als rechtsradikal geltenden „English Defence League“ zu sehen. All das jedoch erfährt man in der heute-Sendung weder vor noch nach der Korrektur. Und auf der „Korrekturen“-Website auch nicht.
Freys „Gegenmittel gegen Verschwörungstheorien und Manipulationsvorwürfe“ jedenfalls fehlt offensichtlich noch der entscheidende Wirkstoff.