„Der rechte Blogger hatte uns verklagt, weil er uns unsere Faktenchecks verbieten wollte“, behauptete die Plattform „Correctiv“ im November 2019 über eine Klage von TE. Was war passiert? „Tichys Einblick“ hatte sich dagegen gewehrt, dass ein Artikel des Mediums auf Facebook von Correctiv als „teilweise falsch“ abgestempelt wurde. Die erste Runde des Verfahrens vor dem Landgericht Mannheim ging zugunsten von Correctiv aus. TE wird wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Frage, was ein Medienunternehmen auf Facebook darf, in die nächste Instanz gehen. Jetzt liegt das schriftliche Urteil des Landgerichts vor. Und das enthält – obwohl die Richter nach umfangreicher Abwägung anders entschieden – eine Reihe von Feststellungen, die die Position von TE stützen.
„Die Praxis bei Facebook, die zB “Correctiv” weitreichende Befugnisse der Stigmatisierung und Diskriminierung erlaubt, ist vergleichbar mit der Situation, dass ein Medium auf dem Titelblatt eines Konkurrenten einen Sticker anbringen lässt, mit dem vor der Lektüre gewarnt und dazu aufgefordert wird, stattdessen das eigene Konkurrenzmedium zu lesen. Im Printbereich wäre eine solche Praxis – etwa dass “Focus”-Mitarbeiter während der Auslieferung des „SPIEGEL“ einen “Focus”-Sticker auf dessen Titelseite aufkleben, oder umgekehrt – kaum denkbar. Im digitalen Bereich ist genau dies “Correctiv” u.a. aufgrund der Kooperation mit Facebook möglich. Damit wird der Bereich der Auseinandersetzung mit publizistischen Mitteln überschritten und man bedient sich unlauterer Geschäftspraktiken. Correctiv bedient sich dabei der strukturellen Überlegenheit eines Monopolisten, die den ‚Geprüften‘ nicht zur Verfügung steht. Die Meinung von Correctiv ist damit privilegiert. Ein Verstoß gegen Art. 5 GG und gegen den Gleichheitsgrundsatz aus Art. 3 GG.“
Correctiv wurde 2014 gegründet und mit einer Anschubfinanzierung von drei Millionen Euro ausgestattet, unter anderem von der Brost-Stiftung – geführt von dem ehemaligen SPD-Politiker und Ex-Kanzleramtschef Bodo Hombach. Außerdem erhält sie Fördergelder von der Rudolf-Augstein-Stiftung und der Open Society Foundation des Milliardärs George Soros. Als Medium arbeitet Correctiv bei bestimmten Recherchen auch mit dem ZDF zusammen.
Seit 2017 kooperiert Correctiv auch mit Facebook: es versieht in dessen deutschsprachigem Teil im offiziellen Auftrag des Netzwerks Postings, die nach Ansicht der Correctiv-Mitarbeiter nicht korrekt sind oder in der politischen Ausrichtung als ungebührlich eingeordnet werden, mit dem Stempel „falsch“ beziehungsweise „teilweise falsch“. Ursprünglich hatte Correctiv-Mitgründer David Schraven behauptet: „Wir arbeiten auf Facebook, nicht für Facebook.“ Inzwischen räumt Correctiv ein, dass Facebook für die „Faktencheck“-Dienstleistung bezahlt. Bei der Gründung von Correctiv hatten Schraven und seine Mitstreiter auch völlige Transparenz versprochen; alle Geldflüsse sollten öffentlich nachprüfbar sein. Auch daran hält sich Correctiv nicht mehr. Welche Summe die Plattform von Facebook erhält, verrät sie nicht.
Um welchen TE-Artikel geht es in dem Rechtsstreit?
Es gibt zwar Gründe, die gegen diese Einschätzung von Correctiv sprechen. Trotzdem hat TE nichts dagegen, siehe oben, dass Correctiv das meint, und diese Meinung auf der eigenen Webseite oder bei Facebook verbreitet.
Die Faktenchecker – und dagegen richtet sich die Klage – sollen sich nur nicht ungefragt an einen Facebook-Post von TE anhängen und damit von der TE-Reichweite profitieren dürfen. Correctiv ist ein Medium, also ein Wettbewerber von TE, das aber von Facebook das Sonderrecht erhalten hat, wie eine vermeintlich neutrale, mit fast richterlichen Befugnissen ausgestattete Instanz über andere Wettbewerber zu urteilen. TE klagte deshalb also nicht gegen die Äußerung von Correctiv, sondern machte einen wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch geltend.
Interessanterweise stellte das Landgericht Mannheim fest, der „Faktencheck“ durch Correctiv sei überwiegend „als Stellungnahme des Dafürhaltens und Meinens als wertend und daher als Meinungsäußerung anzusehen“. Correctiv selber räumte im Prozess ein, dass es sich um eine reine Wertung handele, die auch durch die Formulierung „Faktencheck“ nicht zur Tatsachenbehauptung werde. Correctiv checkte also zumindest in dem konkreten Streitfall gar keine Fakten, sondern verbreitet, privilegiert durch Facebook, seine Meinung.
Die Richter urteilten außerdem, Correctiv bewege sich – da es nicht als neutraler Dritter agiere, sondern gegen Geld für Facebook – in einem „Grenzbereich“, wenn es darum gehe, andere Medien zu kritisieren. Das Gericht sieht auch durchaus einen Eingriff in die Rechte von TE – zum einen dadurch, dass sich Correctiv an die TE-Facebook-Veröffentlichungen anhängt und damit seine Meinung jedem Nutzer aufdrängt, zum anderen, weil Facebook die Reichweite des auf diese Weise stigmatisierten Posts beschränkt:
„Die Klägerin wird vorliegend durch den Faktencheck in ihrem Recht aus Art. 12 Abs. 1 S. 1 GG und als Medienunternehmen ebenso in deren Grundrechtsposition aus Art. 5 Abs. 1 GG betroffen und in ihren Werbemöglichkeiten und auch in der Reichweite ihrer Werbung eingeschränkt. Wie bereits dargelegt trifft die streitgegenständliche unmittelbare technische Verknüpfung des Ergebnisses des Faktenchecks mit dem Beitrag der Klägerin, und insbesondere im Rahmen der Einwirkung auf den zum Teilen des Beitrags bereiten Nutzer, die Klägerin in ihrer Werbung auf Facebook für ihren Artikel nicht unerheblich. Ohne Weiteres kommt damit – und es wird durch Vorlage der Ziele von Facebook auch glaubhaft gemacht, dass dies sogar Ziel des Faktenchecks sei – in Betracht, dass die Reichweite der klägerischen Werbung erheblich eingeschränkt wird.“
„Wie oben dargelegt, entspricht es legitimen, auch europarechtlich determinierten Zielen von Facebook, als Medienintermediär auf dessen Plattform die öffentliche Meinungsbildung nicht durch die Erzeugung von „Filterblasen“ zu beeinträchtigen, sondern bei Inhalten, bei denen dies möglicherweise in Betracht kommt, geeignete und verhältnismäßige Maßnahmen in dem von ihr zur Verfügung gestellten öffentlichen Kommunikationsraum dagegen zu ergreifen.“
Weil Facebook praktisch ein Monopol auf dem Gebiet der sozialen Medien darstelle, bekomme ein solcher Kampf gegen „Filterblasen“ auch einen übergeordneten Stellenwert:
„Dies gilt gerade weil Facebook angesichts seiner Bedeutung als jedenfalls markt- stärkstes soziales Netzwerk als zum Zweck des gegenseitigen Austausches und der Meinungsäußerung eröffnetes, nicht ohne weiteres austauschbares Medium von besonderer Bedeutung und daher nicht ohne Weiteres substituierbar ist.“
Also: Gerade weil Facebook nach Einschätzung des Bundeskartellamtes wie vieler deutscher Gerichte ein faktisches Monopol besitzt, darf es mit Hilfe eines anderen Medienunternehmens den Veröffentlichungen von dessen Wettbewerbern eine Art Prüfstempel aufdrücken, auch, wenn dadurch das Wettbewerbsrecht leidet. Die FAZ spricht in einem Beitrag zu dem Rechtsstreit deshalb mit spöttischem Unterton von „Pluralismuspflicht ohne Gesetz“.
Zu einem interessanten Punkt äußert sich das Gericht nicht: Müsste es dann nicht – wenn das Ziel wirklich darin besteht, „Filterblasen“ auf Facebook zu bekämpfen – wenigstens mehrere Unternehmen von unterschiedlicher politischer Ausrichtung geben, die dort ihre Kommentare und Meinungen zu anderen verbreiten? Das Problem besteht ja nicht nur in der Machtstellung von Facebook, sondern darin, dass es keine rechtes und keinen liberales Korrektiv zu der weit links stehenden Correctiv-Plattform engagiert.
Die Quintessenz des Mannheimer Urteils lautet also: eigentlich sind alle Medienunternehmen gleich – aber einige eben gleicher.
Die nächste Instanz wird also gar nicht mehr entscheiden müssen, ob das privilegierte Stempelaufdrücken von Correctiv auf Facebook in das Wettbewerbsrecht eingreift. Das haben die Richter in Mannheim schon bejaht. Es geht um die Frage: Gibt es tatsächlich ein höheres Rechtsgut, das einen solchen Eingriff rechtfertigt?
Wegen dieser grundlegenden Frage wird TE das Verfahren weiter führen.