In schönstem Beamtendeutsch heißt das Papier „Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Rückführung (Rückführungsverbesserungsgesetz)“. Das Bundeskabinett hat den Referentenentwurf schon beschlossen und an den Bundestag geschickt.
Das lief glatt und geräuschlos, auch in der öffentlichen Wahrnehmung – vielleicht, weil ein bedeutender Passus nicht nur versteckt, sondern auch so technisch formuliert ist, dass er allgemein zunächst gar nicht aufgefallen war: Ohne weitere Begründung steht in dem Entwurf, dass in § 96 des Aufenthaltsgesetzes „Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe a Nummer 2, Absatz 2 Satz 1 Nummer 1, 2 und 5“ ersetzt werden durch „Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 und 2, Satz 2, Absatz 2 Satz 1 Nummer 1, 2, 3, 5 und 6, Satz 2“.
In normales Deutsch übersetzt, bedeutet die Änderung, dass die deutschen sogenannten „Seenotretter“ künftig wie Schleuser vor Gericht gestellt werden können.
Bisher werden in Deutschland nur gewinnorientierte Schleuser strafrechtlich verfolgt: Wer dafür „einen Vorteil erhält oder sich versprechen lässt“, steht wörtlich im Gesetz – anders: wenn man Geld dafür nimmt. Künftig soll sich dagegen auch strafbar machen, wer „wiederholt oder zugunsten von mehreren Ausländern“ anderen dabei hilft, ohne Visum in die EU einzureisen – anders: auch, wenn man kein Geld dafür nimmt.
Das zielt klar auf Organisationen wie Mission Lifeline, Sea-Watch und SOS Humanity. Die sammeln massenweise, aber unentgeltlich (von Baerbocks Zuschüssen abgesehen) Flüchtlinge aus Afrika im Mittelmeer ein und bringen sie nach Europa. Dabei gibt es seit langem den Verdacht, dass einige „Seenotretter“ mit Menschenschleusern zusammenarbeiten.
Die vom Flüchtlingsstrom aus dem Mittelmeer besonders betroffenen Länder Griechenland und Italien gehen schon länger gegen die „Seenotretter“ vor. Athen bestraft sogar Migranten, die selbst ein Boot steuern – weil sie dadurch anderen bei der illegalen Einreise helfen. Rom hat zuletzt das Schiff „Iuventa“ der deutschen Organisation „Jugend Rettet“ beschlagnahmt.
Bei uns ging all das bisher nicht. Der Vorschlag aus dem Hause Faeser hat – wenig überraschend – das Zeug, den nächsten handfesten Krach in der Ampel auszulösen. „Ich erwarte von Ministerin Faeser, diese Verschärfung zurückzunehmen. Ein Angriff auf Retterinnen und Retter ist inakzeptabel“, sagt der grüne Bundestagsabgeordnete Julian Pahlke. Er war selbst bis 2019 Vorstand bei „Jugend Rettet“, vier seiner deutschen Mitstreiter warten gerade in Italien auf ihren Prozess.
Dass es auch in Deutschland zu etwas kommt, ist allerdings – trotz des Gesetzentwurfs – wohl eher unwahrscheinlich. Angesichts des heraufziehenden Koalitionskrachs scheint Faeser schnell den geordneten Rückzug anzutreten.
Das Treiben der „Seenotretter“ sei „als gerechtfertigt anzusehen, um Gefahren für Leib und Leben abzuwenden“, erklärte das Innenministerium auf Nachfrage der Süddeutschen Zeitung. Eine Strafbarkeit von privaten Seenotrettern sei keineswegs beabsichtigt.