Die Sorgen brechen gerade im Dutzend aus der Innenministerin heraus. Erst warnte sie vor Terroranschlägen im Advent und auf Weihnachtsmärkte. Nun hat sie gerade noch rechtzeitig die Silvesterfeiern in Neukölln, dem Ruhrgebiet und anderen Ballungszentren in den Blick genommen. Von dort erwartet sich Nancy Faeser (SPD) neue Krawalle, vor allem gegen Ordnungskräfte, Feuerwehr und Sanitäter: „Ich habe die Sorge, dass Silvester wieder ein Tag sein könnte, an dem wir in manchen Städten blinde Wut und sinnlose Gewalt zum Beispiel gegen Polizisten oder Rettungskräfte erleben müssen.“ So gesagt gegenüber dem ihr freundlich gesinnten Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Die Polizei, plaudert Faeser da aus dem Nähkästchen, habe sich auch schon anders darauf vorbereitet.
Das stimmt. So verschickte etwa die Landespolizei Berlin einen freundlichen Brief an Berliner Eltern, wobei nicht klar ist, wie die Haushalte ermittelt werden und ob das Schreiben etwa in allen Bezirken oder nur in den Problemkiezen verschickt wurde. Darin geht es um Gemeinplätze wie: „Angriffe auf Einsatzkräfte sind keine geeignete Art, beispielsweise gegen den Staat zu demonstrieren. Tätliche Angriffe auf Personen sind nicht akzeptabel und werden bestraft.“ Es ist schon sehr originell, dass die Berliner Polizei hier von einem Bedürfnis, „gegen den Staat zu demonstrieren“, spricht.
Denn am letzten Silvester wurde weder demonstriert noch wurde dieser Staat mit kunstvollen Argumenten „delegitimiert“, wie Polizisten und Verfassungsschützer meinen könnten. Nein, er wurde frontal angegriffen von Menschen, die dieses Gemeinwesen und seine Vertreter verachten und sich im Zweifel einen blutigen Scherz mit ihm erlauben. Unreifen Jugendlichen vielleicht, die aber offensichtlich andere Vorbilder im Kopf haben, als es sich eine Nancy Faeser vorstellen kann. Und dann folgt der Appell der hilflosen Polizisten an die Berliner Eltern: „Bitte reden Sie im Vorfeld mit Ihren Kindern, dass auch wir (die Polizei- und Rettungskräfte) mit Respekt und Toleranz behandelt werden und unverletzt ins Neue Jahr starten möchten.“
Ein ranghoher Polizeiführer hält den Kommunikationsversuch gegenüber der B.Z. „eigentlich“ für „ein Armutszeugnis“. Kommuniziert würden „Selbstverständlichkeiten“, weil man die gewaltbereite Jugend nicht mehr im Griff habe. Und genau das hat nun auch wieder Ministerin Faeser bemerkt. Sie schloss zudem aus den „Demonstrationen“ und Randalen seit dem 7. Oktober, dass sich an Silvester zwei Themen vermischen könnten: Die klassische Neuköllner Problemlage wird durch den Nahost-Konflikt noch einmal zusätzlich aufgeheizt. Hier wiederum spricht Faeser von spezifischen – etwa nur zeit- und umstandsbedingten? – „Radikalisierungen, die wir jetzt angesichts des Nahostkonflikts sehen“. Für Faeser ist die „enthemmte Gewalt“ von letztem Silvester noch immer „völlig unbegreiflich“.
Doch da könnte sich die nicht begreifende Faeser wiederum irren: Die Radikalisierungen, die jetzt auch in der maßlosen Gewalt, dem Legen von Hinterhalten gegen Polizei und Rettungskräfte zeigt, wird nicht einfach so wieder weggehen, wie sie auch nicht plötzlich durch den 7. Oktober entstanden ist. Sie ist, auch wenn sie „unbegreiflich“ wäre, gekommen, um in Deutschland zu bleiben. Auch durch das Zutun von Faeser und ihrer SPD, die schon in der Großen Koalition keine Bremse für die ungehinderte, illegale Zuwanderung wünschte. Der jahrzehntelangen Regierungspartei fällt so langsam, aber sicher ihr eigenes Werk auf die Füße. Und die Union steht – bis auf Ausnahmen – nicht besser da.
Ausnahmen gibt und gab es auch in der SPD, etwa Heinz Buschkowsky aus Neukölln oder (bis zu seinem konsequenten Parteiausschluss) Thilo Sarrazin. Doch sie wurden an den Rand gedrängt. Nun kann die Klingbeil-Esken-SPD die Ernte einfahren – und ausbauen. Denn ein Ende des Zuzugs aus Nahost, der sich schlecht hinter dem Asyl-Schein tarnt, steht nicht an. Diese Zuwanderung wird die Lage in den schon seit Jahren schwierigen Stadtteile, in die sich die Polizei nur noch in Mannschaftsstärke hineintraut, weiter komplizieren und belasten. Irgendwann drohen Zustände wie in französischen Banlieues, mit offenen, fortgesetzten Revolten gegen die Staatsgewalt, die vorerst nur an Silvester erreicht sind.
Lahmer Rechtsstaat: Viele Verfahren noch nicht abgeschlossen
Zum Gesamtbild gehört dabei auch, was aus den Straftätern vom letzten Jahr wurde. Damals gab es allein in Berlin 355 Ermittlungsverfahren wegen Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten, darunter laut Bild 125 Angriffe auf Feuerwehrleute und Polizisten mit insgesamt über 60 Verletzten. Festgenommen wurden fast nur junge Männer mit fremder Staatsangehörigkeit oder Migrationshintergrund, darunter 45 „Deutsche“, 27 Afghanen und 21 Syrer. Das zeigt, von welchen Gruppen die Gewalt ausging.
Daraus entsprossen nur 151 staatsanwaltliche Ermittlungsverfahren mit 89 Beschuldigten. Die Vorwürfe reichten von Sachbeschädigung und Brandstiftung bis zu Landfriedensbruch, Körperverletzung, Widerstand, Verstoß gegen das Waffen- und Sprengstoffgesetz, tätlicher Angriff auf Beamte, Beleidigung, Bedrohung, Taten gegen die sexuelle Selbstbestimmung, Zerstörung wichtiger Arbeitsmittel und jede Menge Ordnungswidrigkeiten. Heraus kamen 31 Anklagen, davon 26 vor einem Jugendgericht. Urteile ergingen bisher in 26 Fällen, darunter Jugendarrest, Freiheitsstrafen auf Bewährung, einige Geldstrafen und Verwarnungen mit Auflagen sowie Erziehungsmaßregeln – schließlich einige Freisprüche.
Aktuell sollen noch 15 Gerichtsverfahren laufen, 13 Ermittlungsverfahren sind weiterhin offen. In 91 Fällen wurden die Ermittlungen oder das Hauptverfahren ganz eingestellt. Diese Delinquenten haben allen Grund, über die deutsche Justiz zu lachen. Warum sollten sie sich an diesem Silvester zurückhalten? Die anderen, noch nicht Abgeurteilten können versuchen, ihre Ermittlungsakte zu erweitern.