Tichys Einblick
Späte Razzien

Nancy Faesers verpatzter Einsatz gegen Hamas und andere Israelfeinde

Über Jahrzehnte schauten deutsche Innenbehörden weg, wo es um islamischen Extremismus und Terrorfreundschaft ging. Nun hat das zwingende Verbot von Hamas und Samidoun sie aufgeschreckt. Die Razzien kommen spät und gehen nicht weit genug. In Bayern ging es gegen das Sympathisantenfeld.

IMAGO / Christian Spicker

Der neue Antisemitismus beschäftigt weiterhin die deutschen Sicherheitsbehörden. Dabei geht es zugleich um islamischen Extremismus, der sich auch nach Einschätzung des Bundesinnenministeriums „gegen die verfassungsmäßige Ordnung und gegen den Gedanken der Völkerverständigung“ richtet (Zitat aus der Pressemitteilung zur Razzia gegen das Islamische Zentrum Hamburg). Das ist interessant. Aber warum sprach Nancy Faeser dann vor allem über angebliche „Muslimfeindlichkeit“ mit den Islamverbänden (in der Islamkonferenz) und nicht zuvörderst über die allgemein verfassungsfeindlichen Tendenzen, die von vielen dieser Verbände begünstigt werden?

Am Dienstag wurden nun in Bayern zahlreiche Wohnungen durchsucht. Dabei ging es um diverse Äußerungen, vor allem im Internet, in denen der Terrorangriff der Hamas gefeiert und Hass auf Juden verbreitet wurde. Das teilte die Polizei Bayern mit. Es ging dabei nicht um wenige Objekte, die zudem über das gesamte Bundesland verstreut waren, vom Landkreis Passau über Fürstenfeldbruck, Berchtesgadener Land, Coburg, Aschaffenburg bis nach Haßfurt. Auch in Füssen und Kaufbeuren gab es Durchsuchungen. Ein Schwerpunkt lag in Stadt und Landkreis München mit neun Verdächtigen in ebenso vielen Objekten. Das Landeskriminalamt sprach von einem „Aktionstag Plus gegen Antisemitismus“.

17 Beschuldigte (darunter 15 Männer und zwei Frauen zwischen 18 und 62 Jahren) sollen sich in sozialen Netzwerken volksverhetzend geäußert haben, Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen verwendet oder Straftaten gebilligt haben. Sie wurden vernommen, Mobiltelephone und Laptops wurden beschlagnahmt. Am Ursprung der Durchsuchungen stand unter anderem ein bestimmtes Facebook-Profil, das zuvor beim Bundeskriminalamt gemeldet worden war und zahlreiche Inhalte veröffentlicht habe, die den Holocaust relativieren.

In anderen Fällen ging es um ein Bild von einem Clown mit der Aufschrift „Gas the Jews“ („Vergast die Juden“), das in einem WhatsApp-Klassenchat von einem minderjährigen Schüler verschickt worden war. Ein türkischstämmiger Beschuldigter soll in einem sozialen Netzwerk gepostet haben, dass die „jüdischen Söhne“ nichts anderes verdient hätten, als „abgeschlachtet und ausgelöscht zu werden“. Darunter stand angeblich „Free Plästine“ (sic!). Ein in Deutschland lebender Türke postete den fiktiven Hitler-Satz: „Ich könnte alle Juden töten, aber ich habe einige am Leben gelassen, um Euch zu zeigen, wieso ich sie getötet habe.“

Es gab auch einen Beschuldigten, dem vorgeworfen wurde, einen Judenstern mit der Aufschrift „Nicht geimpft“ gepostet zu haben, zusammen mit der Überschrift: „Die Jagd auf Menschen kann nun wieder beginnen“. Auch das gilt als Schoa-Relativierung, auch wenn es den erschreckenden Charakter des Geschehens nicht in Abrede stellt. In Coburg ging es um nicht weiter erläuterte „antisemitische Schmierereien“ an Gebäuden.

Doch in der Hauptsache handelt es sich auch in Bayern um muslimischen Antisemitismus, wie er sich derzeit in sozialen Netzwerken und auf deutschen Straßen immer wieder Bahn bricht. Die Politik ist angesichts dieser neuen Größenordnung eines lange bekannten Phänomens aufgewacht, auch weil es nicht mehr zu übersehen ist, sich vor aller Augen abspielt. Der Nahostkonflikt hat gezeigt, dass religiös ideologisierte Täter in Deutschland Straftaten begehen, die nicht immer im Bereich der Hasskriminalität bleiben.

Der wichtige Einsatz wurde verschlafen

So erklärt sich auch die neueste Razzia, nun in Berlin und drei anderen Bundesländern (Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein). Hunderte Polizisten durchsuchten Räumlichkeiten, die mit der linksextremistischen Hamas-Unterstützer-Gruppe Samidoun und mit der Hamas selbst in Zusammenhang stehen.

Nancy Faeser hat „Samidoun Deutschland“ am 2. November verboten und aufgelöst. Zeitgleich erließ sie ein Betätigungsverbot für das internationale Samidoun-Netzwerk und die Hamas in Deutschland. Bisher war aber unsicher, ob die Ministerin die nötigen Unterlagen überhaupt an die Länder weitergereicht hatte. Eine diesbezügliche Nachfrage des Bundestagsabgeordneten Thomas Seitz (AfD) ergab noch am 8. November, dass die mit dem Betätigungsverbot bzw. der Auflösung von Samidoun und deutschen Hamas-Ablegern „zusammenhängenden Verwaltungsverfahren noch nicht abgeschlossen“ seien. „Zum Schutz des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung“ könne derzeit keine Auskunft zu Einzelheiten des laufenden Verwaltungsverfahrens erteilt werden.

Am 4. November hatte Josef Kraus hier auf TE gefragt, warum es eigentlich keine Razzien gegen Samidoun und Hamas-Anhänger in Deutschland gab, da die Behörden – besser deren politischer Kopf: Olaf Scholz und Nancy Faeser – das Verbot schon im Oktober als dringend notwendig dargestellt hatten. Eigentlich hatte Faeser ja genügend Vorlauf, um die Auflösung dieses Israelhasser-Clubs grundgesetzkonform in die Wege zu leiten. Denn schon Anfang April 2023 hatte Samidoun in Berlin eine Demonstration organisiert, auf der eben der Schlachtruf „Tod Israel, Tod den Juden“ überdeutlich den Kern der Veranstaltung traf, geschützt von der Berliner Polizei (TE berichtete auch hierüber).

Doch die Länderinnenminister haben vom Samidoun-Verbot nur aus der Presse erfahren und konnten folglich selbst keine konkreten Maßnahmen vorbereiten. NRW-Innenminister Reul befürchtete, dass Beweismittel und Vereinsvermögen in der Zwischenzeit abhanden gekommen sind. Nancy Faeser hatte ihren wichtigen Einsatz verschlafen. Das große Becken – das dem Innenminister zur Verfügung steht – schlug sie nicht. Es vibrierte nur im Donnergroll der Raketen auf Israel. So wird es weitergehen. Denn eigene Initiativen im Sinne der inneren Sicherheit Deutschlands sind von dieser Ministerin – die längst abgewählt wurde und entlassen werden sollte – nicht zu erwarten.

Faeser hat nur das Offenkundigste getan, das ansteht

Nun also die nachgereichte Samidoun-Hamas-Razzia im Kleinformat. Hunderte Polizisten seien am Donnerstag im Einsatz gewesen, berichtet die Welt. Bei den zwei Dutzend Reichsbürgern bundesweit waren es 3.000. Dabei ging es nicht nur um die linksextremistische Samidoun-Gruppe, sondern etwa auch um die „Palästinensische Gemeinschaft in Deutschland“, die den Muslimbrüder-Terroristen von der Hamas nahesteht. Das wusste der Berliner Verfassungsschutz allerdings schon spätestens 2014, als der damalige Innensenator Frank Henkel (CDU) es öffentlich machte. Das ist ja nicht mehr Schlummer, das ist Tiefschlaf der deutschen Innenbehörden. Allein der Hamas werden in Deutschland 450 Mitglieder zugerechnet, die sich bisher vor allem als Propagandisten und Spendensammler der Hamas betätigt haben, so die Einschätzung des Bundesamts für Verfassungsschutz.

Die aktuelle Berliner Innensenatorin Iris Spranger (SPD) behauptet, dass „der terroristischen, antisemitischen und menschenverachtenden Ideologie der verbotenen Organisationen Hamas und Samidoun weiterhin konsequent entgegengetreten wird“. Die Lüge daran ist der Bezug des „weiterhin“ auf die Vergangenheit. Denn Faeser und Spranger haben gerade erst mit dem Entgegentreten begonnen. Eine Süßigkeiten-Verteilaktion von Samidoun auf der Sonnenallee („arabische Straße“ in Berlin-Neukölln) hatte den Ausschlag gegeben. Mit der Aktion feierten die Samidoun-Vertreter den Hamas-Angriff auf Israel.

Insgesamt wurden nun 15 Objekte durchsucht, allein elf davon in Berlin. In Berlin wurden seit dem Morgengrauen 300 Polizisten eingesetzt, die elf Adressen der diversen Hamas-Freunde durchsuchten, darunter private Wohnungen und Vereinsräume.

Zwei Bombendroher gegen Schulen ermittelt

Nancy Faeser tönt derweil vom „konsequenten Vorgehen gegen radikale Islamisten“. Deutschland dulde „keinerlei Verherrlichung oder Unterstützung des barbarischen Terrors der Hamas gegen Israel“. Das ist zwar gut, dieser Terror war allerdings schon etwas länger bekannt, nicht erst seit dem 7. Oktober. Aber da war Faeser noch blind auf dem radikal-islamischen Auge und hatte in ihrer Funktion als Verfassungsministerin nur Augen für den deutschen Rechtsextremismus. Inzwischen ist deutlich geworden, welche Gefahren Faeser übersehen hat. Auch hier haben Faeser und Scholz nur das Offenkundigste getan, was getan werden musste. Das Innenministerium müsste viel weiter gehen in der Durchleuchtung islamischer Vereine in Deutschland und ihrer möglichen Unterstützung für Terror und gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit.

Im Oktober erschütterte eine Welle von Bombendrohungen öffentliche Einrichtungen, vor allem Schulen (auch hierzu gab es Berichte auf TE). Inzwischen sind hier zwei Verdächtige (19 und 30 Jahre alt) ermittelt worden. Reichten diese beiden Gestalten, die offenbar im Verein agierten, aus, um Schüler und Lehrer, Flughafen- und Bahnhofsbetreiber deutschlandweit in Angst zu versetzen? In der FAZ heißt es dazu: „Der 19 Jahre alte Mann stammt aus dem Hohenlohekreis und soll zu einer Gruppierung gehören, die bereits durch Internet-Straftaten aufgefallen ist. Der 30 Jahre alte Tatverdächtige, der dieser Gruppe ebenfalls zugerechnet wird, stammt aus dem Kreis Minden-Lübbecke in Nordrhein-Westfalen.“ Es ging also um eine größere Gruppe, die von deutschen Strafbehörden zu ermitteln wäre. Man darf gespannt bleiben, ob das geschieht. Und ob man noch etwas davon hört.

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