Tichys Einblick
Außer Einreisen nichts gewesen

Faeser präsentiert neue Migrationsabkommen: mit Kenia und Usbekistan

Die Bundesregierung setzt ihr Programm für neue Migrationsabkommen fort. Die neuen Partner wie Kenia oder Usbekistan wirken dabei obskur bis fehl am Platz. Organisiert werden so weniger Abschiebungen als neue Zuwanderung. Bald sollen Ghana, Kirgisistan, Kolumbien, Marokko und die Philippinen folgen.

Unterzeichnung eines Migrationsabkommen mit Kenia im Bundeskanzleramt, Berlin, 13.09.2024

IMAGO / Christian Spicker

Ein Migrations- und Abschiebe-Erleichterungs-Abkommen mit Kenia – was läge näher als das? Bei immerhin 500 Asylanträgen von Staatsbürgern des Landes, die im letzten Jahr in Deutschland gestellt wurden. Das sind 0,1 Prozent von allen Anträgen. Kenia will abgelehnte Asylbewerber zurücknehmen, wie das Land netterweise erklärte. Folgen muss daraus nichts und kann auch kaum. Und das wird den deutschen Wohnungsmarkt sicher extrem entspannen – aber tatsächlich nicht. Auch kenianische Fachkräfte sollen zwar beliebt sein, streben aber kaum nach Deutschland. Die Zeiten des deutschen Schutzgebiets Witu (1885–1890) liegen lange zurück, und danach haben die Briten dort das Englische verbreitet. Und so sind angelsächsische Länder hier im Vorteil.

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Kurzum, man kann an dem Sinn dieses „Scholz-Coups“ – das ist eine Coup-Unterart, die das Publikum gezielt unterwältigt – durchaus zweifeln. Bis zu 250.000 Menschen sollen aus dem tropisch-subtropischen Kenia ins kühle Deutschland gelockt werden. 85 Prozent der Kenianer geben zwar an, dass sie Christen seien, aber die Alphabetisierung lag noch 2015 bei nur 78 Prozent, auch wenn die Hauptstadt Nairobi von der Tagesschau als „Silicon Savannah“ gepriesen wird, wegen der „zahlreichen Technologieunternehmen und Start-ups“. Aber die wollen ja auch nicht nach Deutschland übersiedeln. Man entzöge damit zudem einem aufstrebenden Land wertvolles Potential.

Die eigens angereiste Innenministerin freute sich ausgenommen über ihr neues Migrationsabkommen und sagte wörtlich: „Wir wollen Rückführungen von Menschen ohne Bleiberecht konsequent durchsetzen – das ist ein wichtiger Baustein zur Begrenzung der irregulären Migration.“ Dafür habe man „gute Vereinbarungen“ getroffen. Vermutlich sind die ähnlich „gut“ wie viele SPD-Gesetze schon ihrem Namen nach und also im besten Fall wirkungslos. Daneben steht natürlich die Gewinnung von „qualifizierten Arbeitskräften“ auf dem Menü, mit den genannten, bekannten Schwierigkeiten von Angebot, aber auch Nachfrage. Denn auf die Anwerbung folgen hohe Investitionskosten in Deutschland. Es ist jedenfalls klar, dass es bei diesem Abkommen eigentlich nur um Einreisen gehen wird. Faeser ist damit ein „weiterer Baustein in der Migrationspolitik gelungen“.

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Auch Außenministerin Baerbock war Anfang des Jahrs schon in Kenia und sprach von einer „Win-win-Situation“, natürlich zumal aus grüner Sicht, denn „in Kenia gibt es eine hohe Jugendarbeitslosigkeit, und für uns stärken wir so die legale Migration nach Europa“. Man will den Kenianern also ihre unvermittelte Jugend abnehmen und sie hier zu „Fachkräften“ ausbilden. Und auch Scholz war schon zum Nairobi-Besuch angetreten. So viel Ehre für so ein fernes Land.

Daneben informiert Faeser in ihrer Pressemitteilung, dass sie ihre Fahrten, eine wahre Grand Tour am Ende wohl, durch die Migrationspartner dieser Erde fortsetzen will: „Die Bundesregierung ist mit zahlreichen Ländern in vertraulichen Gesprächen und Verhandlungen. Dazu zählen unter anderem Georgien, Moldau, Usbekistan, Kirgisistan, Kenia, Kolumbien, Marokko, Ghana und die Philippinen.“

Nach Usbekistan will am Wochenende aber sogar Kanzler Scholz reisen. Das Land scheint noch etwas wichtiger zu sein. Am Sonntag geht es los, auch die mustergültige Präsidialdemokratie Kasachstan steht auf dem Reiseplan. Und auch hier, in Usbekistan, stehen die in sich leicht widersprüchlichen Punkte „Rückführungen“ und „Einwanderung“ ganz oben auf der Liste.

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Usbekistan spielt zudem eine Rolle als mögliches Drehkreuz für Abschiebungen nach Afghanistan. Das ist aber noch alles andere als sicher und auch nicht Teil des jetzt zu schließenden Migrationsabkommens. Auch in Usbekistan soll es „extrem viele gut ausgebildete Arbeitskräfte“ geben, wie Ampel-Migrationsbeauftragter Joachim Stamp (FDP) der Süddeutschen Zeitung verriet. In Deutschland hat man praktisch keine Erfahrungen mit Usbeken. Es gibt keine historisch engen Beziehungen – so ähnlich wie mit Syrien und Afghanistan, in sicher geringerem Ausmaß, wird hier also eine neue Bevölkerung nach Deutschland verfrachtet, die hier bisher nicht zu finden war. Inzwischen wohnt jeder zwanzigste Syrer in Deutschland und jeder hundertste Afghane.

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Annalena Baerbock hatte auf dem (damals noch geheimen) Höhepunkt ihrer Visa-Affäre im Auswärtigen Amt dafür geworben, dass man Afghanen auch über Usbekistan nach Deutschland einfliegen lassen sollte. Die Usbeken hatten sich aber gesperrt: Sie wollten keine ungeprüften Afghanen einreisen lassen, selbst wenn das Versprechen galt, dass Deutschland der End-Abnehmer sein würde. So ähnlich wird auch dieses Abkommen sein: Der Partner der Deutschen wird darauf geachtet haben, dass eigene Interessen im Abkommen vorkommen und wichtig sind. Deutschland dürfte sich einmal mehr auf die „gebende Seite“ des Verhandlungstisches begeben haben.

Man kann noch nicht genau wissen, wie viele Usbeken die Bundesrepublik gemäß dem Scholz-Faeser-Stamp-Abkommen aufnehmen soll. Aber es ist die Rede von Zehntausenden. In dem Land herrscht der sunnitische Islam vor, dem 90 Prozent der Einwohner angehören. Vor allem protestantische Christen werden stark benachteiligt, wie auch Amnesty International beklagt. Usbekistan gehört zu den Ländern mit der stärksten Verfolgung von Christen weltweit und belegt hier laut dem Weltverfolgungsindex Rang 25 (letztes Jahr: Rang 21). Auf den vorderen Plätze stehen Länder wie Nordkorea, Somalia, Libyen, Eritrea und der Jemen, dann auch Nigeria, Pakistan, der Sudan, Iran und Afghanistan – viele von ihnen sind „Fluchtherkunftsländer“. „Alle Christen erleben in Usbekistan eine von mehreren möglichen Formen von Druck und Gewalt aufgrund ihres Glaubens“, wenn auch nicht alle gleich stark.

Deutsche Interessen auf unbekanntem Altar geopfert

In Deutschland und andernorts wurden ethnische Usbeken leider auch als Anhänger des Islamischen Staats Provinz Khorasan (IS-K) festgenommen, der für zahlreiche geplante oder ausgeführte Terroranschläge, etwa auf die Krokus-Halle bei Moskau verantwortlich ist. Die starke usbekische Gruppe beim IS-K beruht dabei auf der älteren Islamischen Bewegung Usbekistans (IBU), bei der auch der deutsch-türkische Terrorist Bünyamin Erdogan in einem Terrorcamp für Gewalttaten trainierte. Erdogan starb 2011 durch eine US-Drohne in Pakistan – die Zeit störte sich damals daran, dass niemand deswegen ermittelte. Das störte auch den Grünen Hans-Christian Ströbele.

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Daneben stammen die Mitglieder des zentralasiatischen Ablegers häufig aus Afghanistan, Kirgisien und Tadschikistan. Die Expansion des IS in Afghanistan gelang seit 2017 „besonders spektakulär“ in den nordwestlichen Provinzen, die von „vielen ethnischen Usbeken besiedelt“ sind. Kirgisen und Tadschiken, die in Deutschland zuhauf als mutmaßliche Terrorplaner festgenommen wurden, zuletzt am 24. April 2024, und gegen die in vielen Fällen der Generalbundesanwalt ermittelt, dürften für den Normaldeutschen kaum von Usbeken zu unterscheiden sein.

Die Bundesregierung sucht sich ihre Partner wahrlich sehr genau aus. Natürlich geht es bei solchen Abkommen auch immer ein wenig um Geostrategie. Man möchte sich regionale Partner gewogen machen und geht dabei mit der Geschenktüte herum. Inzwischen steckt nicht nur Geld in derselben, sondern auch die Zusage, Zuwanderung nach Deutschland zu ermöglichen. Und so werden auf einem weiteren Politikfeld die deutschen Interessen weitestgehend verkauft, ohne dass die einheimische Bevölkerung gefragt worden wäre. Vor allem dieses Gefühl und diese Realität werden als Vermächtnis der Ampel in Erinnerung bleiben. Wozu das Ganze passiert, wird den Bürgern ohnehin nicht ordentlich, eigentlich gar nicht erklärt.

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