Schon wieder hagelt es Protest bei der EZB. Während Blockupy draussen bleiben musste, aber mit großer Gewalttätigkeit die Eröffnungsfeier vermasselte, gelang es diesmal einer Protestiererin in das Allerheiligste vor zu dringen. Die Bilder vom Geschehen.
Pressekonferenzen der Europäischen Zentralbank sind einerseits von grösster Bedeutung – nicht nur für die Wirtschaft, sondern auch für das demokratische Geschehen. Denn EZB-Präsident Mario Draghi ist längst nicht mehr nur für die Geldwert-Stabilität zuständig. Faktisch finanziert er die Defizite der Staaten, zertrümmert damit die Reste des stabilitätssichernden Maastrichter Vertrags und hebelt damit die Souveränität der Staaten aus: Deutschland kann zehn mal Solidität verlangen – Draghi handelt auf eigene Rechnung jenseits demokratischer Kontrolle.
Aber sein Vortrag ist trotzdem staubtrocken. Trockenste Trockenheit gehört zum Ritual der Notenbanker. Bis zum Dienstag. Plötzlich springt beim leiernden Vortrag ein Frau im Karrierekostümchen und mit High Heels auf den Tisch des Präsidenten- und bewirft Draghi mit Konfetti. Die Wirklichkeit dringt ein, ganz oben im neuen EZB-Turm, mit Blick über den Weltkreis. Die Welt mit ihren Widersprüchen hat den 4-fach gesicherten Sperrbereich der EZB überwunden.
Draghi wehrt ab. „End the EZB-Dictatorship“, werden dann die Agenturen und viele Portale melden. Es ist im doppelten Sinne falsch. Erstens schon mal: Wer übt da eine Diktatur aus? Die EZB schüttet gerade 1,1 Billionen Euro in die Märkte, um die flauen Wirtschaften vor allem in Südeuropa zu stützen. Gerade hat Griechenland noch einmal eine mehr oder weniger illegale Stütze für seine Banken erhalten, weil die Bevölkerung Cash aus dem Automaten zieht oder ins Ausland schafft. Die EZB springt in die Finanzierungslücke Griechenlands, die das Land aus eigener Kraft leicht schließen könnte – wenn die Bürger griechische Staatsanleihen kaufen würden. Deshalb erhöhte die EZB ihren Liquiditätskredit gerade um 800 Mio. Peanuts auf 74 Mrd. für Griechenland. Der Euro wird zum Blechgeld. Aber dagegen wird nicht demonstriert.
Dass die EZB Gegenstand der Protest wird, wäre an sich richtig. Längst vereint die gemeinsame Währung Europa nicht mehr, sondern erneuert die Spaltung. Griechen gegen Deutsche, die Briten wollen raus aus dem Zirkus der Bekloppten, demnächst wählen die Finnen, und auch dort erwarten die Euro-Gegner Zulauf. Aber es wiederholt sich die Politik des Unpolitischen wie bei den Blockupy-Demonstrationen: Linke demonstrieren gegen die Linke, weil wirtschafts-/stabilitätszerstörende Politik der EZB. Es scheint ihnen nicht schnell genug zu gehen mit der stillen Enteignung der Bürger, was die Inflationspolitik der EZB bedeutet. Aber vielleicht ist Geldpolitik auch zu kompliziert für Femen, und was da so dahinter steckt.
Ist das also Diktatur? Eher ist es die Diktatur des billigen Geldes. Eigentlich müssten Rentner Mario Draghi auf den Pelz rücken, denn mit seiner Nullzins-Politik hat er ihren sicheren Lebensabend zerstört. Aber es ist eine junge Frau von Femen. Das sind Damen, die meist mit nackten Brüsten gegen dies und das demonstrieren. Demonstration wird zum Selbstzweck. Jüngst sprangen sie auf den Altartisch des Kölner Doms. Richtig nackt. Davor warfen sie sich nackt vor Putin. Der lachte und wollte mehr sehen. Er ist wohl einfach abgebrühter als ein Notenbanker. Ein richtiger Krieg verlangt eben echte Kerls; ein Währungskrieg ist ja nichts gegen die Schlacht in der Ostukraine. Und was ist schon Konfetti gegen einen echten Kugelhagel?
Und jetzt kommt die Korrektur der nächsten Falschmeldung. Es geht nicht um Dictatorship. Dick ist das, was Männer unter dem Gürtel tragen. Nun wissen wir nicht und wollen es nicht wissen, ob der Femen-Vorwurf bei Draghi seine Richtigkeit hat. Politik wird gelegentlich zum albernen Getue. Sicherlich wird es großen Beifall geben für die Femen. Es sind gottbegnadete Selbstdarstellerinnen. Das muß man ihnen lassen. Nur die Tische, auf die sie springen, bringen sie manchmal durcheinander. Table-Dance erhält eine ganz andere Bedeutung – die Bedeutung von Albernheit. Und nach der kurzen Show-Einlage macht Draghi weiter. Echter Protest? Nitschewo. Nirgends. Keine Spur. Nur Feminismus eben. Belanglos.
Screenshots via urban forces