Tichys Einblick
Zum Gackern

Experten-Erklärungen zu Trump und Jong-un

Trump und Jong-un liefern ein Lehrbeispiel, wie heute im Twittertakt - unter Hintanlassung aller alten Bräuche - gepokert wird in internationalen Verhandlungen, was so bisher in aller Regel nur im Business-Leben an der Tagesordnung war.

© TOSHIFUMI KITAMURA/AFP/Getty Images

Früh morgens amüsiere ich mich über das Konzert der Hühner des Bauern nebenan. Höre und lese ich, was so genannte Experten über den Plan des Treffens zwischen Trump und Jong-un von sich geben, amüsiere ich mich, wie diese mitgackern.

In europäischen Medien war von einem „Schlingerkurs“ Trumps die Rede, Singapore mit Jong-un ja, doch nicht, vielleicht doch, wahrscheinlich sogar am ursprünglichen Termin, aber wer weiß und so weiter. Die Berichterstatter, Kommentierer und Interpretierer sprechen nicht vom Handeln eines Trump und Jong-un, sondern von ihrer, der Betrachter Wahrnehmung. BILD verdanke ich ein Beispiel, das es leicht macht zu erklären, was ich meine.

Einen Nordkorea-Experten der FU Berlin lässt BILD sagen:

► Der US-Präsident habe „vorschnell“ gehandelt, als er per Brief den Gipfel absagte. Er habe gemerkt, welche Folgen es haben könnte, wenn er schlecht vorbereitet zum Treffen mit Kim Jong-un geht und habe außerdem dem Druck von Hardlinern in seinem Team nachgegeben. Möglicher weiterer Grund: Vielleicht befürchtete er, dass Kim das Treffen absagt, und wollte ihm zuvorkommen, um die Oberhand zu behalten. 

► Jetzt rudere Trump zurück, weil ihm mittlerweile klar geworden sei, welche schlimmen Folgen die Absage haben könnte. 

Der Experte erklärt nicht, wie Trump tickt, sondern wie er, der Experte selbst gestrickt ist. Wäre er an Trumps Stelle, wären das seine Fehler und Motive gewesen.

Wie Trump und andere tatsächlich agieren, steht bei BILD schon vor dem Experten-Zitat:

Hat es in dieser kurzen Zeit tatsächlich Fortschritte gegeben oder ist das Hin und Her Teil der Verhandlungstaktik? 

„Jeder spielt Spiele“, hatte Trump noch am Freitag gesagt. Auch sein Verteidigungsminister James Mattis sprach vom „üblichen Geben und Nehmen“, was das Hin und Her zwischen Nordkorea und den USA betreffe.

Womit so genannte Experten, Journalisten und Old Style Politiker nicht klar kommen, ist hier (wie auch in anderen Fragen) das geänderte Tempo und der andere Stil in der internationalen Politik. In Europa (aber auch im US-Establishment) geht alles noch seinen langsamen, sozusagen vordigitalen Trott. Mit dem Twitter-Takt kommen sie nicht mit. Vor allem nicht beim Denken. Dabei gibt Trump den Twitter-Takt nur vor, bis er sich allgemein durchsetzt, ist nur eine Frage von Zeit.

Viel mehr als seine Politik-Inhalte verwirrt Trump seine Gegner mit seinem Stil. In der Sache bedeutet Trump nichts anderes als die Rückkehr zur alten Machtpolitik, in der am Ende noch immer die klassische Frage von Stalin entschieden hat: Wie viele Divisionen hat der Papst? Nicht, weil man sie einsetzen muss, sondern weil man sie einsetzen könnte. Die Zeit der Zelebrierung von „Friedensprozessen“ ist vorbei, mit ihr werden Massen von UN-Funktionären beschäftigungslos – „bei vollem Lohnausgleich“.

Dass Trump anders aussieht und auftritt als das den gewohnten Umgangsformen der internationalen Diplomatie entspricht – und damit europäischen und europäisierten – ist der Stein des Anstoßes, über den die analogen Mandarine stolpern. Was auch daran liegt, dass sie sich wohl nie im amerikanischen Business an Ort und Stelle bewegt haben. Mir sind Leute wie Trump als Typ nicht neu.

Neu und immer wieder verblüffend ist für mich, wie ein Mann am Ende die ganze alte Medien- und Meinungsmacher-Landschaft mit einem simplen Mittel besiegt hat und weiter vor sich hertreibt: mit Twitter. Alle Nicht-Zwitscherer und Zwitscher-Anfänger sitzen vor Trump wie das Kaninchen vor der Schlange.

Trump und Jong-un liefern ein Lehrbeispiel, wie heute im Twittertakt – unter Hintanlassung aller alten Bräuche – gepokert wird in internationalen Verhandlungen, was so bisher in aller Regel nur im Business-Leben an der Tagesordnung war. Insofern sind Jong-un, Trump und ihre Büchsenspanner Pioniere der Digitalisierung der Politik. Dden Stil und das Tempo müssen Xi und Putin noch lernen, aber sie haben damit schon angefangen. Von Kurz in Wien und Rutte in Den Haag abgesehen schlafen der EU und Europas Mandarine insgesamt weiter.

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