Experten schlagen Alarm: Neues Klimaschutzgesetz im Eilverfahren verfassungswidrig?
M. Mannhart / M. Roland
In einem Brief an die Bundesregierung, der TE vorliegt, warnt das Institut für verfassungsgemäße Strompolitik: Ein unsauber durchgedrücktes Klimagesetz ohne gründlichen Gesetzgebungsprozess wäre verfassungsrechtlich hochproblematisch. Kritische Stimmen seien nicht gehört worden.
Die Bundesregierung will das neue Klimaschutzgesetz im Eilverfahren durchpeitschen. Die „Chance“ nach dem fragwürdigen Verfassungsgerichtsurteil soll ergriffen werden – was die Union als klimapolitischen „Weckruf“ verkaufen möchte, ist in Wirklichkeit der Versuch zu gestalten, solange man noch kann. Deswegen soll es schnell gehen, sogar noch schneller als es das „Klimaurteil“ verlangt. Während Karlsruhe eine Frist zur Umsetzung bis Ende 2022 gesetzt hat, will das Kabinett quasi sofort alles auf den Kopf stellen. Es droht ein in aller Eile durchgedrücktes, unsauberes Gesetz: Darauf wollen auch die Verfasser eines Briefes aufmerksam machen, die sich unter anderem direkt an die Bundeskanzlerin gewandt haben.
Das Institut für verfassungsgemäße Stromwirtschaft meldet in diesem Brief, der TE exklusiv vorliegt, substanzielle Bedenken an: „Es würden hier die Weichen gestellt für die unmittelbare Beeinflussung der Lebensumstände aller Bundesbürger auf Jahre hinaus, ohne dass das Gesetz mit der sonst üblichen und überaus nötigen Bürgerbeteiligung, und ohne die Anhörung von Gutachtern beschlossen würde“ schreiben der Verwaltungsrechtler Norbert Große Hündfeld und der Physiker und Energieexperte Dr. Björn Peters dort. Das geplante Blitzschnell-Gesetz ist für sie eine Untergrabung des normalen Gesetzgebungsprozesses.
Im Gespräch mit TE schildern die beiden, wie bereits das Verfassungsgericht bei seiner Urteilsfindung nicht die zu erwartenden Maßstäbe angelegt habe: Der Senat habe sich nur auf die Materialien der Klägerseite verlassen. Eine ernsthafte Anhörung sei bewusst vermieden und die Gegenseite nicht gehört worden. Selbst die Basis des ohnehin fraglichen Gerichtsurteils sei so also extrem dünn.
Ihr Brief, der neben Altmaier und Merkel auch diversen anderen Ministern, dem Bundestagspräsidenten und den Fraktionschefs im Bundestag zugestellt wird, soll deshalb umso mehr als Appell verstanden werden: Ein ähnlich unsauber durchgedrücktes Klimagesetz ohne gründlichen Gesetzgebungsprozess sei verfassungsrechtlich hochproblematisch.
Im Brief heißt es: „Das Bundesverfassungsgericht lässt dem Gesetzgeber bis zum 31. Dezember 2022 Zeit, damit er ausreichend Zeit hat, die Beschlussgründe unter Berücksichtigung von Stimmen aus der Bevölkerung, Wissenschaft und Verfassungsrecht zu würdigen. (…) Wir ersuchen Sie daher, aus dem Gesetzgebungsverfahren den Zeitdruck zu nehmen und es in die zuständigen Ausschüsse zu überweisen (Wirtschaft, Umwelt, Agrar, Recht und Finanzen), um dort bei Expertenanhörungen über Wege nachzudenken, um die notwendigen CO2-Minderungsziele auch tatsächlich zu erreichen, und dafür zu sorgen, dass diese Wege mit den naturwissenschaftlichen, technischen, ökologischen, volkswirtschaftlichen und verfassungsmäßigen Zielen, Einschränkungen und Notwendigkeiten in Einklang stehen.“ Sie warnen: „Es wird auf das Gericht keinen guten Eindruck machen, wenn es sich demnächst mit dem befassen muss, was bei dem ‚Schnellschuss‘, wie er eilfertig in einem Überbietungswettbewerb gezimmert werden soll, herauskommen wird.“
Björn Peters resümiert: „Das Parlament sollte darauf achten, das Vertrauen in den Rechtsstaat nicht durch Vorpreschen in einer so wichtigen Frage weiter zu unterminieren. Die weiteren Verfassungsklagen wären vorprogrammiert.“
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