Die italienische Nationalmannschaft löste europaweit Begeisterung aus, kaum einer hierzulande drückte den Azzurri nicht die Daumen. Und daran ist nichts Verwerfliches, Italien ist ein wunderschönes Land mit einer sympathischen Fußball-Nationalmannschaft, wir alle können uns für Italien freuen. Betonung liegt auf für. Doch die guten Deutschen wären nicht die guten Deutschen, wenn sie nicht a) versuchen würden, den Sieg politisch umzudeuten, um sich b), selbst als Sieger zu fühlen. Zum Nulltarif, wie üblich.
FDP-Politiker Konstantin Kuhle twitterte Minuten nach dem italienischen Sieg die EU-Fahne. Der Tagesspiegel kommentiert: „was wäre passiert, wenn die Engländer das Ding so nach Hause geschaukelt hätten? Nach dem Brexit hätte es bei vielen in der Nation von der Insel wohl kein Halten mehr gegeben, wäre der englische Hochmut für Resteuropa nur schwer zu ertragen gewesen.“
Da trifft es sich gut, dass zahlreiche Englandfans sich ganz besonders widerlich verhielten, ihre Spieler beleidigten, das Stadion stürmten. Doch das nimmt man gerne zum Anlass, um ganz England zu verachten – frei nach dem Motto: Die widerlichen Engländer, diese EU-Feinde, diese widerlichen Rassisten.
Für alle erhabenen Europäer noch einmal die Fakten:
Italien: 4
England: 3
EU: 0
Italiens Trainer Roberto Mancini widmete den Sieg „Allen Italienern“ – nicht Ursula von der Leyen.
Italiens Leitmedium La Repubblica schreibt: „L’Europa è nostra“ (Europa ist unser). Wohlgemerkt nicht: „Wir für Europa“.
Englands größte Zeitung The Sun schreibt: „Die Lions haben uns stolz gemacht. Nach 55 Jahren voller Schmerz, der schmerzlichste Schlag – und das heldenhafteste Versagen“
Mirror: „Die heldenhaften Three Lions verlieren im Elfmeterschießen.“
Es ist Fußball. England hat gekämpft und verloren. Italien hat gekämpft und gewonnen. Um Europa oder Politik ging es an diesem Abend nur für ein paar Oberideologen, die versuchen, ihr Ressentiment gegen England mit einer Europa-Flagge zu tarnen. Dass England das Ursprungsland des Fußballs ist, bleibt unbestreitbar, ob es die Heimat des Fußballs ist, darüber lässt sich freilich streiten. Aber England war ist und bleibt in jedem Fall Heimat von bürgerlicher Freiheit und Parlamentarismus – wer zum Kampf von „Europa“ gegen Großbritannien aufruft, hat von Europa nichts verstanden.