Kaum hat sich der Rummel um den deutsch-französischen „Aachen-Vertrag“ vom 22. Januar 2019 gelegt, beginnt es zwischen Paris und Berlin schon wieder zu knistern. Der Gründe gibt es mehrere. Zum Beispiel ist Frankreich nicht begeistert von der Nord-Stream-Gasleitung-2 und meint, Deutschland würde damit die Interessen der anderen europäischen Partner missachten. Überhaupt ist Frankreichs dynamischem Staatspräsidenten Macron die EU-Trippelschrittchen-Politik von Kanzlerin Merkel zu träge. Jetzt reicht es nicht einmal mehr zu Bussi-Bussi-Fotos bei der eben begonnenen 55. Sicherheitskonferenz in München. Macron hat sehr kurzfristig abgesagt.
Dafür lässt Macron seinen Generalstabschef François Lecointre bei einem sicherheitspolitischen Forum eine mittelschwere Bombe detonieren. Lecointre sagt klipp und klar, dass Frankreich seine nukleare Streitmacht „force des frappe“ und seine Raketen mit 8.000 Kilometer Reichweite nicht in den Dienst des Schutzes der anderen EU-Länder stellen wird. (FAZ , 14.02.2019)
Die Franzosen wissen sehr wohl um ihr Gewicht und lancieren diese Absicht mitten hinein in die freilich reichlich illusionäre Vision einer europäischen Armee und in den unmittelbar anstehenden Brexit, mit dem die andere westeuropäische Nuklearmacht aus der EU ausschert. TE hat die Vision einer europäischen Armee verschiedentlich diskutiert.
Deutschland ist einmal mehr auf die Zuschauerränge verbannt. Ziemlich ohnmächtig wird man in Berlin zusehen müssen, wie es mit den INF- und START-Abkommen weitergeht. Hinauskatapultiert hat sich Merkel-Deutschland auch, weil es sich bei Rüstungsexporten nicht mit den Franzosen hat einigen können.
Als Bedenkenträgerei und Trägheit: So wird Deutschlands Sicherheitspolitik betrachtet. Der Parlamentsvorbehalt lähmt NATO-Einsätze der Bundeswehr ohnehin. Macron ist da viel freier. Und die Zögerlichkeit, mit der sich Deutschland gerade eben mühsam einem BIP-Anteil von 1,5 Prozent für Militärausgaben nähern will, ist nicht nur in Washington, sondern auch in Paris bekannt.
So gesehen ist es höchste Zeit, dass sich Deutschland auf die Hinterbeine stellt. Der atomare Schutzschirm über Deutschland bröckelt. Siehe die USA, siehe Frankreich und Großbritannien! Deutschland als das größte Land in Mitteleuropa will Verantwortung offenbar immer nur delegieren. Bereits bei der Verteilung von „Flüchtlingen” blieb solche Politik ohne Erfolg. Jetzt wiederholt sich dieser Flop auf anderer Ebene. Eine europäische Armee wollte Merkel. Und womöglich meinte sie sogar, die Franzosen sollten die Chefköche geben und die Deutschen die Hilfskellner. Aber so funktioniert das nicht, wie soeben Ex-Verteidigungsminister Volker Rühe ruppig und zugleich zutreffend feststellte, als er meinte: Die Deutschen können nicht länger nur Flieger mit Fotokameras zur Verfügung stellen und die anderen Armeen notfalls die Bomben werfen lassen.
Recht hat er. Und es sei angefügt: Es mag zweieinhalb Verteidigungsminister ab 2005 bzw. vor allem ab 2009 gegeben haben (zu Guttenberg, von der Leyen, teilweise de Maizière; eher nicht Franz Josef Jung), die den erbärmlichen materiellen Zustand der Bundeswehr und deren sehr begrenzte Einsatzfähigkeit zu verantworten haben. Aber es regierte in all den Jahren an vorderster Stelle eine(!) Kanzlerin, die im Kriegsfall obendrein Oberbefehlshaberin wäre.