Tichys Einblick
Ursula, die Skandalöse

EU-Kommission leugnet Existenz der Pfizer-SMS – Anwältin an Akteneinsicht gehindert

Ursula von der Leyen verschob Milliarden europäischen Steuergelds an Pharmafirmen, ohne dass man sie dafür zur Rechenschaft gezogen hätte. Mehrere Klagen laufen deshalb gegen die EU-Kommissionschefin. Sie ist und bleibt ein Skandalmagnet. Ob sie nach dem Wahltag noch als tragbar gilt, wird immer fraglicher.

Ursula von der Leyen, Präsidentin der Europäischen Kommission, Brüssel, 10. April 2024

picture alliance/dpa | Jessica Lichetzki

Ursula von der Leyen hat sich strafbar gemacht. Das steht für den Lobbyisten und Kläger Frédéric Baldan und seine Anwältin fest. Gegenüber der Welt am Sonntag sagte Baldan: „Wenn von der Leyen die SMS noch hat, hat sie die Grundrechte verletzt, indem sie sie nicht herausgibt. Wenn sie sie gelöscht hat, hat sie öffentliche Dokumente vernichtet.“ So oder so habe sie das Gesetz gebrochen, entweder durch Geheimniskrämerei im Amt und Vorenthaltung wichtiger Dokumente oder durch fahrlässigen Umgang mit ihrem Amt und undurchsichtiges Gebaren im Amt. So und so sieht das nicht gut aus für von der Leyen. Sie macht hier keine gute Figur und kann sich dieses Kapitels kaum rühmen.

Im Visier von Staatsanwälten
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Die Kommission lässt derweil wissen, die Chefin und ihr Gefolge hätten die Transparenzregeln des Gremiums vollständig eingehalten. Es gebe keine „relevanten Textnachrichten“ in der Sache Pfizer/Bourla/von der Leyen. Von der Leyen hatte sich laut New York Times dazu bekannt, den Pfizer-Biontech-Deal persönlich, unter Ausklammerung der eingesetzten EU-Verhandlergruppe via SMS und Smartphone ausgehandelt zu haben. Um die Dokumente dieser Verhandlungen geht es nun seit mehreren Jahren. Denn sie liegen freilich nicht vor. Anfangs hieß es noch, SMS-Nachrichten unterlägen nicht der Archivierungspflicht der Kommission.

Es seien ihrer Natur nach „kurzlebige“ Dokumente von „flüchtigem Charakter“. Nun ging man also – scheinbar – auf die kritischen Nachfragen ein und rechtfertigt das eigene Handeln, also das Nicht-Veröffentlichen der SMS-Nachrichten. Aber irgendwo müssen der widerrechtliche Haftungsausschluss für eine bedingte Zulassung und ähnliche Klauseln aus dem EU-Pfizer-Vertrag ja vereinbart worden sein. Auch der erhöhte Preis von 19,50 Euro statt 15,50 Euro pro Dosis kann nicht vom Himmel gefallen sein.

Einsicht in Akten verwehrt – wegen Erregens öffentlicher Unruhe

Inzwischen ermitteln mehrere Staatsanwaltschaften aufgrund verschiedener Klagen (auch einer von der New York Times auf Herausgabe der SMS) gegen von der Leyen, darunter die Staatsanwälte der EU (EuStA oder EPPO), wobei noch nicht klar ist, ob sie letztlich mit dem Fall betraut werden. Das müsste der Fall sein, wenn finanzielle Interessen der EU berührt sind. Aber auch die Staatsanwaltschaft im belgischen Lüttich, wo Baldan seine Klage ursprünglich einreichte, ist weiterhin im Spiel. Baldan ist gegen die Betrauung der EuStA, denn die „Impfstoffe“ seien nicht aus EU-Mitteln finanziert worden, sondern mussten aus den nationalen Haushalten beglichen werden. Vielleicht zu Recht fürchtet der belgische Kläger, dass die EU-Staatsanwälte die Sache nur an sich ziehen, um ihr ein rasches Unionsbegräbnis erster Klasse zuteil werden zu lassen.

EU-Unrecht
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Baldans Anwältin wurde nun gar die Einsicht in die Akten am Gebäude der EuStA verwehrt – erst von Sicherheitsmitarbeitern, dann von der Polizei. Sie habe so etwas noch nicht erlebt, sagte Anwältin Diane Protat. Angeblich sei die Anwältin unangemeldet erschienen und habe „eine Situation der öffentlichen Unruhe“ herstellen wollen. Das sind absurde Vorwürfe, die nur erhoben werden können, weil sich die EU-Amtsführer in einer Art inoffizieller Immunität wähnen, verborgen unter dem Schleier der mangelnden europäischen Öffentlichkeit. Der Arm von der Leyens ist wieder einmal lang, wie es auch ihre anhaltende Schonung durch öffentliche Nachfragen zum Skandal-Gebräu Pfizer-Biontech-Deal zeigt. Man könnte dieses Ausmaß an Steuerverschwendung (ein Großteil der Chargen wurde inzwischen der Vernichtung zugeführt) und Bürgerverlade (die Sicherheit der vorläufig zugelassenen Gentherapeutika ist bis heute hoch umstritten) gigantisch, riesenkrakenhaft, leviathanisch nennen.

Wenn von der Leyen Kommissionspräsidentin bleiben will, braucht sie 361 Stimmen im EU-Parlament, die für sie stimmen. Im Hintergrund haben längst die Gespräche über die klassische Koalition von EVP, Sozialdemokraten (S&D) und Renew Europe (liberal-macronistisch) hinaus begonnen. Diese Stimmen könnten eventuell nach dem heutigen Wahltag nicht mehr reichen. Allerdings schlossen einige Grüne und auch Sozialisten aus, für von der Leyen zu stimmen, sollte sie auf Stimmen der Europäischen Konservativen und Reformisten (EKR) unter der Parteichefin und zugleich italienischen Premierministerin Giorgia Meloni (FdI) zurückgreifen.

Zensursula und Prophetin des Green Deals

Andererseits besitzt die angeschlagene Kommissionschefin gerade durch ihre Mittelposition zwischen Linken und Rechten noch genügend Manövrierraum, um am Ende doch noch eine Mehrheit zu zimmern. Zur eigentlichen Frage nach dem Wahltag wird daher, ob die Staats- und Regierungschefs im Rat sie am Ruder belassen wollen.

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Ursula von der Leyen hat neben dem Pfizer-Deal ein „Gesetz über digitale Dienste“ (Digital Services Act, DSA) durchgepaukt und so die Zensur EU-weit wieder eingeführt, zum beflissentlichen Gebrauch auch nationaler Größen wie Nancy Faeser. Komisch, früher hieß sie auch Zensursula, in ganz anderer Sache, der Name wurde noch gar nicht wieder aufgegriffen. Sie hat einen Green Deal verabschiedet – ihr eigentliches Abziehbild –, der inzwischen auf breiten Widerstand nicht nur bei den europäischen Bauern, sondern auch in ihrer eigenen Parteiengruppe stößt und den viele möglichst bald gekippt sehen wollen.

Auch die Migrationspolitik ihrer Kommission ist alles andere als ein Ruhmesblatt: Der illegalen Zuwanderung hat sie fünf Jahre lang – solange währte ihre Amtszeit – nichts entgegensetzen können. Die endlich erreichte Asylreform der EU ist ein heliumgefüllter Luftballon ohne sicheren Landeort. Schon im Verteidigungsministerium war von der Leyen eine Belastung für Bundeswehr und Etat. Eines muss man der Grande Dame der merkelistischen Daseinsverwaltung lassen: Die Argumente gegen sie gehen einem nicht aus.

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