Eigentlich steckt Ursula von der Leyen mitten im Wahlkampf. Denn die Europäische Volkspartei (EVP) hat sie im März zur Spitzenkandidatin gekürt. Die nächste Wahl findet zwischen dem 6. und 9. Juni statt; und obwohl sie ein gutes Abstimmungsergebnis bei der EVP-Wahl erhielt, ist von der Leyen längst umstritten. Dazu haben Programme wie der Green Deal oder Skandale wie die SMS-Affäre beigetragen – ganz ab davon, dass die CDU in Gutsherrenmanier die EVP durch die Manege zieht.
Laut Politico verfolgt die Europäische Staatsanwaltschaft (EPPO) Hinweise auf ein mögliches Fehlverhalten in der Corona-Krise. Konkret geht es um die Verhandlung von Covid-19-Impfstoffen. Ursprünglich hatten belgische Staatsanwälte die Ermittlungen Anfang 2023 aufgenommen.
Die Kommission hatte die Verträge im Mai 2021 mit Pfizer/Biontech abgeschlossen: nach zwei Vereinbarungen im Vorjahr über den Kauf von zusammen 600 Millionen Dosen bestellte sie zusätzliche 900 Millionen Dosen. Es bestand eine Option auf weitere 900 Millionen Dosen. Mit 35 Milliarden Euro gehören die Pfizer-Verträge zu den größten Kaufverträgen der Pharmageschichte. Nebenbei hebelten sie das EU-Wettbewerbsrecht aus.
Die SMS-Affäre 2.0 könnte enthüllen, dass von der Leyen mit ihren privaten Absprachen Pfizer den Weg geebnet und damit persönlichen Anteil daran hatte, die Mechanismen des politischen Betriebs in Brüssel zu konterkarieren. Verfahrensvorschriften der berüchtigten EU-Bürokratie unterlief die Kommissionspräsidentin damit offenbar.
Die Person, die den Fall ins Rollen gebracht hat, ist Frédéric Baldan. Die in den meisten Medien als „belgischer Lobbyist“ definierte Personalie ist bei den EU-Institutionen akkreditiert. „Jeder, der die Gesetze kennt, sieht doch, dass Ursula von der Leyen vor aller Augen die Transparenzregeln der EU verletzt“, sagt er gegenüber dem Cicero. Er nennt sie – im Hinblick auf die Berateraffäre – eine „Wiederholungstäterin“. Sie hatte damals Kurznachrichten verschwinden lassen. Nun fehlt die Kurznachricht, die damals die Grundlage für den Deal war.
Im April 2023 reichte er Klage gegen die Kommissionschefin ein. Wegen Amtsanmaßung, Vernichtung von Dokumenten sowie Kompetenzüberschreitung. Ihm schlossen sich später die Regierungen in Polen und Ungarn an. Nach der Abwahl der PiS-Regierung ist Warschau zwar aus dem Verband ausgeschert. Aber das hat nicht verhindert, dass die neue Leyen-Affäre nun kurz vor dem Wahltermin doch noch einmal an Fahrt aufnimmt.