Den folgenden Beitrag korrigieren wir wie folgt: Die Rheinische Post, auf die wir uns beziehen, hat den Humangenetiker Wolfram Henn falsch zitiert. Henn sprach von „Einreiseverboten“, nicht von „Ausreiseverboten“. Die Rheinische Post hat sich bei Henn entschuldigt; wir bedauern ausdrücklich, dass wir die fehlerhafte Meldung übernommen haben. Wolfram Henn teilt uns weiter mit:
„Tatsächlich befürworte ich 2G-Ein(!)reisekontrollen an EU-Binnengrenzen im Rahmen einer EU-weiten Vereinbarung. So wie es die USA für Einreisewillige aus Europa jetzt schon mit Erfolg machen. Wir sollten in Europa gemeinsam alles tun, um nicht weitere Ischgl-Ereignisse zuzulassen.“
Die Rheinische Post hat den Medizinethiker und Humangenetiker Wolfram Henn zu einem Interview geladen. Mit der Redaktion unterhielt sich das Mitglied des Ethikrates über die neuesten Coronapläne der Ampel-Koalition. Seine Einschätzung: Noch lange nicht hart genug. Mit martialischer Rhetorik schildert er seinen Blick auf die aktuelle Lage. „Wir müssen jetzt aus allen Rohren schießen“, meint der Professor: und das möglichst hart und einheitlich. Neben Impfen, Testen und Kontaktbeschränkungen bringt Henn noch einen Vorschlag ins Spiel: Die EU sollte doch ihre Binnengrenzen für Ungeimpfte schließen. Das, also die flächendeckende 2G-Regel an den Grenzen aller EU-Mitgliedsstaaten, wäre „epidemiologisch sinnvoll und ethisch gerechtfertigt“, eröffnet der Ethiker der RP-Redaktion.
Das permanente Ende der Reisefreiheit für Ungeimpfte wird nicht gefordert, weil es Infektionen vermeidet – dafür wäre Testen nach wie vor die sinnvollere Maßnahme – , sondern es wird gefordert, weil es bestraft. Oder wie man auf Corona-Deutsch sagt: weil es „Anreize setzt“.
„Anreize“ will der Mediziner aus Homburg auch für die bereits Geimpften, jedoch noch Ungeboosterten setzen. Henn fordert, es Frankreich gleichzutun und den „rechtlichen Impfschutz“ auf acht Monate zu begrenzen. „Die Ministerpräsidentenkonferenz sollte den Vorschlag aufgreifen“, meint der Professor: Das wäre ein „großer Anreiz zur Drittimpfung“.
Fast so anreizend ist Henns Idee zum zusätzlichen Beschleunigen der Impfquote. „Ein wirksames Mittel könnten aktuelle Videos aus Intensivstationen sein.“ Schock-Bilder hätten sich immerhin auch beim Rauchen bewährt. Ob Henn seine Clips von Intensivpatienten im Überlebenskampf lieber als Anzeigen vor Youtube-Videos oder als 30-Sekunden-Spot vor der Tagesschau schalten möchte, spezifiziert er nicht – vielleicht denkt er ja auch an riesige Leinwände im Stadtzentrum, die den Coronatod live und in Farbe übertragen.
Auf der Website des Ethikrates steht übrigens, dass der Ethikrat die Öffentlichkeit informieren, ein plurales Meinungsspektrum vertreten und eine gesellschaftliche Diskussion fördern will – das sei sein Auftrag qua Gesetz.
Das passt allerdings nicht zum Auftreten der Ethikrats-Mitglieder in der Corona-Pandemie. Nicht nur Wolfram Henn, sondern auch seine Kollegen fallen nicht durch pluralistische Debatten auf, sondern durch behauptete Alternativlosigkeit. Erst vor Kurzem forderte das Gremium die Impfpflicht für Pflegekräfte. Dass das bei der überdurchschnittlich impfkritischen Berufsgruppe nur zu einer Verschärfung des Pflegenotstandes führt, blenden die Ethiker ebenso aus wie Fragen der individuellen Entscheidungsfreiheit eines mündigen Bürgers ohnehin.