Tichys Einblick

Es wird eng um die Dissertation von Bundesministerin Dr. Giffey

Die Hoffnungsträgerin der Berliner SPD kommt nicht aus der Kritik wegen ihrer Doktor-Arbeit. Sie hat, wie jetzt bekannt wurde, für ihre Dissertation "mit Vorsatz" plagiiert.

imago images / IPON

Masse statt Klasse: In Deutschland erwarben zuletzt pro Jahr fast 30.000 Menschen einen Doktor-Titel – in der Regel mit Bestnoten! Das heißt: Pro Jahr entlässt jeder deutsche Professor im Schnitt 1,1 Doktoranden mit dem Doktor-Titel. Mitte der Nuller-Jahre waren es noch etwas weniger als 25.000. Angesichts dieser Inflation an Promotionen stellt sich die Frage, ob jede dieser fast 30.000 „akademischen“ Leistungen den Maßstäben gerecht wird, die an sie angelegt werden müssten: Der Doktorand soll mit einer schriftlichen Arbeit (Dissertation) und einer mündlichen Prüfung nämlich nachweisen, dass er selbständig zu besonders vertiefter wissenschaftlicher Arbeit fähig ist.

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Vom inflationären Promotionsvirus sind auch so manche Politiker infiziert. Während die einen ohne jeden Berufs- oder Studienabschluss zum Beispiel als Studienabbrecher politische Karriere als Ministerpräsident, Staatsministerin, Fraktionsvorsitzende oder Parteigeneralsekretär machen, schmücken sich andere mit einem fragwürdigen Dr.-Titel auf dem Weg in höchste Staatsämter.

Bei manchen geht es dabei nicht mit rechten Dingen zu. Immer wieder werden Abgeordnete oder gar Minister erwischt, die den Dr.-Titel zu Unrecht oder zumindest mit zweifelhaften Mitteln erworben haben und ihn deshalb entzogen bekamen. Dazu gehören an vorderster Stelle CSU-Ex-Bundeswirtschafts- bzw. Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg, Ex-Kultus- und Bundesbildungsministerin Annette Schavan, CDU-MdB Frank Steffel, Ex-FDP-Europapolitiker Georgios Chatzimarkakis, Ex-FDP-Europapolitikerin Silvana Koch-Mehrin und CSU-Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer.

Als besonders spektakulär stellt sich der Fall der Bundesfamilienministerin „Dr. Franziska Giffey“ dar. Spektakulär in zweifacher Hinsicht: erstens weil sie die neue große Hoffnung der dahinsiechenden Berliner SPD ist und zweitens weil das erste Verfahren zur Überprüfung ihrer Dissertation zunächst nur mit einem halbherzigen Freispruch endete und die Angelegenheit soeben in eine neue Runde ging.

Was ist der Hintergrund? Wegen Plagiatsverdachts prüfte die Freie Universität (FU) Berlin Giffeys von 2005 bis 2009 entstandene Doktorarbeit. Der Titel der Arbeit lautet: „Europas Weg zum Bürger – Die Politik der Europäischen Kommission zur Beteiligung der Zivilgesellschaft“. Auf insgesamt 76 von 205 Seiten wurden 119 Plagiate dokumentiert. TE hatte darüber berichtet.

Das für die Überprüfung der Arbeit zuständige Gremium tagte neunmal. Erstaunlich war, dass die Erstgutachterin von Giffeys Arbeit, die Politikwissenschaftlerin Tanja Börzel, an der Einsetzung des Prüfgremiums beteiligt war. Damit hat die Doktormutter selbst mit aussuchen dürfen, wer ihre Bewertung kontrolliert.

Dennoch gab die FU am 30. Oktober 2019 bekannt, dass Frau Giffey der Titel erhalten bleibt, ihr aber eine „Rüge“ ausgesprochen werde, weil sie „in ihrer Dissertation die Standards wissenschaftlichen Arbeitens nicht durchgängig beachtet hat.“ Am 18. November 2019 wurde die Rüge „in der veröffentlichten Fassung ihrer Dissertation kenntlich“ gemacht. Allerdings tauchte die Rüge bis heute nicht auf, auch nicht in der Deutschen Nationalbibliothek, obwohl Leser der Arbeit durch die „Kenntlichmachung der Rüge“ auf die kritische Verwendung des Textes hingewiesen werden sollen.

Im Februar 2020 nun wurden im Berliner Abgeordnetenhaus fünf parlamentarische Anfragen des AfD-Abgeordneten Martin Trefzer mit 260 Fragen zum Plagiatsfall der Franziska Giffey eingereicht. In der Antwort darauf wurde jetzt durch den Berliner Senat zu Tage gefördert, dass Franziska Giffey in ihrer Doktorarbeit vorsätzlich abgeschrieben hat. Es wurde nämlich bekannt, dass das Überprüfungsgremium den Plagiatsvorsatz bei Giffey „zum Teil bejaht“ hat. Mit „Vorsatz“ ist gemeint: Wissen und Wollen der Verwirklichung eines Tatbestandes im Bewusstsein seiner Rechtswidrigkeit.

Nicht nur am Rande sei angefügt: Der wissenschaftliche Wert der Giffey-Dissertation ist auch unabhängig von den Plagiaten höchst fragwürdig. Denn Franziska Giffey hat in dieser Arbeit im Grund nur einen Erfahrungsbericht über ihre eigene berufliche Tätigkeit abgeliefert. Sie war nämlich während der Zeit, in der die Arbeit entstand, Europabeauftragte des Bezirks Berlin-Neukölln.

Die „Exzellenz“-Universität FU aber muss sich die Frage gefallen lassen, was etwa in Promotionsverfahren so „exzellent“ an dieser Uni sein soll.

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