Raguhn-Jeßnitz ist eine Einheitsgemeinde im Anhaltinischen in der Nähe von Bitterfeld, die am 1. Januar 2010 durch den Zusammenschluss mehrerer Gemeinden entstanden ist. Die Wahl des hauptamtlichen Bürgermeisters der Gemeinde ist eigentlich keine Meldung, die über die Grenzen des Landkreises Anhalt-Bitterfeld hinausgeht. Im Wahlkampf standen sich ein parteiloser Kandidat und ein Mitglied der AfD gegenüber. Die Themen des Wahlkampfes kreisten um die Belange der Kommune. Beide Kandidaten gelten als kompetent und bodenständig.
Der unterlegene Bewerber sagte, dass es für ihn keine Rolle spiele, ob der Bürgermeister der AfD angehöre, ihm ginge es um Fakten und Sachlichkeit und nicht um die Partei. Deshalb würde er auch weiterhin als Vorsitzender des Stadtrates für die Bürger seiner Kommune arbeiten. Die Wahl selbst gestaltete sich als Kopf-an-Kopf-Rennen, Hannes Loth erzielte 51,13 Prozent der Stimmen, während Nils Naumann 48,87 Prozent der Stimmen auf sich vereinigen konnte, die Wahlbeteiligung betrug 61,51 Prozent.
So gesehen eine normale Wahl, demokratisch ordentlich durchgeführt. Beide Kandidaten kennen die Wähler und umgekehrt, beide leben und arbeiten in der Region, Hannes Loth als Landwirt und Nils Naumann als Sachbereichsleiter in Bitterfeld-Wolfen.
Dass diese rein kommunale Wahl über die Grenzen des Landkreises Anhalt-Bitterfeld republikweit Aufsehen erregt, liegt daran, dass vorher ein Kandidat, der der AfD angehört, in Thüringen die Landratswahl für sich entscheiden konnte und die Frage im Raum steht, ob die Wahl in Thüringen in Merkelscher Manier „rückgängig“ gemacht wird – und natürlich vor allem daran, dass die AfD derzeit ein allgemeines Umfragehoch erlebt, die Partei zurzeit nach der CDU/CSU und vor der SPD zweitstärkste Partei ist.
Hannes Loth ist studierter Agraringenieur und agrarpolitischer Sprecher der AfD-Fraktion im Landtag von Sachsen-Anhalt. Vor der Wahl behauptete der Vorsitzende, der in Sachsen-Anhalt nicht eben bedeutenden SPD, Andreas Schmidt: „Hannes Loth weiß ein bisschen was von Landwirtschaft und Naturschutz, aber von den sonstigen Realitäten des Landes nur sehr wenig.“ Zu Schmidts Biographie muss man allerdings wissen, dass er im Gegensatz zu dem seit Jahren aktiven Kommunalpolitiker Loth, der mit beiden Beinen im Berufsleben steht, im Grunde nur auf eine Karriere im Kuratorium „1.200 Jahre Halle an der Saale“ und im Parteiapparat der SPD Sachsen-Anhalts verweisen kann. Loth setzt sich hingegen als agrarpolitischer Sprecher der Fraktion für eine Verringerung der Vorschriften für Landwirte und für die Renaturierung der Moore ein.
Der aus Westdeutschland nach Halle gezogene Grünen-Chef Dennis Hellmich, der an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg zwar Politikwissenschaft und Soziologie studierte, doch suchte ich nach einem Abschluss bis jetzt vergeblich, sagte über den Agraringenieur: „Schlussendlich hat der Kandidat einer rechtsextremen Partei eine knappe Mehrheit der Wähler*innen erhalten. Das ist massiv enttäuschend, wurde nun damit das Amt eines hauptamtlichen Bürgermeisters in die Hand eines Vertreters der Partei gelegt, die auf Spaltung, Ausgrenzung und rückwärtsgewandte Politik setzt.“
Sucht man jenseits der katastrophalen Politik der Ampel und der Verweigerung der Oppositionsrolle durch die CDU, die medialen Pro-Grünen-Kampagnen und die Überheblichkeit der ÖRR gegenüber den Bürgern nach Gründen für die Wahlerfolge der AfD, dann geben auch die oben zitierten Biographien der Politiker der SPD und der Grünen einen Hinweis. Während die einen mitten im Leben der Bürger stehen, haben es sich die anderen inmitten der Parteiapparate gemütlich gemacht. Wie phrasenhaft, belehrend, arrogant und leer ihre Sprache ist, bemerken sie nicht einmal mehr, so dass sie zunehmend über die Probleme des Landes und der Bürger hinwegdelirieren.
Die Strategie der AfD, über die nicht karriereträchtige Kommunalpolitik, quasi von „unten”, von der Basis aus, den Weg nach Berlin zu beginnen, scheint aufzugehen. Die Linke hat ihre Position als Partei des Ostens, die SPD ihre Verortung als Partei der kleinen Leute aufgegeben, beide Parteien, die sich entschlossen haben, mit den Grünen in den Wettstreit um die wokeste Partei Deutschlands zu treten, haben ihre soziale Kompetenz verloren. Die Grünen besaßen sie nie, sie sind ein reiner Weltanschauungsverein, gewachsen und gediehen auf den fetten Wiesen westdeutschen Wohlstandes. Deshalb fassen sie außerhalb der Universitäten und der Innenstadtbereiche der größeren Städte in Ostdeutschland auch nicht Fuß. Ohne die Magdeburger und ohne die Hallesche Universität kämen die Grünen auch nicht in den Magdeburger Landtag.
Da gerade in der SPD und bei den Grünen, aber auch bei den Linken und in der CDU es hauptsächlich um die eigene Karriere, nicht um die Bürger geht, finden die Parteien immer weniger gestandene Frauen und Männer, die im kommunalen Bereich sich für diese Parteien engagieren. Die gehen eher zur AfD. Sucht man den Schlüssel für eine erfolgreiche Politik, dann liegt sie in Bürgernähe, nicht in Bürgerbelehrung.