Beginn von Corona – Neue Berichte über „Patient Null“
Maximilian Tichy
Mehrere Medien berichten, dass weitere Beweise für den Laborursprung von SARS-CoV-2 gefunden wurden. Mitarbeiter des Wuhan Institute of Virology wurden schon 2019 mit Krankheitssymptomen ins Krankenhaus eingeliefert.
Waren die Ersten, die an COVID-19 erkrankten, Mitarbeiter des Wuhan Institute of Virology (WIV)? Das legt eine Recherche der US-amerikanischen Medien Public und Racket nahe. Die Autoren berufen sich dabei auf anonyme Quellen in der US-Regierung.
Das WIV steht schon seit der Frühzeit der Pandemie im Verdacht, Ursprung des Virus zu sein. Nicht nur wurden im WIV Forschungen an Coronaviren durchgeführt, auch stand das WIV schon mehrfach für unzureichende Sicherheitsvorkehrungen in der Kritik. Das WIV wurde deswegen von Kollaborationen mit anderen Laboren ausgeschlossen und nicht mehr gefördert. Ein Fernsehbericht des chinesischen Staatsfernsehens zeigt Mitarbeiter des Labors, die ohne jegliche Schutzausrüstung arbeiten.
Patient Null gefunden?
Unter „Patient Null“ sollen sich unter anderem Wissenschaftler befinden, die sich vor allem mit der Erforschung von SARS-Coronaviren und Gain-of-function-Forschung beschäftigt haben sollen. So zum Beispiel der Wissenschaftler Ben Hu, ein Mitarbeiter des Teams von Shi Zhengli, welches für seine extensiven Forschungen mit Fledermausviren bekannt ist. Sie erkrankten bereits im November 2019 an SARS-CoV-2 ähnlichen Symptomen, so die von Public und Racket zitierten Quellen. Auch die britische Timesberuft sich auf Quellen im U.S. State Departement, nach dem Wissenschaftler des WIV im November 2019 mit SARS-CoV-2-ähnlichen Symptomen in ein örtliches Krankenhaus eingeliefert wurden.
Ben Hu war Shi Zhenlis „Starschüler“, zitiert Public Alina Chan, eine Molekularbiologin des MIT und Harvard. „Hu hatte chimärenartige SARS-ähnliche Viren hergestellt und diese an humanisierten Mäusen getestet. Wenn ich raten müsste, wer bei dieser riskanten Virenforschung am meisten Gefahr läuft, sich versehentlich anzustecken, wäre er es.“ Mit humanisierten Mäusen sind Labortiere gemeint, denen menschliche DNA oder Gewebe eingepflanzt wurde, um sie für Experimente zu nutzen.
Von besonderem Interesse der Kontroverse um das WIV sind dabei die im Virus enthaltenen Furinspaltstellen. Diese waren ein Fokus der Forschung des WIV im Vorlauf der Pandemie. Bereits 2021 hatte das U.S. State Departement ein Dokument veröffentlicht, nach dem ein Laborunfall als Quelle der Pandemie als möglich gilt. Das FBI hält einen Laborursprung für den „wahrscheinlichsten Ursprung“ des Virus.
Informierte Kreisen zufolge ist es aber unwahrscheinlich, dass dieses identifizierte Kluster um Ben Hu „Patient Null“ darstellt. Stattdessen wird eine erste Übertragung an den Menschen im August oder September 2019 vermutet, Monate vor der Ansteckung Hus. Ein möglicherer früherer Fall ist schon seit 2020 im Gespräch, Tichys Einblick berichtete. Auch, dass es zu zwei Laborunfällen gekommen sein könnte ist im Gespräch; wo ein Virus einmal entkommen kann, ist es auch ein zweites Mal möglich.Genom-Untersuchungen früher Fälle weisen auf zwei eng verwandte Varianten hin.
Mehrere Ursprungstheorien in der Diskussion
Die chinesische Regierung hat Informationen und Virusproben zum Corona-Ursprung zurückgehalten. Maria Van Kerkhove ist bei der Weltgesundheitsorganisation mit dem Thema Covid-19 betraut. Im März kritisierte sie die chinesische Regierung scharf: „Die mangelnde Offenlegung von Daten ist einfach unentschuldbar“, sagte sie mit Hinblick auf Erbgutinformationen, die statt der Laborthese einen Ursprung auf dem Wuhan Lebendtiermarkt nahelegen.
— Michael Shellenberger (@shellenberger) June 16, 2023
Der Markt wurde in der Vergangenheit immer wieder als Ursprungsort für die erste Übertragung des Virus auf einen Menschen genannt. Hier soll das Virus von Fledermäusen wahlweise auf Zibetkatzen, Gürteltiere oder Marderhunde übergesprungen sein, die es dann an einen Menschen übertrugen.
Die Markttheorie wird vor allem von der WHO favorisiert. Das Corona-Virus weist einige Hinweise auf einen nicht-natürlichen Ursprung auf, die diese Theorie nicht erklären kann. Dazu gehören die Furinspaltstellen des Virus. Kritiker vermuten, dass die Markt-Hypothese forciert wird, um Gain-of-function-Forschung nicht einschränken zu müssen. Nichts desto trotz ist ein Markt-Ursprung des Virus nicht komplett unwahrscheinlich. Hier treffen in großem Umfang zahlreiche Tierarten und Menschen bei mäßigen hygienischen Verhältnissen auf engem Raum aufeinander.
In der Vergangenheit hat die chinesische Regierung versucht, einen Ursprung in anderen Ländern als China nahezulegen. 2019 fanden in Wuhan die Sommer-Militärweltspiele statt. Dieser Theoriezufolge sollen Sportler aus den USA das Virus nach Wuhan eingeschleppt und verbreitet haben. Außerhalb staatsnaher chinesischer Medien fand diese Theorie aber wenig Widerhall. Es wirkt wie staatliche Propaganda.
Es wäre nicht die erste Labor-Pandemie
Schon in der Vergangenheit gerieten Virenlabore auch zum Ursprungsort von Krankheitsausbrüchen. SARS-CoV-1, das die Pandemie von 2002/03 auslöste, entkam mehrmals aus Laboren in China, Taiwan und Singapur. In Peking kam es zu zwei Ausbrüchen, die auf zwei unterschiedliche Laborunfälle zurückzuführen waren. In Deutschland kam es 1967 zu einem Krankheitsausbruch, der nach dem Ausbruchsort „Marburgvirus“ benannt wurde und bei dem sieben Menschen starben. In den Niederlanden wurden bei Utrecht im Abwasser Polioviren entdeckt. Der Ursprung war ein Mitarbeiter einer Impfstofffabrik. Dabei handelte es sich um einen Virus der Poliovariante 3, die seit 2015 als ausgerottet gilt. Die Russische Grippe von 1977/1978 forderte 500.000 bis 700.000 Todesopfer. Sie war so tödlich, weil der Erreger eine Influenza-Form war, gegen die gerade junge Leute wenig Immunität hatten. Es wird vermutet, dass es sich dabei um eine Influenzavariante von 1949/50 handelte, die aus einem Labor entkommen sein könnte. Eine WHO-Untersuchung in den siebziger Jahren schloss einen Laborursprung allerdings aus.
Anmerkung vom 17.06.:
Informierte Kreise haben Tichys Einblick darauf hingewiesen, dass die oben beschriebenen Fälle um Ben Hu ein frühes Infektionskluster sind, aber mit höchster Wahrscheinlichkeit nicht „Patient Null“ darstellen. Die Bemühungen der chinesischen Regierung eine noch unbenannte Infektion einzudämmen und den Informationsfluss zu beeinträchtigen begannen bereits vor dem November 2019. Auch sind aus Wuhan Berichte von Abriegelungen des Viertels um Labor und Markt aus den Vormonaten bekannt. Es wird vermutet, dass die ersten Infektionen schon im August oder September 2019 geschahen. Dabei wurde mindestens eine im WIV tätige Studentin als möglicher früherer Infektionsfall identifiziert. Tichys Einblick berichtete. Auch, dass das Virus in zwei unterschiedlichen Unfällen entwichen sein könnte, wird diskutiert, da Genom-Untersuchungen der frühesten Fälle zwei eng verwandte Varianten aufzeigen.
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