Jetzt trifft es wieder einmal besonders den Hamburger CDU-Politiker Ali Ertan Toprak, der Vorsitzender der Kurdischen Gemeinde in Deutschland (KGD) und Präsident der Bundesarbeitsgemeinschaft der Immigrantenverbände (BAGIV) ist. Seit Jahren setzt sich Toprak gegen den politischen Islam, islamistische Strukturen, türkischen Rechtsextremismus und für die kurdisch-stämmige Community sowie Migranten ein – Toprak bildet hier eine unentbehrliche, essenzielle Stimme.
Der türkische Staatssender TRTDeutsch – der wie nahezu alle türkischen Medien vom Erdogan-Regime gleichgeschaltet wurde – veröffentlichte einen Artikel, in welchem versucht wird, den Politiker Toprak zu diskreditieren. Der Autor Mehmet Teyfik Özcan wirft Toprak vor, „öffentlichkeitswirksame Sympathien für Terrororganisationen“ zu haben, gemeint ist die PKK. Der Furor im Artikel dreht sich um Topraks Position im Fernsehrat, da er kürzlich als Vertreter des ZDF-Fersehrats in den Programmausschluss des Rundfunkrates der Deutschen Welle gewählt wurde. Özcan spricht Toprak die Legitimation für diesen Posten ab, Toprak könne die Interessen von Migranten im Fernsehrat nicht vertreten. Özcan spricht von „instrumentalisierten Persönlichkeiten“, die sich anmaßen würden, für die türkische oder die islamische Gesellschaft zu sprechen – es ist klar, dass damit Toprak gemeint ist.
Der Artikel beim türkischen Staatssender TRTDeutsch und die Hetze gegen den CDU-Politiker Toprak sind kein Zufall. Autor Mehmet Teyfik Özcan ist nach TE-Recherchen Mitglied bei der UID-Hessen. Özcan nimmt aktiv in wichtigen Rollen an UID-Veranstaltungen teil. UID-Hessen nennt Özcan in den sozialen Medien ein BKYK-Mitglied, womit die Mitgliedschaft des 15-Köpfigen „Region Decision Board“ der UID gemeint ist bzw. die Regionalpräsidentschaft. Die Internationale Demokraten (UID) – vorheriger Name „Union Europäisch-Türkischer Demokraten (UETD)“ – ist die Lobby-Organisation der türkischen Regierungspartei AKP und des Präsidenten Recep Tayyip Erdogan. Der Verfassungsschutz ordnete 2018 die UID als eine nationalistische Organisation ein, die unvereinbar mit der freiheitlich-demokratischen Ordnung sei, weshalb die Organisation unter Beobachtung steht. Auch treten UID-Hessen und Autor Özcan mit der „AK Parti Hanau“ in einem eindeutigen Zusammenhang auf.
Versuch, Lobbyismus-Kritiker zu denunzieren
„Es vergeht kein Tag dem die türkische Community in Deutschland nicht verhöhnt wird. Es werden von großen Teilen der hiesigen Politik, Wissenschaft und Medien diverse türkischstämmige Lokalpolitiker diffamiert, aber PKK Unterstützer wie Toprak in den ZDF Programmausschuss gewählt.“
Bilgis Tweet zeigt einerseits eine mutmaßlich direkte Parallele zwischen AKP-Lobbyisten und dem türkischen Staatssender TRTDeutsch auf. Hat der AKP-Lobbyist als TRT-Autor den Auftrag dieses „Meinungsartikels“ direkt von der AKP-Lobbyorganisation oder gar von der türkischen Regierung erhalten? Zum Versuch einer Absicherung wird unter dem Artikel geschrieben: „Meinungsbeiträge geben die Ansichten des jeweiligen Autors und nicht die der Redaktion wieder.“ Es lässt sich längst beobachten, dass der Sender TRTDeutsch gezielt versucht, Stimmung gegen Kritiker des Erdogan-Regimes oder des politischen Islams zu machen.
Der UID-Präsident Bilgi versucht insgesamt medial Stimmung gegen Personen zu machen, die sich öffentlich kritisch mit AKP-Lobbyismus befassen. Unter diesen Personen befindet sich der Türkei-Experte Burak Çopur, CDU-Politiker Toprak, der Politiker Cem Özdemir (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN), die Politikerin Sevim Dağdelen (DIE LINKE) und die Journalisten Metin Gülmen (DER WESTEN), Ahmet Şenyurt (ARD), Susana Santina (ZDF), Till-Reimer Stoldt (WELT) und die Autorin eingeschlossen. Auch gegen Medien allgemein, darunter Tagesschau und HAYPRESS, wurde dasselbe versucht.
Dabei bezeichnete Bilgi einige dieser Lobbyismus-Kritiker unter anderem als „linksradikale Akademiker, Politiker, etc.“ und als ein „linksradikales Netzwerk“, welches nicht im „Untergrund“ sondern „in aller Öffentlichkeit“ agiere und die Parteien in Deutschland kontrollieren würde. Besonders über den Türkei-Experten Burak Çopur empörte sich der UID-Präsident mehrfach.
Erdogan-Regime will Lobbyismus-Kritik unterbinden
Im September wurde seitens der türkischen Regierung ein Versuch unternommen, den renommierten deutschen Türkei-Experten Burak Çopur einzuschüchtern. Der türkische Geheimdienst (MIT) bedrohte die in der Türkei lebenden Eltern Çopurs per Telefon. Ein Geheimdienstmitarbeiter hätte seinen Eltern mitgeteilt, dass es eine Akte über Burak Çopur gäbe. „Ich solle es ab sofort unterlassen, von Deutschland aus Erdogan-kritische oder pro-kurdische Aussagen in der Öffentlichkeit zu tätigen“, sagte Çopur gegenüber DER WESTEN. Doch Çopur ist nicht erst seit September 2020 ein bedeutsamer Kritiker des Erdogan-Regimes.
Ähnliches gilt für den CDU-Politiker Toprak. Auch er übte zur selben Zeit starke Kritik an öffentlich bekanntgewordenen Lobbyisten. Beispielsweise wurde Toprak vom Westfalen-Blatt über die Kandidatur von dem Politiker Selvet Kocabey (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) in Bielefeld interviewt, der ein Funktionär der Milli-Görüs-Bewegung ist:
Aus journalistischer Perspektive scheinen die Fälle zusammenzuhängen. Dass einer der wichtigsten AKP-Lobbyisten Deutschlands sich über Burak Çopur und Ali Ertan Toprak so dermaßen echauffiert, beide auf verschiedene Arten, die mit der türkischen Regierung in Verbindung stehen, Konsequenzen erfahren, ist kein Zufall. Der Lobbyismus und die systematische Unterwanderung der Parteien in Deutschland sind für den türkischen Präsidenten Erdogan und seine Regierungspartei AKP von immenser Bedeutung. AKP-Lobbyisten wie Bülent Bilgi und Mehmet Teyfik Özcan versuchen gegen die Lobbyismus-Kritik medial anzukämpfen. Es liegt nahe, dass sie von oben Anweisungen bekommen. Kritiker sollen zu Zielscheiben in Deutschland gemacht werden. Doch es zeigt auch, dass sich die Lobbyisten des Erdogan-Regimes von Kritikern und Journalisten bedroht fühlen – und, dass jetzt erst recht Kritik her muss! Und nicht zu knapp bitte.