Tichys Einblick
Leonhard Birnbaum

Eon-Chef warnt vor Stromabschaltung in ganzen Städten

Das Stromnetz sei an der Leistungsgrenze, sagt der neue Chef des Energiekonzerns Eon. Es könne den Zuwachs der erneuerbaren Energien nicht mehr verkraften. Zu Erwarten: dauerhaft hohe Preise, vorsorgliche Stromabschaltung ganzer Städte, Blackout-Gefahr durch Cyberangriffe.

IMAGO / Andreas Haas

Eon-Chef Leonhard Birnbaum hatte gerade erst ein riesiges Investitionsprogramm von 27 Milliarden Euro angekündigt, wovon der Großteil (80 Prozent) ins eigene Verteilnetz gehen soll, das größte in Deutschland. Nun begründet er diese Investitionen im Interview mit dem Handelsblatt und wirbt auch für staatliche Unterstützung dabei – in Form von schnelleren Genehmigungsverfahren: „Die Dauer von Genehmigungen muss mindestens halbiert werden.“

„Es gibt praktisch keine Reserven mehr im Netz“, sagt Birnbaum. Der Grund dafür ist – das sagt Birnbaum allerdings nicht explizit – die Energiewende. In den vergangenen zehn Jahren habe das Netz den Zuwachs von Erneuerbaren noch verkraften können. „Aber jetzt sind wir einfach an der Leistungsgrenze“, sagt er. Dazu komme eine stark wachsende Nachfrage aus der Industrie, zum Beispiel durch Batterie- oder Chipfabriken (also letztlich auch Folgen der Energie- und Verkehrswendepolitik) und Rechenzentren.

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Der Eon-Chef sieht wegen der Engpässe zwar keine Gefahr für Blackouts, also unangekündigte, flächendeckende Stromausfälle. Aber was Birnbaum stattdessen in Aussicht stellt, um dem vorzubeugen, ist kaum weniger beängstigend: Eon könne gezwungen sein, Verbraucher bewusst vom Netz zu trennen: „Bevor die Lichter überall ausgehen, schalten wir sie nur in einer Stadt aus.“ Und außerdem: Blackouts seien durch Hackerangriffe möglich: „Die Gefahr durch Cyberattacken sollten wir sehr ernst nehmen“, warnte Birnbaum. Andere Versorger seien kürzlich erst Opfer von sogenannten Ransomware-Attacken geworden. „Das ist also eine reale Gefahr, auf die wir uns gemeinsam permanent und intensiv kümmern müssen.“

Eine frontale Kritik an der Energiewendepolitik verkneift sich Birnbaum – „Wir werden die Energiewende hinbekommen“. Als Chef eines großen Konzerns ist es nie ratsam, in direkte Konfrontation gegen die Regierung zu gehen (zumindest, wenn nicht andere mächtige Unternehmen mitmachen). Aber indirekt kritisiert er sie eben doch, wenn er anfügt: „Die Frage ist nur, zu welchen Preis. Es ist existenziell für die deutsche Wirtschaft, dass Energie auch künftig noch zu wettbewerbsfähigen Preisen verfügbar ist. Wir dürfen die Industrie nicht mit hohen Energiepreisen aus dem Land jagen.“

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Und er fordert: „Wir müssen aber auch technologieoffen bleiben – das gilt besonders für Erdgas… In der vorletzten Woche hatte Deutschland beispielsweise 27 Prozent erneuerbaren Strom im Netz und 72 Prozent konventionell erzeugten. Selbst wenn in unserem Land dreimal mehr Windkraft installiert wäre, wüsste ich nicht, wie wir in einer solchen Woche ohne Kohle, Kernenergie und Erdgas auskommen würden. Wenn Kohle- und Atomenergie komplett vom Netz gehen, entsteht eine gigantische Lücke, die gefüllt werden muss. Und zwar aus einer Quelle, die zuverlässig liefert. Wir brauchen nicht nur im Durchschnitt eines Jahres genug Strom, sondern an jedem einzelnen Tag. Das ist die große Herausforderung, die von vielen unterschätzt wird.“

Keine Hoffnung mach Birnbaum auf ein baldiges Sinken der Energiepreise. Eher im Gegenteil: „Höhere Volatilität heißt höheres Risiko, und das heißt: höhere Preise. Und je mehr Erneuerbare wir bauen, desto mehr wird das der Fall sein.“



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