Tichys Einblick
Entwurf für den Bundeshaushalt

Christian Lindner drückt das Land sehenden Auges gegen die Wand

Finanzminister Christian Lindner hat den Entwurf für den Bundeshaushalt 2024 vorgelegt. Er will das Stück „Solide Finanzen“ inszenieren. Doch der Haushalt deckt die eigentliche Lage nicht ab und Lindner will nicht gegensteuern.

IMAGO / Political-Moments

Die Schulden des Bundes betragen 1,7 Billionen Euro. Das hat das Statistische Bundesamt jüngst mitgeteilt. Nicht Millionen. Nicht Milliarden. Nein: Billionen. Woher diese Schulden herkommen, sagt das Statistische Bundesamt ebenfalls: „Der Anstieg der Verschuldung des Bundes ist somit zum größten Teil auf seine Extrahaushalte (Sondervermögen) zurückzuführen.“ Um es in einer Sprache zu beschreiben, die auch die Ampel versteht: Olaf Scholz (SPD), Christian Lindner (FDP) und Robert Habeck (Grüne) haben das Land mit dem Rücken an die Wand gewummst.

1,7 Billionen Euro Schulden hat der Bund. 445,7 Milliarden Euro kann er laut dem Entwurf von Finanzminister Lindner im kommenden Jahr ausgeben. Der Bund bringt also in einem Jahr noch nicht einmal mehr ein Drittel dessen auf, was er anderen schuldig ist. Der Stabilitätsrat hat jüngst mitgeteilt, das gesamtstaatliche Defizit betrage 4,25 Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Die Stabilitätskriterien zum Euro haben einst vorgesehen, dass kein Land eine Quote von 3 Prozent überschreiten soll. Im gesamtstaatlichen Defizit sind auch die Schulden des Bundes, der Kommunen und der Sozialkassen eingerechnet. Insgesamt ist die öffentliche Hand laut Statistischem Bundesamt mit 2,4 Billionen Euro verschuldet. Billionen.

Die Folgen des Doppelwumms
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Angesichts der Zahlen wirkt Lindners Haushalt nur wie ein Theaterstück namens „Solide Finanzen“. Eine durchsichtige Inszenierung, die nur Sender hinnehmen, die ihre Zuschauer sonst mit Rosamunde Pilcher quälen. Oder Zeitungen, die einfach alles akzeptieren, wenn es nur von der Ampel kommt. „Der Bundeshaushalt bildet die wahre Lage der Bundesfinanzen nicht mehr ab.“ Das hat Kay Scheller im März gesagt – in seiner Funktion als „Bundesbeauftragter für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung“. Scheller ist zudem Präsident des Bundesrechnungshofes.

Doch nicht einmal die Zahlen zur Inszenierung „Solide Finanzen“ überzeugen in ihren Rollen: 445,7 Milliarden Euro gibt der Bund aus. Darin sind schon 16,6 Milliarden Euro neue Schulden enthalten. Das ist wenig genug, damit Lindner in ARD, ZDF, Süddeutsche und Co das Stück von der „Schuldenbremse“ geben kann. Doch trotz aller „Sonderhaushalte“ genannten Tricks muss Lindner dabei immer noch von einer „Finanzierungslücke“ sprechen. Ab übernächstem Jahr müsse der Haushalt um weitere 14,4 Milliarden Euro abgespeckt werden.

Der aktuelle Haushalt sei schon um 20 Milliarden Euro abgespeckt worden, wirbt Lindner um das Image der Seriosität. Aber es habe kein „Streichkonzert“ gegeben. Die Ministerien hätten Vorschläge einbringen müssen. Ab einem Jahreseinkommen von 150.000 Euro bekommen Eltern kein „Elterngeld“ mehr. Vorher waren es 300.000 Euro. Das klingt nach ein wenig Sozialneid für den rot-grünen Geschmack – und nach ein wenig „Solide Finanzen“ für das gelbe Theater. Doch angesichts der Dimension von 1,7 Billionen Euro Schulden im Bund und von 2,4 Billionen Euro Schulden der öffentlichen Hand bleibt es eine Spar-Inszenierung.

Der Verteidigungsetat steigt von 50,1 auf 51,8 Milliarden Euro. Der Sozialetat sogar von 166,2 auf 171,7 Milliarden Euro. Mehr als ein Drittel der Ausgaben sind Sozialausgaben. Das ist nicht gewollt. Die Mittel seien immer mehr gebunden, die Spielräume würden enger, muss selbst Lindner einräumen. Warum aber die Sozialausgaben noch mal so stark steigen, sagt der Finanzminister nicht. An fehlender Beschäftigung kann es kaum liegen. Die ist laut Agentur für Arbeit so hoch wie nie. Bürgergeld oder Einwanderung zu problematisieren ist indes nicht die Art der Ampel.

Den wahren Zustand der Staatsfinanzen zu benennen, allerdings auch nicht. Die Rolle übernimmt Scheller als Bundesbeauftragter. In den Jahren der Corona-Maßnahmen und des Kriegs in der Ukraine habe der Bund 850 Milliarden Euro Schulden angehäuft. Das seien mehr als die Hälfte der Schulden, die der Bund in den 70 Jahren davor zusammen erwirtschaftet hat. Inklusive den Kosten, die durch die Wiedervereinigung entstanden sind.

Wählt die Linke – im Notfall
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Daraus wächst laut Scheller das nächste Problem: Vor zwei Jahren musste der Bund laut dem Chef des Rechnungshofes noch 4 Milliarden Euro an Zinsen für seine Schulden bezahlen. Dieses Jahr sind es 40 Milliarden Euro. Um das einzuordnen: Das ist nach Soziales und Verteidigung der höchste Etat und entspricht fast 10 Prozent dessen, was Lindner offiziell insgesamt noch zur Verfügung steht.

Die Schulden, die Scholz, Lindner und Habeck angewummst haben, werden die kommenden Generationen erdrücken. Ihre Tilgung soll laut Scheller 2028 beginnen – und erst 2061 enden. Ein heute 13 Jahre altes Kind zahlt demnach, bis es 50 Jahre alt ist für das, was die Ampel und die letzte Regierung Merkel in der Pandemie und für den Krieg verwummst haben.

Die Gesamtlage zwingt Lindner zu einer Politik, die einer Kapitulation für alle FDP-Ziele entspricht. Das wird durch eine Unions-Anfrage deutlich, die zuerst die Wirtschaftswoche veröffentlicht hat. Demnach hat das Finanzministerium selbst eingeräumt, dass Deutschlands Wirtschaft nach Japan und Malta die dritthöchsten Steuern der Welt zahlt. Wobei Malta einen Großteil seiner Einnahmen den Unternehmen wieder erstattet. Singles müssen in Deutschland fast die Hälfte ihres Einkommens direkt für Steuern und Abgaben opfern. Das ist die zweitgrößte Belastung weltweit, wie die internationale Organisation OECD ausgerechnet hat.

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Lindners Ministerium räumt ein: „Die im internationalen Vergleich hohe Unternehmenssteuerbelastung hat Auswirkungen auf die internationale Wettbewerbsfähigkeit.“ Das Ministerium weiß auch, dass Steuersenkungen nötig wären: Um die Wirtschaft international wettbewerbsfähig zu halten oder wieder zu machen. Und um Binnenwachstum durch Konsum anzukurbeln. Aber angesichts der Haushaltslage sieht Lindners Ministerium keinen Spielraum für Steuersenkungen.

Der gleiche Lindner feiert sich aber dafür, dass trotz der Haushaltslage die Ausgaben für den Ausbau erneuerbarer Energien unvermindert weiter steigen. Der FDP-Chef weiß, wie dramatisch die Haushaltslage ist. Wie sehr er auf eine sich erholende Wirtschaft angewiesen ist. Und dass dafür Steuersenkungen notwendig wären. Doch statt diesen Prozess einzuleiten, bedient er nur die rot-grüne Erzählung von der Energiewende. Lindner drückt das Land sehenden Auges weiter gegen die Wand.

Die Debatten der nächsten Tage werden sich um zehn Euro weniger für die Pflege drehen. Zum Wohle der „Soliden Finanzen“. Damit es kurz darauf wieder heißen kann, es gäbe doch fünf Euro mehr für die Pflege. Die Ampel habe ein großes Herz. Doch die eigentliche Debatte müsste lauten: Wie bekommen wir die Wirtschaft so stark, wie sie angesichts der Haushaltslage des Bundes werden müsste? Die Antworten der Ampel lauten: mehr Sozialausgaben durch Bürgergeld und Einwanderung, mehr Zinsen sowie mehr Windräder, deren Strom dann doch nicht eingespeist werden kann. Spoileralarm. Es sind die falschen Antworten.

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