Tichys Einblick
Novelle des Energiesicherungsgesetzes

Auf Gaskunden rollt eine neue Preislawine zu

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hat bereits die erste Stufe des Notfallplans Gas ausgerufen. Nun sollen rechtliche Grundlagen geschaffen werden, damit Versorger die Gaspreise schnell und deutlich erhöhen können.

Symbolbild

IMAGO / Kirchner-Media

Demnächst sollen sofortige Preiserhöhungen für Gas über die gesamte Lieferkette bis zum Endkunden möglich sein. Das Handelsblatt berichtet über Pläne im Bundeswirtschaftsministerium, das geltende Energiesicherungsgesetz (EnSiG)  von 1975 zu ändern. Hintergrund ist, dass es im Fall eines Gasmangels zu Schieflagen besonders bei Großimporteuren kommen könnte, die eine „Kaskade in der Energiewirtschaft“ auslösen könnten. Daher „sollen sofortige Preiserhöhungen über die gesamte Lieferkette bis zum Endkunden möglich sein“. 

Dies ginge aus dem Entwurf hervor, der vom Bundeskabinett im Umlaufverfahren beschlossen wurde und als Formulierungshilfe ans Parlament geht, um das Gesetzgebungsverfahren zu beschleunigen, so das Handelsblatt: „Die sofortigen Preiserhöhungen sollen schon ab der mittleren von drei Stufen im Notfallplan Gas möglich sein, der sogenannten Alarmstufe, bei der keine physische Gasknappheit herrscht und der Gasmarkt noch nicht staatlich bewirtschaftet wird.“ 

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Es sei damit zu rechnen, dass bei verminderten Gasimporten das Gas am Markt deutlich teurer werde. Um dies zu vermeiden, wären dann Preisanpassungen ausnahmsweise, zeitlich befristet und unter engen Voraussetzungen zulässig. Das Ganze wird als „Not-Preiserhöhung“ deklariert. 

Laut dem Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) stieg der Gaspreis für Haushalte in Mehrfamilienhäusern bereits zum Jahresbeginn 2022 um 83 Prozent an, von 6,47 Cent/kWh auf durchschnittlich 11,84 Cent/kWh. Wer einen neuen Vertrag abschließt, muss noch mal mit höheren Preisen rechnen.

Die sogenannten CO2-Preise führen neben hohen Großhandelspreisen zu höheren Gaskosten. Bereits zu Beginn des Jahres 2022 gab es fast 1000 Preiserhöhungen regionaler Grundversorger von durchschnittlich 33 Prozent. Hinzu kommen noch teurere Tarife für Neukunden, die sich auf den bundesweiten Durchschnittspreis auswirken. Im Februar 2022 lag er mit 14,15 ct/kWh mehr als doppelt so hoch als noch ein Jahr zuvor.

Nun kommt durch die Novellierung des Energiesicherungsgesetzes hinzu: Sofern Gaslieferungen aus einem Drittstaat nach Deutschland ausbleiben oder drastisch gekürzt werden, können Unternehmen die Preise auf ein angemessenes Niveau anheben. Was auch immer ein „angemessenes Niveau“ aussagen soll. Den Kunden wird im Gegenzug ein außerordentliches Kündigungsrecht eingeräumt. Was dem Gaskunden nicht weiterhelfen dürfte, denn er müsste sich auf dem Energiemarkt einen neuen Lieferanten suchen, und wer einen neuen Vertrag abschließen möchte, muss bekanntlich nochmals mit höheren Preisen rechnen. 

Nun laufen Verbraucherschützer gegen die Novellierung des Gesetzes Sturm. Sie fordern, die sogenannte Preisanpassungsklausel anzupassen, und appellieren an den Bundesrat, der am kommenden Freitag die Novelle auf der Tagesordnung hat. Diese enthält den Paragraphen 24, wonach eine Regelung in Kraft tritt, die Energieunternehmen bei einer Gaskrise berechtigt, die Preise zu erhöhen. Dies würde gelten, wenn die zweite oder dritte Stufe des „Notfallplans Gas“, also die Alarm- oder die Notfallstufe, ausgerufen wurde und die Bundesnetzagentur eine erheblich geringere Menge von Gasimporten feststellt, so das Handelsblatt. Die Energieversorger hätten auf dieser Stufe das Recht, ihre Gaspreise auf ein „angemessenes Niveau“ zu erhöhen. 

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Thomas Engelke der Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV) betont gegenüber dem Handelsblatt, die Preisanpassungsmöglichkeiten der Unternehmen seien „viel zu großzügig“. „Im Fall von Engpässen bei der Gasversorgung träfen die Preiserhöhungen die privaten Haushalte mit voller Wucht.“ Schon heute seien viele Verbraucher mit einer Verdoppelung ihrer Gasrechnung konfrontiert.

Dagegen begrüßt die Energiebranche das Gesetz. „Durch stark ansteigende Preise wächst das Risiko krisenbedingter Liquiditätsverwerfungen bei einzelnen Energieversorgungsunternehmen in der Lieferkette“, so Kerstin Andreae, Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft. Die in der Gesetzes-Novelle vorgesehene Preisanpassung könne dazu beitragen, solche Verwerfungen zu verhindern.

Selbstverständlich dürfe die Preisanpassung nicht zu einer zusätzlichen hohen Belastung der Endkunden führen. Der Staat müsse daher Voraussetzungen schaffen, dass die hohen Preise direkt abgefedert würden und gar nicht beim Kunden das Problem der hohen Zahlungen entstehe. 

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