Am heutigen Mittwoch warf der Geschäftsführer der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) Hubertus Pellengahr einen Umschlag mit einem Einspruch gegen die fortgesetzte Erhebung des Solidarzuschlags beim Finanzamt Körperschaften IV in Berlin-Mitte ein.
Den Muster-Widerspruch hatten die INSM und der Steuerzahlerbund schon im Januar angekündigt. Nach ihrer Ansicht kassiert der Staat seit dem Jahresbeginn 2020 den Solidaritätszuschlag verfassungswidrig. „Zusammen mit zahlreichen Verfassungsrechtsexperten sind wir davon überzeugt, dass der Bundesfinanzminister seit Anfang des Jahres den Soli zu Unrecht kassiert. Wir haben deshalb die nötigen rechtlichen Schritte gegen die weitere Erhebung eingeleitet“, so Pellengahr.
Der INSM-Geschäftsführer rechnet mit einer Ablehnung des Einspruchs durch das Finanzamt. Das würde seiner Organisation die Möglichkeit geben, dagegen vor dem Finanzgericht zu klagen und das Verfahren bis zum Bundesverfassungsgericht zu führen. In ihrer Argumentation stützen sich INSM, Steuerzahlerbund, Wirtschaftsrat der CDU und FDP-Bundestagsfraktion, die zusammen eine Allianz gegen den Soli bilden, auf ein Gutachten des früheren Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts Hans-Jürgen Papier. Der Verfassungsjurist kommt dort zu dem Schluss:
„Da der Solidarpakt II Ende 2019 ausläuft, kann die finanzpolitische und finanzverfassungsrechtliche Sonderlage einer besonderen Aufbauhilfe zugunsten der Neuen Länder als beendet erachtet werden. Insofern tritt mit dem Ende des Solidarpaktes II eine ‚finanzverfassungsrechtliche Normallage’ ein, die es fraglich erscheinen lässt, allein unter Hinweis auf den ursprünglichen Erhebungszweck oder unter Hinweis auf einen neuen beziehungsweise mehrere neue Erhebungszwecke nach wie vor einen wirklich bestehenden zusätzlichen Finanzbedarf des Bundes zu konstatieren.“
Auf politische Einsicht der Regierung setzen die Kritiker der Soli-Weiterzahlung nicht mehr. Die Koalition unter Angela Merkel will den Steuerzuschlag erst ab 2021 reduzieren, für Gutverdiener aber auch darüber hinaus weiter beibehalten. Erst vor wenigen Tagen machte die SPD-Vorsitzende Saskia Esken per Twitter noch einmal deutlich, dass sie Steuersenkungen ausschließt.
In der Geschichte des Solidarzuschlags gab es schon öfters das Versprechen, ihn abzuschaffen. Doch dann blieb er – und wurde nur leicht reduziert. Zuerst führte die Bundesregierung die Steuer auf die Steuer – damals 7,5 Prozent – kurzfristig von 1991 bis Juni 1992 ein. Zur Begründung damals diente der höhere Finanzbedarf durch den Aufbau Ost – obwohl Helmut Kohl bei der Bundestagswahl 1990 versichert hatte, wegen der Wiedervereinigung müssten keine Steuern erhöht werden. Außerdem sollte der Aufschlag die einmaligen Kosten für die deutsche Mitfinanzierung des 1. Golfkriegs abdecken.
Anders als der Name suggerierte, flossen die Einnahmen nicht direkt in die ostdeutschen Bundesländer, sondern in den allgemeinen Bundeshaushalt. Im Jahr 1996 versprach Kohl: „Der Solidaritätszuschlag ist bis Ende 1999 endgültig weg.“ Es kam anders. Die einzige Erleichterung für Steuerbürger bestand 1998 in der leichten Absenkung auf 5,5 Prozent. Alle folgenden Bundesregierungen verwiesen auf die Finanzierung des Solidarpakts II, durch den insgesamt 245 Milliarden Euro in den Osten geleitet wurden. Dieser Pakt lief zu Silvester 2019 allerdings aus.
Ursprünglich pochte die CDU darauf, den Steueraufschlag wenigstens bis 2021 komplett abzuschaffen. Das hatte sie selbst auf dem Parteitag beschlossen. Dann knickte sie gegenüber der SPD ein, die forderte, den Soli für Gutverdiener beizubehalten.