Tichys Einblick
Einsparungen im Gesundheitswesen

Für Christian Lindner gilt: Show statt Substanz

Christian Lindner verspricht, es werde keine Steuererhöhungen geben. Mit seinem Haushalt sorgt der Finanzminister aber für steigende Abgaben. Damit verteuert der FDP-Chef Arbeit und gefährdet den Wohlstand des Landes.

IMAGO/photothek

Die FDP flog 2013 aus dem Bundestag. Was war der erste entscheidende Schritt des neuen Vorsitzenden Christian Lindner, um die Partei nach dieser Katastrophe neu aufzustellen? Die FDP verschrieb sich ein neues Corporate Identity. Also ein neues äußeres Erscheinungsbild. Der Aufstieg Lindners war von Anfang an begleitet von dem Motto: Show statt Substanz.

Show statt Substanz ist auch die Überschrift für Christian Lindners Arbeit als Finanzminister. Das könnte für die deutsche Wirtschaft verheerende Folgen haben. Dass Lindner Schulden „Sondervermögen“ nennt, ist noch eine harmlose, sprachliche Rosstäuscherei. Doch sein Versuch, gleichzeitig als solider Haushalter und als Verhinderer von Steuererhöhungen dazustehen, wird Folgen haben: Lindner versteckt die Steuerhöhungen hinter höheren Abgaben für die Sozialversicherung. Damit macht er Arbeit teurer – und gefährdet somit letztlich den Wohlstand Deutschlands.

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Das Feld, auf dem Lindner sein Ideal namens „Show statt Substanz“ umsetzt, ist die Gesundheitspolitik. Die DAK schlägt Alarm: „Kein Ressort leistet so einen massiven Sparbeitrag wie das Bundesgesundheitsministerium. Der Gesundheitsetat wird damit zum Steinbruch für die Haushaltssanierung“, kritisiert ihr Vorstandsvorsitzender Andreas Storm. Künftig entfielen nur noch 16,2 Milliarden Euro auf den Gesundheitshaushalt. Das sind 3,64 Prozent des Gesamthaushalts. So wenig wie noch nie, beklagt Storm. Setzt Lindner seine Pläne um, sinkt der Anteil in den nächsten vier Jahren bis auf 3,44 Prozent. Die Gesundheit werde damit zum „Steinbruch für die Haushaltssanierung“. Diese Umschichtungen „führen zu einer Umverteilung von den Steuer- auf die Beitragszahlenden und treffen damit die Schwächsten in unserer Gesellschaft am härtesten.“

Schon jetzt zahlt der Bund den Krankenkassen zu wenig für die Empfänger von staatlichen Transfers. Die Folge: Die Verkäuferin zahlt dadurch mit ihrem Beitrag für ihre Krankenversicherung den Arztbesuch des Empfängers von Bürgergeld mit. Findet ein Unternehmer einen Menschen, der für ihn arbeiten will, muss er über Abgaben die Medikamente der Menschen mitfinanzieren, die lieber nicht arbeiten gehen wollen.

Der Bund hatte den Kassen versprochen, künftig ausreichend für Transferempfänger zu zahlen. Dieses Versprechen werde der Bund nicht einhalten, klagt Uwe Klemens, Vorsitzender des Verbandes der Ersatzkassen. Zu ihnen gehören unter anderem die TK und die Barmer. Schon jetzt seien die Beiträge zur Krankenversicherung mit durchschnittlich 16,2 Prozent „auf einem Rekordniveau“. Und sie werden weiter steigen. Schon zum Jahreswechsel.

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Die Beiträge in der Pflegeversicherung hat Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) in diesem Sommer bereits erhöht. Weitere Erhöhungen werden durch den Haushalt wahrscheinlich. Die Pflegeversicherung ist schon jetzt unterfinanziert. Um Lindners Vorgaben einhalten zu können, hat er 1 Milliarde Euro aus dem Pflegevorsorgefonds in den aktuellen Haushalt genommen, um akute Lücken zu schließen. Der Fonds ist eigentlich vorgesehen, um die Kostenexplosion in den Griff zu bekommen, die dadurch entsteht, dass die geburtenstarken Jahrgänge in ein Alter kommen, in dem sie statistisch gesehen stärker pflegebedürftig werden. Tritt dieser Effekt ein, laufen Lauterbach die Kosten in der Pflege erst recht davon.

DAK-Chef Storm kritisiert dieses Vorgehen: „Während in der Rentenversicherung der Einstieg in eine Teilkapitaldeckung beschlossen ist, wird diese in der Pflegeversicherung wieder abgebaut. Dieses widersprüchliche Vorgehen der Bundesregierung ist nicht zu vermitteln.“ Lauterbach nehme der Pflegeversicherung „das einzige Element der Teilkapitaldeckung“. Zusammen mit Lauterbachs unzureichender Pflegereform ergebe sich ein verheerendes Gesamtbild: „So fährt die Politik die Pflege gegen die Wand.“

Aber halt nicht nur die Pflege: Deutschland hat einen Mangel an Arbeitskräften. Zumindest an Arbeitskräften, die auch wirklich arbeiten. Ein möglicher Grund dafür ist der geringe Lohnabstand zwischen dem, was einem Geringverdiener übrigbleibt, und dem Bürgergeld. Schon im vergangenen Jahr hat das Institut für Weltwirtschaft errechnet, dass nicht mehr jeder Arbeitnehmer über mehr Geld verfügt als ein Empfänger von Bürgergeld. Politik und Teile der Medien schäumten angesichts der verheerenden Wirkung dieser Botschaft. Kurz danach räumte das Institut ein, es habe sich verrechnet.

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Doch selbst wenn einem Geringverdiener 100 oder 200 Euro mehr übrigbleiben als einem Empfänger von Bürgergeld – soll er dafür wirklich jeden Morgen aufstehen, zur Arbeit fahren, im durch die Letzte Generation verursachten Stau stehen, acht Stunden oder mehr buckeln und Kosten in Kauf nehmen, die ihm nicht entstünden, wenn er zuhause bleiben würde? Mit den Erhöhungen der Beiträge für Krankenkassen und Pflegeversicherung wird die Arbeit für einen schlechten Lohn noch einmal ein gutes Stück weniger rentabel im Vergleich zum Empfang von Bürgergeld.

Zudem steigt die Kostenlast der Wirtschaft. Schon jetzt ächzt die deutsche Wirtschaft im internationalen Vergleich unter hohen Kosten. Etwa für Löhne und Steuern – vor allem aber für die horrend steigenden Energiepreise. Mit Folgen: 120 Milliarden Dollar sind im vergangenen Jahr an Kapital aus der deutschen Wirtschaft gezogen worden. Trotz massiver Einwanderung ist das Bruttoinlandsprodukt rückläufig. Der Geschäftsklima-Index ist alarmierend. In dieser Gesamtlage sorgt Lindner dafür, dass Arbeit noch teurer wird. Um von sich behaupten zu können, Steuererhöhungen verhindert zu haben. Weil für den Finanzminister das Prinzip gilt: Show statt Substanz. Seit 2013. Seit die FDP zum (vorerst) letzten Mal aus dem Bundestag geflogen ist.

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