Tichys Einblick
Paket zu Waffengesetzen und Einwanderung

Einigung nach Solingen: Die Ampel kämpft an zwei Fronten ums Überleben

Nach dem Anschlag von Solingen hat die Ampel ein Maßnahmenpaket vorgelegt. Kern ist mehr die Verfolgung und Bekämpfung von Straftaten als die Verhinderung illegaler Einwanderung. Die Ampel kämpft an zwei Fronten um ihr Bestehen.

picture alliance/dpa, IMAGO - Collage: TE

Justizminister Marco Buschmann (FDP) betont von sich aus vor der Bundespressekonferenz, es sei der Ampel vor allem darum gegangen, Taten wie den Anschlag von Solingen zu analysieren und künftig zu verhindern. Nicht darum, Dinge zu beschließen, die von den drei Parteien der Ampel ohnehin schon gefordert worden seien. Doch was Politiker sagen…

Eines der drei wichtigsten Pakete enthält Forderungen, die überfällig waren, auf die sich die Ampel aber erst unter dem Druck von Solingen einigen konnten: Die Ermittlungsbehörden dürfen künftig Gesichtserkennung und andere Formen der Künstlichen Intelligenz in den sozialen Netzwerken einsetzen, um öffentlich zugängliche Bilder zur Strafverfolgung auswerten zu können.

Der Entschluss wäre schon im März überfällig gewesen. Doch damals schlief Innenministerin Nancy Faeser (SPD). Über Jahrzehnte war die RAF-Terroristin Daniela Klette untergetaucht, besuchte in Berlin sogar dieselben Lokale wie Beamte des Bundeskriminalamtes. Für einen Journalisten war es ein Leichtes mit der Gesichtserkennung Bilder auszuwerten, die Klette auf Facebook eingestellt hatte – so sicher fühlte sich die Terroristin in Berlin. Erst auf seinen Hinweis konnte Klette verhaftet werden. Diese oberpeinliche Fahndungspanne blieb ohne Folgen. Die Innenministerin hatte gerade eine Offensive in ihrem „Kampf gegen Rechts“ aufgerufen. Da passte es nicht, gegen eine Gefahr von Links vorzugehen und damit zuzugeben, dass es diese gibt.

Nun sitzt Faeser vor der Bundespressekonferenz. Der Innenministerin ist es vorbehalten, den Journalisten die geplanten Maßnahmen vorzustellen und zu erklären. Als sie Ministerin wurde, hat sich die Hessin von ihren Experten in Sachen Islamismus getrennt. Das war für sie keine Baustelle. Die Innenministerin blickte nur nach Rechts. Mit Solingen hat die Realität sie eingeholt. Wie wenig sie sich dabei wohlfühlt, ist ihr ins Gesicht geschrieben.

Der besagten Realität wollen Faeser und die Ampel vor allem mit Symbolpolitik begegnen. Die ohnehin vorhandenen Waffenverbotszonen – die den Täter von Solingen nicht abhielten – wollen sie ausweiten. Messer in Zügen will die Bundesregierung verbieten, auf Volksfesten und der Gebrauch von Springmessern soll gänzlich verboten sein. Wer beruflich ein Messer brauche, dürfe schon noch eins benutzen, stellte Faeser von sich aus klar.

Nur eins von drei Handlungsfeldern der Ampel beschäftigt sich mit der illegalen, außer Kontrolle geratenen Einwanderung. Dublin soll wieder gelten. Eigentlich eine Selbstverständlichkeit, doch seit Merkel, grünem Zeitgeist und Fortführung Merkels durch die Ampel außer Kraft gesetzt. Wer einen Asylantrag stellt, aber zuvor ein anderes EU-Land betreten hat, soll wieder an der Grenze abgewiesen werden. Auch will die Ampel die Antragsteller wieder zurückführen, die aus einem anderen EU-Land gekommen sind. Dabei müssen sie aber den fehlenden Willen zur Zusammenarbeit der anderen Mitgliedsländer herbeiführen. Wer trotzdem als Dublin-Flüchtling im Land ist, dem will die Ampel das Einkommen kürzen. Durch Straftaten auffällig gewordene Ausländer will die Ampel künftig konsequenter abschieben.

Anja Hajduk (Grüne), Staatssekretärin im von Minister Robert Habeck (Grüne) geführten Bundeswirtschaftsministerium, kündigte eine Streichung von Leistungen für bestimmte Flüchtlinge an. „Wir finden es richtig, wenn Flüchtlinge, die bereits in einem anderen EU-Mitgliedsstaat registriert wurden, dass sie dort dann auch ihr Asylverfahren betreiben müssen“, sagte sie. „Wenn es dann so ist, dass sowieso schon geklärt ist, dass durch ein Übernahmeersuchen auch gesichert ist, dass dort dann für die Finanzierung eine Zuständigkeit von einem benachbarten europäischen Staat für eine Person gewährleistet ist, dann ist es auch folgerichtig, dass der Leistungsanspruch, der hier bei uns möglicherweise begonnen hat zu greifen, beendet wird. Darauf haben wir uns auch gemeinsam verständigt.“

Buschmann behauptet, die Ampel habe mit dem Paket gewartet, bis dieses ausgereift ist. Doch wann stellen Faeser, Buschmann und Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) es vor: Zwei Tage, nachdem Friedrich Merz Kanzler Olaf Scholz eine Zusammenarbeit zwischen CDU und SPD angeboten hat, die das Ende der Ampel bedeutet hätte. Drei Tage vor den wichtigen Wahlen in Sachsen und Thüringen. Obwohl für einige Punkte die Länder und Kommunen zuständig sind und obwohl für andere Punkte Absprachen mit den EU-Ländern notwendig sind. Aber genau dieser Donnerstag soll der Punkt sein, laut Buschmann, an dem dieses Paket ausgereift ist.

Die Ampel kämpft ums Überleben. Ihre eigenen Vertreter wie der Vorsitzende der Grünen, Omid Nouripour, sprechen von einer „Übergangsregierung“, die ein „Vakuum“ darstelle. Merz hat die Handlungsunfähigkeit der Ampel vorgeführt. Die musste jetzt etwas tun. Um dem Oppositionsführer das Gegenteil zu beweisen und um den Zusammenhalt der Ampel zu vergewissern – auch sich selbst gegenüber. Das sind die beiden Fronten, an denen die Bundesregierung um ihr Überleben kämpft. Ein bisschen Symbolismus à la Messerverbote, ein wenig Überfälliges wie die Gesichtserkennung und ein wenig (weitere) Versprechen in der Einwanderungspolitik. Die Ampel verteidigt ihr Bestehen – und verfügt dabei über ähnlich schlechte Waffen wie die Bundeswehr.

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