Das deutsche Grundgesetz sagt es in Artikel 17 unmissverständlich und eindeutig: „Jedermann hat das Recht, sich einzeln oder in Gemeinschaft mit anderen schriftlich mit Bitten oder Beschwerden an die zuständigen Stellen und an die Volksvertretung zu wenden.“
Warum der Petitionsausschuss des Bundestages nun über Wochen so ein Gewese um eine Reihe von Petitionen zum UN-Migrationspakt macht, ist mindestens auch aus der demokratischen Perspektive völlig unverständlich.
So sind die eingegangenen Online-Petitionen auf einer entsprechenden Website einsehbar. Dann jedenfalls, wenn der Ausschuss der dortigen Veröffentlichung entspricht. Vereinfacht gesagt funktioniert es so: Petitionen werden veröffentlicht und bei ausreichender Zustimmung / Unterzeichnung in einem bestimmten Zeittraum dann zur öffentlichen Anhörung im Petitionsausschuss des deutschen Bundestages angenommen.
In einem Bericht des Bundestages hieß es noch 2013 fast ein wenig hausbacken: „Die falsch berechnete Rente, der nicht finanzierte Rollstuhl, das abgelehnte Besuchervisum, die Bearbeitung von persönlichen Bitten und Beschwerden machte für den Petitionsausschuss (…) den Großteil seiner Arbeit aus.“ (Quelle: Wikipdia).
Ist das etwa die Vorstellung der Bundesregierung, was da nun via Bürger-Petitionen verhandelt werden soll? Nun sind in den letzten Wochen einundzwanzig Petitionen gegen den UN-Migrationspakt eine andere Hausnummer als eine possierliche Petition wegen eines abgelehnten Besuchervisums, wie tragisch sich das auch für denjenigen angefühlt haben mag, der außen vor bleiben musste.
Umso verwunderlicher, dass bisher die Veröffentlichung aller 21 Petitionen zu diesem so wichtigen und schon alleine terminlich eng begrenzten (Zustimmung erfolgt schon im Dezember in Marokko) Thema Zustimmung „UN-Migrationspakt“ abgelehnt wurde. Der Ausschuss nahm sich trotz des anstehenden Termins der Zustimmung schon im Dezember alle Zeit der Welt. Absichtsvoll?
Der Protest gegen diese Verweigerung wurde schon vor Monaten in den sozialen Medien verhandelt, dann nahm sich irgendwann auch die Presse des Themas an. Resultat nun: Am Mittwoch beschloss der Petitionsausschuss des Bundestages doch wenigstens eine der 21 Petitionen gegen den UN-Migrationspakt auf seiner Internetpräsenz abzubilden. Der Ausschuss besteht aus einem 28-köpfige Gremium aus Abgeordneten aller Bundestagsfraktionen: Der Vorschlag jetzt doch eine Petition zu veröffentlichen, soll laut Welt von Mitgliedern der Union und SPD gekommen sein. T-Online erwähnt, was Welt auslässt: Nämlich, dass diese Zustimmung seitens der Abgeordneten der Großen Koalition auch deshalb zustande kam, weil neben dem Druck der Öffentlichkeit auch die Proteste des Oppositionsführers im Deutschen Bundestag zu laut wurden.
In der Petition heißt es: „Der Deutsche Bundestag möge beschließen, dass die Bundesregierung dem globalen Migrationspakt nicht beitrete“. Weiter soll „eine Erklärung bei den Vereinten Nationen“ abgegeben werden, „wonach der globale Migrationspakt für Deutschland nicht bindend sei.“ Der Pakt sei nicht geeignet, Migrationsfragen zu regeln. Die befürchtete Folge einer Zustimmung sei für den Verfasser der Petition „ein Verlust deutscher Souveränität in der Einwanderungspolitik und ein Verwischen legaler und illegaler Migration.“
Erste Folge der Veröffentlichung übrigens: besagte Petition gegen den UN-Migrationspakt mit der Nummer 85565 legt gleich mal die Bundestagsseite lahm, der Internetauftritt war technisch und von der Kapazität her dem Ansturm der Unterzeichner also nicht gewachsen.
Aber ein richtiger dicker Wehrmutstropfen wohnt der so spät zugestimmten Veröffentlichung dann doch inne, wenn t-Online.de weiter schreibt: „Behandelt wird Petition 85565 aber wohl erst, nachdem der Pakt angenommen ist.“ Der Vorsitzende des Petitionsausschusses Marian Wendt (CDU) schätzt, dass das Thema nicht vor Februar im Petitionsausschuss diskutiert wird. Autor Lars Wienand kommentiert das so trocken, wie zwischen den Zeilen unmissverständlich: „Das ist dann ein halbes Jahr nach Eingang der ersten Petitionen zum Thema.“
Fast schon kühn dann, wie sich der Ausschussvorsitzende angesichts dieser Ohrfeige für die Demokratie noch dazu aufschwingt, Petitionen generell klein zu reden: Nein, erledigt hätte sich das Anliegen zwar nicht unbedingt, so Wendt. Und weiter: Oftmals gebe es ja die Möglichkeit, darauf hinzuwirken, dass Entscheidungen noch einmal überdacht werden.
Geht so wirklich Demokratie? Also der Einwand verbunden mit der Hoffnung, dass die da oben ihre Entscheidungen noch einmal überdenken? Wann soll das je der Fall gewesen sein? Und wann ausgerechnet nach einer Petition, die den Ausschuss immerhin zwingt, zum Inhalt der Petition öffentlich Rede und Antwort zu stehen?
Ach, so Wendt weiter, ist doch alles nur Kinderspielzeug … Nein, so hat er es nicht gesagt. Wendt merkt lediglich lapidar gegenüber T-Online.de an: „Viele Leute haben falsche Vorstellungen vom Einfluss einer Petition.“ So spielt man also heute Demokratie.
Mehr zum Thema:
Roland Tichy (Herausgeber), Der UN-Migrationspakt und seine Auswirkungen. Tichys Einblick, 112 Seiten, 12,00 €.
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