Es war, als stießen zwei Welten aufeinander. Zur Rechten der Moderatorin saß Sarna Röser von den Jungen Unternehmern neben Reinhold Robbe, einem Seeheimer-Urgestein aus einer schwindenden SPD. Zu ihrer Linken der fast nicht mehr wegzukriegende ›Politikwissenschaftler‹ Albrecht von Lucke – eigentlich ein linker Spindoctor im öffentlich-rechtlichen Äther ist – und eine Jungsozialistin in all ihrem Saus und Braus. Die Rederunde zum drohenden Linksruck der GroKo strahlte Phoenix noch vor Weihnachten aus, ihr Gehalt trägt in diesem Fall aber sicher über den Tag, was allerdings kaum den versammelten SPD-Spezialisten zu verdanken war.
Kommt es einem übrigens nur so vor, oder sitzt der interessierte Politologe von Lucke in letzter Zeit in zwei Dritteln aller Talkshows? Sei das, wie es will, er absolviert diese Gesprächsformate in der immer gleichen befremdlichen, neunmalklugen Art des Philosophen (wenn er es nur wäre), der an die Herrschaft drängt. Die arme Jungsozialistin nahm er aus heiterem Himmel in die Zange, um ihr den Namen des nächsten SPD-Kanzlerkandidaten abzupressen. Manon Luther, Instagrammerin und Kühnert-Groupie, versuchte sich darauf schon einmal im autoritären Durchwinken lästiger Journalistenfragen, tat sich aber aufgrund des durchdringenden Organs unseres Chefstrategen und Großinquisitors schwer. Von Neuwahlen riet er in der derzeitigen Lage der SPD natürlich ab.
Die GroKo wird immer stabiler, glauben ihre Verfechter
Welche Wohltat war es da, als Reinhold Robbe in norddeutsch-trockener Art konstatierte, dass man Wahlen nicht zu kommentieren, sondern zu akzeptieren hat. Das bezog sich auf die Kür des neuen SPD-Spitzenduos, die der ehemalige Sprecher der konservativen Seeheimer nicht gerade begrüßt haben dürfte. Die beiden neuen Vorsitzenden kennt Robbe (nun süffisant lächelnd) angeblich nicht gut genug, um ihre Durchsetzungsfähigkeit einschätzen zu können. Das Heil erhofft er sich von der SPD-Fraktion. Für von Lucke wird die GroKo indessen immer stabiler, je disruptiver sich die SPD gebärdet.
Das wahre Kraftwerk dieses Abends, das es auch mit dem staatslastigen Kritikaster von der anderen Tischseite aufnehmen konnte und ihm wachen Bürgersinn entgegensetzte, saß aber zwischen Robbe und der Moderatorin. Sarna Röser stellte sich löwengleich gegen die neosozialistischen Tendenzen, die sich nun auch in der jusoisierten SPD auftun, und vertrat nicht nur die Interessen ihres Standes, sondern erkennbar die des Landes. Dieser Ball war auch von der Phoenix-Moderatorin Plättner nicht flach zu halten. »Sarna ins Kanzleramt!«, hätte man ausrufen mögen, wenn es dafür nicht noch etwas früh wäre.
Am selben Abend konnte man die junge Margaret Thatcher in einer arte-Dokumentation zum Epochenjahr 1979 bewundern. Wie Thatcher damals, zum Zeitpunkt ihrer Wahl zur Premierministerin, auftrat, war eine Meisterleistung der politischen Eigenwerbung, die sich allein schon in der Art der Ansprache realisierte. Die Mittelklasse-Britin kreierte damals einen Mittelgrund zwischen dem eleganten Upperclass-Tonfall ihrer männlichen Konkurrenten und verführerischer Weiblichkeit, die auch einer Anpreiserin von Juwelen oder feinem Damast wohl angestanden hätte. Die Schärfe ihres Verstandes machte sich derweil von ganz allein bemerkbar.
Röser leuchtet unseren neuen Staatsvergötzern heim
Könnte die Jungunternehmerin Röser eine moderne Version dieses Typs werden? Noch darf sie als Geheimtipp gelten. Seit neun Jahren ist sie in der Stiftung ihrer Eltern engagiert; der väterliche Betrieb, den sie irgendwann übernehmen will, produziert Betonröhren und Kanalschächte. Sie selbst gründete mit anderen eine Digitalplattform für Mitarbeitervernetzung und ist Mitglied der Ludwig-Erhard-Stiftung.
Inzwischen leuchtet sie unseren neuen Staatsvergötzern mit treffsicheren Analysen heim. Erster Aufschlag in der Phoenix Runde: Mit Vermögenssteuer, Mietendeckel, den damit einhergehenden Enteignungs- und Kollektivierungsphantasien fröne die neue SPD letztlich dem Linkspopulismus. Plättner versuchte es mit einem verwunderten »Ok« und einer SPD-Innensicht-Frage an von Lucke, aber diese Spitze kriegte sie über die ganze Sendung nicht mehr eingefangen, zum merklichen Unwohlsein der drei SPD-Anwälte am Tisch.
Röser nahm derweil unbekümmert den Investitionen-Groove der neuen SPD-Führung auf – nicht ohne anzufügen, dass man zuerst den Sozialstaat etwas aufräumen und herrichten sollte, bevor man an die Erschließung neuer Geldquellen denkt. In der Tat wird inzwischen mehr als die Hälfte des Bundeshaushalts für konsumptive Ausgaben verwendet. Geld, das rechts von den Bürgern eingezahlt wird, kommt, zur staatlichen Leistung veredelt, links wieder heraus. Der Sozialstaat sei zwar wichtig, führte Röser weiter aus, aber derzeit riefen ja wohl eher die marode Infrastruktur, der mangelhafte Digitalausbau und die verfallenden Schulen nach Investitionen. Die beiden Linksdemokraten von gegenüber schauten da ganz bedröppelt.
Da hatte wohl jemand die Schlummertaste gedrückt
Im übrigen könne man die Ausgaben, die Deutschland braucht, locker aus den bestehenden, zuletzt stetig gewachsenen Einnahmen finanzieren, verkündete Röser frohgemut. Die Moderatorin wurde ganz perplex, als Röser doch tatsächlich Standhaftigkeit und das Einstehen für die eigenen Überzeugungen von den Unionsparteien einforderte. Also kein Einknicken gegenüber der Links-SPD und leider »keine Bewegung« im politischen Kesseltreiben, wie die einsilbig zurückkartende Plättner meinte.
Später versuchte von Lucke mit tiefergelegter Stentorstimme Glaubenssätze durchzudrücken, die in seinen Kreisen als negatives Evangelium gelten dürften: Die Kluft zwischen Arm und Reich wachse, die Gegensätze nähmen zu. Die Gründerin und designierte Betriebsnachfolgerin war nicht um eine Antwort verlegen und erwiderte, dass die Unternehmer das Geld keineswegs auf der hohen Kante liegen haben, es vielmehr in Maschinen und dergleichen angelegt sei. Mithin: dieses Geld arbeitet, schläft nicht den Schlaf der Gerechten und mehrt den Wohlstand des Landes schon dadurch. Man solle den Bürgern lieber mal mehr Netto vom Brutto übrig lassen. Von dem Ungerechtigkeitsphantasten von Lucke kam da nur noch ein: »Das ist doch, also… z-z-z« Da hatte offenbar jemand die Schlummertaste gedrückt.
Ungläubiges Schmunzeln bei der SPD-Linken
Zuvor – das war vielleicht der Grund für das toxische Auftreten von Luckes – hatte Röser die Jungsozialistin Luther sehr viel wirkungsvoller gestellt, als es der linksorientierte Polit-Stratege vermocht hatte. Als Luther den neuen post-schröderianischen Kurs der SPD feierte, ging Röser dazwischen und fragte listig, warum die SPD dann seit Schröders Abgang so viel an Zustimmung verloren habe, von 40 auf 10 bis 15 Prozent.
Zum Schluss brachte die unermüdliche Kämpferin es noch einmal auf den Punkt: Die schon genannte Agenda der neuen SPD beschrieb sie als »rückwärtsgewandte Politik«. An der DDR ebenso wie an Venezuela könne man sehen, dass sozialistische Rezepte nicht funktionieren. Ungläubiges Schmunzeln bei der SPD-Linken. Hier meinte auch Robbe sich »bei aller Liebe« und »ganz offen« zur Wehr setzen zu müssen; die Vergleiche mit der DDR und südamerikanischen Staaten seien absurd. Leider sind sie das gar nicht so sehr. Jede Fixierung von Preisen legt ein weiteres Pfund auf den Haufen und bietet der Staatsbürokratie die Gelegenheit zum Wachstum.
Wo der parteipolitisch organisierte Liberalismus inzwischen auf breiter Front versagt, da helfen vielleicht private Initiativen wie die der »Jungen Unternehmer«, um das Staatsversagen – vor allem auch im Umgang mit dem Geld der Steuerzahler – zu kritisieren und eine freiere Gesellschaftsordnung einzufordern. Bitte mehr davon im nächsten Jahr und den noch kommenden, möchte man sich zum Jahresende wünschen. Dabei könnte vielleicht auch die gewandte Diskutantin Sarna Röser helfen.